Kann man sich im Museum Gemälde unterschiedlich anschauen, fragt sich unsere Reporterin Agatha Mazur und probiert unterschiedliche Herangehensweisen aus. Teil zwei unserer Serie "Fünf Sinne in Koblenz".
Im Museum: "Sehen" ist nicht gleich "Sehen" Wie man Gemälde wahrnimmt, hängt von den eigenen Erfahrungen ab - Wir probieren verschiedene Herangehensweisen.Koblenz. Pastor Joseph Lang schaut streng auf mich herab. Sein Porträt hängt direkt am Eingang zum Mittelrhein-Museum und empfängt die Besucher. Im Hintergrund lächeln mich Marienstatuen aus dem Mittelalter gütig an. Doch ich biege ab. Mein Ziel ist die moderne Malerei: Heijo Hangen und Karl Otto Götz. Beides bekannte Künstler in Koblenz, deren Bilder in der Dauerausstellung des Mittelrhein-Museums hängen.
Heute mache ich im Museum ein Experiment: Ich werde mir die Werke der beiden Künstler auf verschiedene Art anschauen. Gemälde kann man auf unterschiedliche Arten wahrnehmen, denn: "Sehen" ist nicht gleich "Sehen". Darauf machen mich Anna Maria Knerr und Astrid Fries vom Kulturbüro Ductus aufmerksam. Beide Kunsthistorikerinnen arbeiten in der Kunstberatung und organisieren Ausstellungsbesprechungen und Führungen.
In der einen Variante kann man durch ein Museum schlendern, sich auf die angebotenen Sofas setzen und einfach Gemälde genießen: Weil man sie schön findet. Selbst wenn man ihren Hintergrund nicht kennt oder nicht weiß, was der Maler einem vermitteln will. Ganz individuell und subjektiv. Man nähert sich den Bildern, wie Kinder es tun würden. "Manchmal wünsche ich mir, ich könnte wieder genauso unbefangen herangehen", sagt Kunsthistorikerin Astrid Fries schmunzelnd. Dann gibt es noch den wissenschaftlichen Ansatz: Man beschäftigt sich mit dem Gemälde, erfährt, wie und warum es entstanden ist, lernt über den geschichtlichen Kontext - und entdeckt auf einmal Sachen, die man vorher übersehen hätte.
Bei Heijo Hangens Werken versuche ich, wie ein Kind heranzugehen: einfach gucken und dann entscheiden, ob man es ästhetisch findet oder nicht. Hangens Bilder strahlen mit Farben und geraden Formen: Blau, Gelb, Grün, Linien, Zacken. Zickzacklinien führen über die Gemälde. Nicht alle Formen sind ausgemalt, teilweise sind die Farben als Wörter in die einzelnen Bildabschnitte reingemalt. Es erinnert mich an "Malen nach Zahlen". Die Linien sehen aus, als hätte ein Kind mit der Schere herzhaft in ein Blatt Papier geschnitten und Fantasiemuster ausgestanzt. Ich habe mich mit dem Künstler Hangen im Vorfeld nicht groß beschäftigt. Sieht aber schön aus, warum auch nicht?
Unterschiedliche HerangehensweiseNun geht mein Experiment weiter: Mit der Herangehensweise des anderen Künstlers, K.O. Götz, habe ich mich beschäftigt und mir Sachen angelesen. Ich weiß, dass Götz die so zufällig aussehenden Malschwünge vorher exakt geplant und entworfen und die Wirkung der Formen- und Farbzusammenstellung vorausgedacht hat. Wenn Götz aber erst einmal Idee und Planung im Kopf hatte, hat er sie ganz schnell umgesetzt - mit ununterbrochenen Malbewegungen, erklärt mir die Infotafel des Mittelrhein-Museums.
Ich stehe vor einem großen Gemälde. Schwarze Linien schlängeln sich über die Leinwand, Wellen spritzen über das Bild. Jetzt, wo ich es weiß, sehe ich vor meinem geistigen Auge, wie Götz energisch seinen Pinsel über das Bild gezogen hat. Ich meine, die miteinander verwobene Bildstruktur zu erkennen. Habe ich nun das Gefühl, dass ich mehr in dem Bild sehe als "nur" die Oberfläche? Ein wenig schon. Das Wissen um Götz' Herangehensweise hat mir sein Gemälde näher herangebracht, einfach weil ich mich mit seiner Schaffensweise beschäftigt habe.
Doch nicht nur Wissen und Hintergrund tragen dazu bei, Bilder anders zu sehen. Auch der Ort ist wichtig: "Bilder wurden jahrhundertelang nicht für den musealen Kontext geschaffen", erklärt Anna Maria Knerr vom Kulturbüro Ductus, die derzeit an der Uni Bonn promoviert. Sie führt als Beispiel Sandro Boticelli mit seiner "Geburt der Venus" an. Das berühmte Gemälde, auf dem eine rothaarige Frau einer Muschel entspringt und ihre Scham mit dem wallenden Haar bedeckt, war ursprünglich eine Auftragsarbeit und hing in der Privatvilla eines italienischen Adeligen aus dem Hause der Medici. Weiß man um diesen Hintergrund, ist es sofort in einen sexuellen Kontext eingebunden, erklärt Kollegin Astrid Fries. Mittlerweile hängt das Gemälde in einem Museum in Florenz: "Dort ist es einfach nur ein Bild von einer nackten Frau", spitzt sie zu.
Beide Kunsthistorikerinnen sind sich einig: "In situ", also Bilder in dem Umfeld, für das sie geschaffen worden sind, betrachten zu können, ist toll. "Vor Ort ist es ein Erlebnis, man hat Gänsehaut", sagt Fries. Doch das ist nicht immer möglich. Die Marienstatuen am Eingang des Mittelrhein-Museums haben bestimmt auch einmal Altarräume in Kirchen geschmückt, vielleicht haben Menschen kniend vor ihnen gebetet und die Muttergottes um Hilfe angefleht. Ich stelle mir flackernde Kerzen im Dämmerlicht vor und Weihrauch, der durch die Kirchengemäuer zieht. Nun thronen die Statuen aus Nussholz, Linde oder Kiefer auf Sockeln, die ultramarinblaue Farbe setzt sie königlich in Szene. Wer weiß, ob die ursprünglichen Orte nicht zerstört sind? Und überhaupt kann man nicht zu jedem Kunstwerk der Welt reisen. Da bieten Museen den Menschen doch eine Möglichkeit, Kunst zu erfahren.
Kunst für die SehendenAlle Museen haben eines gemeinsam: Sie setzen voraus, dass man Augen hat, um die Werke zu begutachten. Doch warum ist museale Kunst fast immer visuell? Kunsthistorikerin Knerr erklärt: "Über Jahrhunderte hinweg wurde Kunst von den Sehenden für die Sehenden produziert." Dieses Bild wandelt sich allerdings mehr und mehr. Es gibt aktuelle Projekte, bei denen blinde oder sehbehinderte Menschen mit Handschuhen die Beschaffenheit von Gemälden ertasten dürfen.
Das würde ich auch gern bei "Plien No. 6" ausprobieren, einem weiteren Gemälde des Künstlers K.O. Götz. Es sieht aus, als ob er mit einem riesigen Pinsel über das Bild gewischt und so eine Spur an Regenbogenfarben hinterlassen hätte. Der Untergrund des Bildes ist nicht glatt. Es juckt mich in den Fingern, darüberzustreichen, die Striche zu fühlen und so auch meinen Tastsinn miteinzubeziehen. Warum aber der Seh-Sinn in der bildenden Kunst so wichtig und dominant ist, erläutern mir die Frauen vom Kulturbüro Ductus: Es ist die Wirkung von Bildern. Ihr Sehreiz ist unmittelbar, man kann sich nicht entziehen. "Die Menschen sind sofort berührt", beschreibt Astrid Fries den Effekt.
Mein Besuch im Museum ist zu Ende. Ich steuere auf den Ausgang zu. Der strenge Pastor Lang schaut mir noch lange nach.
Wie arbeitet das menschliche Auge? Lichtstrahlen gelangen durch die Augenlinse ins Innere des menschlichen Auges. Da die Linse gewölbt ist, wird das einfallende Licht hinter ihr auf der Netzhaut gebündelt. Die Netzhaut, auch Retina genannt, befindet sich auf der Rückseite des Augeninneren und besteht aus Sinneszellen, die die Informationen ans Gehirn weitergeben und so ein Bild entstehen lassen. Diese Zellen unterteilen sich in 6 Millionen Zapfen, die Farben erkennen, und rund 120 Millionen Stäbchen, die dafür sorgen, dass der Mensch Umrisse und Schatten erkennt.
2015 wird als Rekordjahr in die Geschichte eingehen. 139 Millionen Zuschauer haben bundesweit etwa 1,2 Milliarden Euro in die deutschen Kinokassen gespült. Doch was heute ein guter Kinofilm ist, sah vor einigen Jahren noch anders aus. Denn die Sehgewohnheiten der Zuschauer ändern sich mit der Zeit. Was sich bei den Filmen in den vergangenen Jahren getan hat, weiß Christian Klein. Der 38-Jährige führt mit seinem Vater das Kino Odeon-Apollo.
„Schnelligkeit ist auf jeden Fall ein Thema", sagt Klein. Natürlich findet auch jeder Regisseur zu seinem eigenen Rhythmus, aber im Allgemeinen hat die Schnelligkeit in Filmen angezogen, betont er. Einer der Treiber dieser Entwicklung waren die Fernsehsender MTV und Viva, die Anfang der 2000er Musikclips groß machten. Diese Clips waren schnell geschnitten, passend zu den Liedern, zum Rhythmus. „Das hat geprägt", sagt Klein. Auch was die Einstellungen betrifft. Christian Klein nennt als Beispiel eine Verfolgungsjagd im Film: Da gibt es heutzutage viel mehr Perspektiven, die Szene wird aus verschiedenen Winkeln gedreht, schnelle Schnitte erhöhen die Geschwindigkeit des Films.
Ein großer Sprung für die Sehgewohnheiten waren Computeranimationen: CGI - Computer Generated Imagery, wie es heißt. Der Film „Jurassic Parc" ließ mit dieser Methode 1993 ganze Dinosaurierherden durch Wälder trampeln - und hatte einen Riesenerfolg. Doch auch bereits davor wurden die Effekte bei den ersten Star-Wars-Filmen ausprobiert. 1995 kam dann mit „Toy Story" der erste komplett digital erzeugte Film in die Kinos. Der Trend hat allerdings seinen Höhepunkt erreicht, glaubt Christian Klein, mittlerweile setzen die Filmemacher wieder verstärkt auf reale Modelle, die man nachbaut. So wie beispielsweise beim jüngsten Star-Wars-Film „Das Erwachen der Macht", der Ende 2015 in die deutschen Kinos kam. „Es ist grundsätzlich realistischer, etwas direkt abzufilmen oder die computergenerierten Bilder nur ergänzend einzusetzen, als sich komplett auf den Computer zu verlassen", ergänzt der studierte Toningenieur.
Ein weiterer Trend der vergangenen Jahre ist der 3-D-Film. Im Fahrwasser der Animationsfilme „Ice Age 3" und „Avatar", die beide 2009 in die Kinos kamen, wurde der Effekt immer beliebter. „Die Bilder bekommen deutlich mehr Tiefe", schwärmt Klein. Es sei, als ob die Leinwand nach hinten geklappt wird: „Es bringt den Zuschauer näher rein", sagt er und offenbart schmunzelnd: „Ich bin ein großer Fan dieser Technik." Doch wie so häufig bei Trends gab es auch hier eine Phase, in der das Pendel zu stark in die eine Richtung ausschlug. „Es gab eine Zeit lang nur noch Effekte", weniger Geschichte, sagt Christian Klein. Filme wie „Batman - The dark knight rises" (2012) und „Tribute von Panem" (2014) läuteten einige Jahre später wieder die Zeit für große Erzählungen ein. Doch sowieso: „Eine gute Geschichte bleibt eine gute Geschichte, egal, wie sie erzählt ist" - oder wie viele Effekte sie mitbringt, ist sich Christian Klein sicher.
Abseits der großen Filme suchen die Kinos derzeit nach neuen Zielgruppen: Serien könnten sich eignen, stellt sich Apollo-Betreiber Klein vor, und auch auf Sport setzt er große Hoffnungen. Schon jetzt zeigt das Apollo Fußballspiele der Europa- oder Weltmeisterschaften. Weniger für Partygänger, sondern eher für Leute, die tatsächlich das Spiel sehen möchten - und trotzdem Stimmung haben wollen, sagt Christian Klein.
24 Frames (Bilder) pro Sekunde Das ist die Schnelligkeit, mit der gängige Kinofilme heutzutage laufen. Mindestens 16 Bilder pro Sekunde sind nötig, damit das menschliche Auge die Bewegung als flüssig wahrnimmt. Neuere Kinofilme oder 3-D-Filme laufen mit einer höheren Bildabfolge.