Elisabeth Werder

Freie Journalistin & Texterin, Diespeck

3 Abos und 0 Abonnenten
Artikel

Im Arbeitszeugnis schlecht bewertet

Zeugnisse begleiten uns vom ersten Schultag bis ins Arbeitsleben. Nicht immer passt die Fremdbewertung zur eigenen Wahrnehmung. Wie lässt sich strategisch, rechtlich und persönlich am besten mit einem vermeintlich schlechten Arbeitszeugnis umgehen?


Wer mit seinem Arbeitgeber nicht im Guten auseinander gegangen ist, muss ein schlechtes Arbeitszeugnis als „Abschiedsgeschenk“ einkalkulieren. Aber auch, wenn die Kündigung einvernehmlich war, sollte man sich das Arbeitszeugnis nach der Aushändigung ganz genau anschauen. Ein auf den ersten Blick positives Zeugnis kann durch versteckte Formulierungen trotzdem eine schlechte Note oder negative Urteile enthalten. Auch das Weglassen von Worten oder Beurteilungen lässt Rückschlüsse auf das Arbeitsverhalten zu.


Folgende Fragen können bei der Einschätzung helfen, ob das Arbeitszeugnis gut oder schlecht ist: Werden die Tätigkeiten aussagekräftig beschrieben? Werden Erfolge oder besondere Beiträge erwähnt? Welcher Grund für das Ausscheiden aus dem Unternehmen wird genannt, wird das Ausscheiden bedauert? Wünscht der Arbeitgeber für die Zukunft alles Gute? Wie ist der Gesamteindruck, wie ist die Gesamtnote? Wer auf Nummer sicher gehen möchte, dass kein schlechtes Arbeitszeugnis ausgestellt wurde, kann einen Profi um seine Einschätzung bitten.


Korrekturen sind einklagbar


Nach deutschem Gesetz gilt, dass jeder Arbeitgeber ein wohlwollendes Zeugnis ausstellen muss. Sollten daher Fehler oder harsche Kritik im Zeugnis enthalten sein, sollte man diese unbedingt direkt beim Arbeitgeber anmerken und unter Vorgabe einer konkreten Frist um Nachbesserung bitten. „In der Regel erfolgt dies ohne viel Aufwand, da die meisten Arbeitgeber ausscheidendem Personal keine Steine in den Weg legen wollen“, weiß Pascal Pütter von die-bewerbungsschreiber.de. Als Bewerbungsservice-Dienstleister weiß er, worauf es im Bewerbungsprozess ankommt.


„Falls dennoch keine Nachbesserung erfolgt, sollte man auf jeden Fall in Erwägung ziehen, rechtlich gegen das Zeugnis vorzugehen. Vor Gericht gilt: Für Noten im Zeugnis, die schlechter als „befriedigend“ zu werten sind, liegt die Beweispflicht beim Arbeitgeber – für „gute“ und „sehr gute“ Leistungen beim Arbeitnehmer. Viele Arbeitnehmer*innen wissen nicht, dass eine Korrektur des Arbeitszeugnisses sogar einklagbar ist“, so Pütter weiter.


Bewerbungen sind immer Einzelfallentscheidungen


Bei der Frage, ob man ein schlechtes Arbeitszeugnis bei den Bewerbungsunterlagen lieber erst mal weglassen sollte, scheiden sich die Geister - auch unter den Expert*innen. „Ein schlechtes Arbeitszeugnis sollte im Bewerbungsprozess nicht verschwiegen werden. Unternehmen fordern von ihren Bewerbern vollständige Unterlagen – dazu gehört auch ein nicht optimales Arbeitszeugnis. Als Ausnahme gilt: Sollte das Zeugnis tatsächlich noch Gegenstand eines Rechtsstreits sein, kann darauf verwiesen werden, dass das Zeugnis so früh wie möglich nachgereicht wird. Den auszufechtenden Rechtsstreit sollte man dem potenziellen Arbeitgeber gegenüber nur auf dessen Nachfrage hin, jedoch nicht von sich aus erwähnen. Das wirkt abschreckend und kann durchaus ein Grund für die Ablehnung eines Bewerbers sein“, sagt Pascal Pütter.


Sebastian Clensmann von der BewerbungsCode GmbH hingegen findet, dass es immer eine Einzelfallentscheidung sein sollte, welche Unterlagen bei der Bewerbung mitgeschickt werden. Der ehemalige Personaler unterstützt Arbeitnehmer*innen zum Beispiel durch einen Check-Up der Bewerbungsunterlagen oder Coachings beim Bewerbungsprozess. Seine Meinung lautet: „Grundsätzlich rate ich meinen Klient*innen immer, sich bestmöglich zu verkaufen und für die eigene Arbeitsleistung zu werben. Das heißt konkret: spezifische Stärken und den Mehrwert für den Arbeitgeber zu kommunizieren.“ Schwächen sollten seiner Meinung nach nur dann proaktiv benannt werden, wenn sie zum Beispiel die eigene Arbeitsfähigkeit direkt beeinträchtigen.


Aus Erfahrungen lernen


Dass ein schlechtes Arbeitszeugnis noch lange kein Grund ist, den Kopf in den Sand zu stecken, weiß Pascal Pütter: „Berechtigte, konstruktive Kritik sollte man unbedingt annehmen und Lehren für die Zukunft daraus ziehen, um bei zukünftigen Arbeitgebern ggf. gezielt darauf achten zu können. Auch bei diesen ist man eventuell nicht den Rest seines Lebens beschäftigt. Gute Zeugnisse, die auf weniger gute folgen, sind auf jeden Fall eine ideale Möglichkeit, bei späteren Bewerbungen überzeugender zu sein und belegen die persönliche Weiterentwicklung, sowohl im Sozialverhalten als auch in der Arbeitsleistung.“


Ein selbstreflektierter, offener Umgang mit einem schlechten Zeugnis kann sogar ein Pluspunkt im Bewerbungsprozess sein, denn durch die Einladung zum Gespräch ist ohnehin klar, dass das Zeugnis an sich nicht zwingend ein Grund für eine Ablehnung ist. Sofern möglich, kann man die positiven Schlüsse daraus zudem mit einem anderen, bestenfalls aktuelleren Zeugnis noch untermauern. Auch Clensmann ergänzt: „Wer zu seinen Schwächen steht und nicht nur versucht, diese positiv zu „verkaufen“, wirkt integer, ehrlich und reflektiert zugleich.“


Besonders betont werden muss aber in jedem Fall: Man sollte nie negativ über einen Arbeitgeber sprechen, selbst wenn man im Streit auseinandergegangen ist. Das zeugt von schlechtem Charakter und fällt sofort negativ auf das Bild zur Persönlichkeit des Kandidaten zurück. Wer fürchtet, im Vorstellungsgespräch auf ein schlechtes Arbeitszeugnis angesprochen zu werden, sorgt sich normalerweise umsonst: „In der Regel wird der Bewerber im Vorstellungsgespräch auf Wechsel- oder Ausscheidegründe zwischen zwei beruflichen Stationen angesprochen und nur selten auf ein vermeintlich schlechtes Zeugnis“, weiß Clensmann.