Elisabeth Schomaker

Redakteurin und Fotojournalistin

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TV-Komiker oder First Lady - Präsidentschaftswahl in Guatemala

Monatelang prägte der Korruptionsskandal um Ex-Präsident Perez Molina die Schlagzeilen aus Guatemala. Am Sonntag entscheidet eine Stichwahl über die Nachfolge. Zur Wahl stehen ein Fernseh-Clown und eine ehemalige First Lady.

Groß waren die Hoffnungen in Guatemala, als die Bürger im Frühjahr gegen Otto Perez Molina demonstrierten und ihn schließlich zum Rücktritt drängten. Seit einigen Wochen sitzt der 64-jährige Ex-General in Untersuchungshaft. Er soll Importeuren gegen Schmiergeldzahlungen Zollabgaben in Millionenhöhe erlassen haben.

Am Sonntag nun entscheidet eine Stichwahl über seine Nachfolge. Zur Wahl stehen eine ehemalige First Lady und ein TV-Komiker. Für Kirchenvertreter und Menschenrechtler ist es eine Wahl zwischen Skylla und Charybdis.

Der Komiker Jimmy Morales ist politisch ein unbeschriebenes Blatt. Sein simpler Slogan "weder korrupt noch ein Dieb" kommt nach dem Korruptionsskandal um den Ex-Präsidenten gut an. Aus der Vorwahl im September ging er als klarer Sieger hervor. Morales ist durch eine Comedy-Sendung auf einem Privatsender bekannt, macht gerne Witze über Indigene. Er stilisiert sich selbst gern als Antipolitiker, der kein politisches Programm, dafür aber ausgezeichnete Berater habe.

Genau die aber sehen Menschenrechtler und Kirchenvertreter mit Besorgnis. Denn hinter Morales' Partei Front der Nationalen Konvergenz (FCN) stecken ehemalige Militärs, die während des Bürgerkriegs von 1960 bis 1996 grausame Massaker verübt haben - vor allem an der indigenen Maya-Bevölkerung. Mindestens 200.000 Menschen wurden ermordet, weitere 45.000 verschwanden. Laut einem UN-Bericht gehen 93 Prozent dieser Morde auf das Konto von Militärs und Paramilitärs. Bis heute ist ein Großteil der Bevölkerung traumatisiert von Mord, Folter und öffentlichen Massenvergewaltigungen.

"Wir konnten das Ergebnis der Vorwahlen kaum fassen", sagt Ernestina Lopez von der katholischen Bischofskonferenz Guatemalas über Morales' Erfolg. "Viele haben nicht wirklich analysiert, wen sie da wählen. Sie waren wohl einfach froh, Perez Molina loszuwerden." Auch Bischof Julio Cabrera Ovalle ist entsetzt, dass mit Morales ehemalige Militärs in den Regierungspalast einziehen könnten. Cabrera war 13 Jahre lang Bischof im Quiche, einer Region, in der das Militär besonders schlimm gewütet hat. "Wenn wir auf unsere Vergangenheit schauen", so der Bischof, "wie können wir da Jimmy Morales wählen?"

Morales' Gegnerin Sandra Torres war von 2008 bis 2012 Sozialministerin unter ihrem damaligen Ehemann Alvaro Colom Caballeros. Weil sie seine Nachfolge antreten wollte, das Verfassungsgericht jedoch die Kandidatur enger Verwandter des Präsidenten verbietet, ließ sie sich von Colom scheiden. Die ehemalige First Lady tritt für die sozialdemokratische Partei Nationale Union der Hoffnung (UNE) an, die sie zusammen mit ihrem Ex-Mann aufgebaut hat.
"Sie nennen sich sozialdemokratisch, aber diese Partei ist auf ganz klar korrupten Strukturen aufgebaut", sagt der deutsche Menschenrechtsanwalt Michael Mörth, der seit mehr als 20 Jahren in Guatemala lebt und arbeitet. "Das muss nicht automatisch heißen, dass sich Torres persönlich bereichert hätte. Aber in ihrer Partei hat es unglaublich viel Korruption gegeben, auch in der Regierung Colom."

Für Bischof Cabrera ist es am Sonntag die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera. "Ich bin überhaupt nicht begeistert von der Idee, Sandra Torres zu wählen", sagt der Bischof. "Aber bei diesen beiden Kandidaten bleibt mir nichts anderes übrig. Trotzdem habe ich große Zweifel, dass sie die Richtige ist, um die schweren Probleme in unserem Land anzugehen."

Davon hat das Land zuhauf: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut, weniger als die Hälfte haben die Grundschule abgeschlossen. Zur Armut kommt ein extremes Maß an Gewalt: Mit 17 Morden pro Tag hat Guatemala eine der höchsten Mordraten weltweit - nur zwei Prozent davon werden aufgeklärt.

Ob die Wahl am Sonntag eine Wende in Guatemala bringt, ist also keineswegs ausgemacht. Trotzdem blickt Menschenrechtler Mörth verhalten positiv in die Zukunft: "Grund für die Wahl sind ja die Demonstrationen, die Perez Molina zum Rücktritt gedrängt haben. Das hat das Selbstbewusstsein der Gesellschaft gestärkt. Das macht Hoffnung."

Von Elisabeth Schomaker (KNA)