Immer mehr Menschen streamen Serien auf Netflix und Co. Doch hat der Konsum der seriellen Erzählungen Einfluss darauf, wie wir die Welt wahrnehmen?
Wer sich zuletzt im Netz durch die Nachrichtenportale klickte, mag sich bisweilen wie auf der Videostreaming-Plattform Netflix vorgekommen sein. Brauchen wir denn wirklich noch eine Staffel Brexit, fragte man sich da. Den Autorinnen und Autoren fällt doch schon seit der letzten nichts Neues mehr ein. Und wie viele Folgen Bolsonaro müssen wir eigentlich noch ertragen, bis endlich die Absetzung erfolgt?
Manche Autorinnen, so auch die Kulturwissenschaftlerin Nathalie Weidenfeld, gehen bei diesem Vergleich sogar noch weiter: Sie machen die scheinbar endlosen Handlungsstränge zeitgenössischer Serien wie The Walking Dead oder Lost dafür verantwortlich, dass wir uns auch in der realen Welt an Erzählungen ohne Abschluss und Konsequenzen gewöhnten. Wenn sich jeder dramatische Wendepunkt bloß als weitere Zwischenstation entpuppe, werde die Krise irgendwann zum Normalzustand - und damit schlussendlich belanglos. Als Beweis dienen die jährlichen Klimagipfel oder eben die zähen Verhandlungen um den britischen EU-Austritt.
Folgt man dieser These, bedeutet das: Serien sind weit mehr als nur Unterhaltung. Sie prägen unseren Blick auf die Welt und formen unsere Persönlichkeit. Aber steckt dahinter mehr als eine bewusst zugespitzte These aus dem Feuilleton? Können Serien also wirklich uns und unsere Weltsicht beeinflussen? Und, wenn ja, wie?
Klar ist jedenfalls, dass der Mensch seit jeher Erzählungen braucht, um der zunehmend komplexen Welt um ihn herum Ordnung und Bedeutung zu verleihen. Wir sehnen uns nach Narrativen, deren inhaltliche Geschlossenheit uns einen Sinn vermittelt. Wir lauschen gebannt Geschichten, durch die wir ...
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