Weniger als 125 Euro Rente: Das ist die Summe, die Millionen russischer Rentner im Monat zur Verfügung steht. In teuren Großstädten wie Sankt Petersburg reicht das kaum zum Überleben. Wer keine Familie zur Unterstützung hat, steht vor einem echten Problem. Denn Einrichtungen wie die "Tafel" gibt es nicht. Das kleine Lokal "Dobrodomik" in Sankt Petersburg ist deshalb in Russland etwas ganz besonderes.
Früher Nachmittag im Restaurant "Dobrodomik" im Zentrum von Sankt Petersburg. Galina Sinitschkina hat alle Hände voll zu tun, dutzende Gäste wollen versorgt werden, fast alle sind Rentner. Den Stress nimmt sie gerne in Kauf.
"Ich habe zwei Kinder mit Autismus und wollte daher auch Menschen helfen, um die sich sonst kaum jemand kümmert. Ich habe viel gemacht, habe Obdachlosen Essen gebracht und war in Altersheimen. (...) Und deshalb bin ich hier gelandet."
Dobrodomik heißt so viel wie "freundliches Häuschen" und ist kein normales Restaurant, hier können Rentner jeden Tag kostenlos zu Mittag essen. Für viele der Gäste die einzige warme Mahlzeit am Tag.
"Manchmal schafft man es nicht mehr, zuhause zu kochen, wenn es einem nicht gut geht. Und hier gehst du dann wie ins Restaurant. Du isst was und dann kannst du dich zuhause wieder hinlegen und ausruhen."
2017 wurde das Restaurant gegründet, Galina Sinitschkina ist fast von Anfang an als Freiwillige dabei. Sie sieht täglich, wie groß der Bedarf ist.
43 Millionen Rentner gibt es in Russland insgesamt. Umgerechnet 200 Euro erhalten sie im Schnitt pro Monat. Das offizielle Existenzminium liegt bei 125 Euro. Etwa 6,4 Millionen Rentner haben weniger als das. Ihre Rente wird vom Staat zumindest auf das Existenzminimum aufgestockt.
11.500 Euro kostet der Betrieb des Dobrodomik monatlich, staatliche Hilfe gibt es keine. Trotzdem möchte sich Galina nicht beklagen.
"Nichtkommerzielle Einrichtungen wie unsere sind ja dazu da dem Staat zu helfen soziale Probleme zu lösen, die er aus irgendwelchen Gründen nicht lösen kann. (...) Ich glaube daher, es ist viel vernünftiger mit dem Staat zusammen zu arbeiten als gegen ihn."
Das Dobrodomik finanziert sich jedoch komplett über Privatspenden. Wie von diesem Milchbetrieb außerhalb von Sankt Petersburg. Mehrmals pro Monat bekommt Galina hier kostenlos Milch. Das Unternehmen selbst sieht sich in einer sozialen Verantwortung.
"Wir haben eine wichtige Rolle, jene zu unterstützen, die in einer schwierigen Situation sind: sei es ein Rentner oder jemand, der wenig Geld hat. Wir müssen ihn unterstützen und ihm eine helfende Hand reichen."
Dank solcher Hilfe eröffnet das Dobrodomik in Sankt Petersburg bald eine Zweigstelle, in Moskau und Orenburg gibt es die bereits. Und wenn es nach Galina Sinitschkina geht, werden noch viele weitere dazu kommen.
Gesendet bei: MDR AKTUELL, 13.12.2019, 17:45 Uhr
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