Elisabeth Werder

Freie Journalistin & Texterin, Diespeck

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Artikel

Von Bürgerdialog bis Strategieplanung

Die Folgen des Klimawandels haben die Anforderungen an Fachleute der Stadtentwicklung grundlegend verändert. Maßnahmen wie autofreie Zonen und energieeffizientes Bauen erfordern Kommunikationsfähigkeit und interdisziplinäres Fachwissen.


Text: Elisabeth Korn


„Ja das möchste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich mondän. Vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn – aber abends zum Kino hast dus nicht weit.“ Dieses Zitat aus „Das Ideal“ von Kurt Tucholsky beschreibt die Idealvorstellung vieler Menschen, wenn man sie nach ihren Wünschen in Bezug auf Wohn- und Lebensbedingungen befragt. Dass sich unberührte Natur und pulsierendes Stadtleben schwerlich nur durch eine Straße voneinander trennen lassen, ist logisch. Aber was braucht es, um in einer Stadt gut leben, arbeiten und Freizeitangeboten nachgehen zu können?


Die Visionen von Städten der Zukunft als Wohn-, Arbeits- und Lebensräume zu durchdenken, zu planen und zu realisieren beschreibt das spannende Berufsfeld der Stadtplanung. Zu einer gesunden Stadtentwicklung gehört die Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse ihrer Einwohner ebenso, wie zum Beispiel die Erhaltung und Schaffen von Arbeitsplätzen, einer resilienten Infrastruktur, soziale und kulturelle Bedürfnisse (wie Sport- und Freizeitanlagen) und die Themen Natur- und Umweltschutz. Alle Strategien oder Konzepte, die den Rahmen für die räumliche und strukturelle Gesamtentwicklung einer Stadt abstecken, werden unter dem Thema Stadtentwicklung zusammengefasst.


Transformation in Richtung Zukunft


Eine Expertin, die das Berufsfeld seit über 25 Jahren beobachtet, ist die Professorin Christa Reicher. Neben der Gründung eines eigenen Planungsbüros, Reicher Haase Assoziierte (RHA), hat sie sich auch mit der wissenschaftlichen Perspektive beschäftigt. Vor 20 Jahren wurde sie Professorin für Städtebau an der Hochschule Bochum, anschließend folgten Wechsel zur TU Dortmund und RWTH Aachen. Derweil hat sie vor allem eines festgestellt: Die Verbindung zwischen Theorie und Praxis verschafft nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern ist heute eine unabdingbare Voraussetzung. „Master-Studierende im Bereich Städtebau haben heute oft schon ein Jobangebot, bevor sie ihre Abschlussarbeit geschrieben haben. Das liegt daran, dass sich das Anforderungsfeld verändert hat und auch die Ausbildung heute eine andere ist. Das, was ich in meinem Architekturstudium vor 25 Jahren gelernt habe, bietet mit Stadtentwicklung heute allenfalls Anknüpfungspunkte", sagt sie.


Derzeit spielt das Thema Transformation eine große Rolle, es wird laut Reicher viel mehr auf Zukunftsfelder und -strategien geschaut als noch vor einiger Zeit. „Stadtvisionen für nachhaltige, tragfähige Zukunftsfelder erfordern eine transdisziplinäre Herangehensweise. Vor fünf oder zehn Jahren haben Städteplaner in viel kleineren Maßstäben gedacht als heute, sich mehr mit Stadterneuerungskonzepten auseinandergesetzt. Jetzt kommt es vor allem darauf an, fachübergreifend zu denken und Fachbelange in einen räumlichen Gesamtkontext zu bringen", sagt sie. Das heißt: In entsprechenden Konjunkturlagen verändern sich auch das Aufgabenfeld und die jeweiligen Anforderungen.


Innovative Städte


Deutschlandweit sind die Bemühungen um nachhaltige Stadtentwicklung vielerorts zu spüren: Zum Beispiel in Bochum, wo es eine Citybike-Line mitten durch die Stadt gibt. Auch Frankfurt entwickelt sich, trotz Hochhausskyline, hin zu einer Green City: Zum Beispiel mit bürgernahen Initiativen wie die „Baumkontrolleure“, bei denen Fachleute und Stadtbewohner gemeinsam Gehölze untersuchen, oder Projekten zur Abfallvermeidung und zum Klimaschutz. Gerade weil heute wieder verstärkt neue Stadtteile geplant und gebaut werden, rücken die Themen Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz besonders in den Fokus des Prozesses. Dazu gehört einerseits das Thema Energieverbrauch, andererseits die Frage der Nutzungsmischung (Stadt der kurzen Wege oder reiner Wohnstandort?) ebenso wie innovative Mobilitäts- und Klimakonzepte. „Wenn ich die Weichenstellung für eine nachhaltige Stadtentwicklung im großen Stil auf den Weg bringen will, dann muss die Frage nach einem überzeugenden Konzept unter Einbeziehung aller Experten im Vorfeld diskutiert werden und nicht einem Entwurfskonzept überlassen werden“, ist Reicher überzeugt.


Um eine innovative und langfristig zukunftsfähige Stadtentwicklung zu ermöglichen, sind kluge und nachhaltig denkende Fachkräfte gefragt - Stadtplaner und Städtebauer ebenso wie zum Beispiel Experten für nachhaltige Mobilität, regenerative Energien und Ressourceneffizienz. Einfache Patentlösungen gibt es nicht, denn jeder Standort erfordert angepasste Strategien, die sowohl naturräumliche Voraussetzungen als auch kulturelle und soziale Unterschiede berücksichtigt. Das Themenspektrum reicht von Mobilität über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bürgerinnen und Bürger bis hin zu übergeordneten Themen wie dem Klimawandel und der Energiewende. Stadtplanerinnen und Stadtplaner analysieren die komplexen Voraussetzungen und erarbeiten Problemlösungen – für historische Stadt- und Ortskerne, für Stadtquartiere, Wohngebiete und Gewerbestandorte, Dörfer und ländliche Siedlungen oder interkommunale und regionale Entwicklungen. Dazu gehören nicht nur bauliche und stadträumliche Konzepte zur Nutzung und Gestaltung, sondern zum Beispiel auch die Lenkung des Verkehrs unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen auf die Umwelt und natürliche Gegebenheiten.


Vom Städtebauer zum Stadtplaner


Als Gründe für den Wandel nennt Christa Reicher einerseits die Baukonjunktur, in den letzten Jahren boomt das Thema Neubau, und andererseits die Politik. Zu Beginn der 2000er Jahre war die politische Devise, dass sich der Wohnungsmarkt selbst reglementiert und nicht als staatliche Aufgabe angesehen wurde. „Aus meiner Sicht war das fatal, weil ich glaube, dass die Bereitstellung von Wohnraum oder die Förderung von Wohnungsbau und Stadtentwicklung sehr wohl Aufgabe der Politik ist. Wenn man bedenkt, dass wir lebensfähige Stadträume für alle brauchen, dann ist das nicht nur eine Fragestellung die Investoren und der Markt beantworten dürfen, sondern dann muss das zumindest ein Stück weit auch gesteuert werden, zum Beispiel durch Förderungen und entsprechende Leitlinien“, sagt sie.


Das bestätigt auch Johannes Dragomir, Vorstandsmitglied der Bayerischen Architektenkammer (BYAK) und Vorstandsvorsitzender der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SLR): „Das Berufsbild hat sich vom Städtebauer, der als Architekt Stadterweiterungen entwickelt, zum vernetzten Stadtplaner mit komplexem Wissen hin verändert.“ Die qualifizierte und konstruktive Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen wie Landschaftsplanung, Ökologie, Energie, Ökonomie, Verkehrsplanung und weiteren Expertinnen und Experten erfordert ein umfassendes Grundwissen, um in Verhandlungen als Gesprächspartner/in auf Augenhöhe aufzutreten. Der regelrechte "Flächenfraß" durch die tägliche Versiegelung von täglich rund 80 Hektar in Deutschland, die Auswirkungen des Klimawandels auf Industriegebiete und eng besiedelte Stadtteile ohne viel Grünfläche zum Ausgleich oder eine grüne Infrastruktur - das sind nur einige Herausforderungen, für deren Lösungen nachhaltig denkende Fachkräfte gebraucht werden. Dazu gehören zum Beispiel auch Geographen, Umweltschutzfachkräfte und andere grüne Generalisten.


Stadt braucht Planung


Ein weiteres Aufgabenfeld der Stadtplanung ist die Abstimmung, Koordination und Integration von anderen Fachplanungen in eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung. Dazu kommen aktuelle Herausforderungen wie zum Beispiel Resilienz (die Fähigkeit, Umwandlungen vollständig anzunehmen) ebenso wie die stärker werdende Forderung nach Bürgerbeteiligung, welche sich unter anderem im Trend zum urbanen Gärtnern oder in der steigenden Anzahl von Bürgerbegehren und Kampagnen zeigt. Hier sind vor allem Kommunikationstalent und Diplomatie gefragt. Christa Reicher bestätigt, dass sich die Themen auch dahingehend verschoben haben: „Früher war Stadtentwicklung eine Fachdisziplin der Architektur, seit einigen Jahren fühlen sich immer mehr Gruppen für das Thema verantwortlich. In seinem stillen Kämmerlein kann und soll heute kein Stadtplaner mehr sitzen, stattdessen muss er in regem Austausch mit Experten aus andockenden Disziplinen wie Energie und Mobilität, den Kommunen und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern stehen.“


Ein/e Stadtplaner/in macht zwar nach wie vor städtebauliche Konzepte, aber eben auch formelle und informelle Planungen, zum Beispiel Bebauungs- und Flächennutzungspläne. In der Regel übernimmt dabei der oder die Stadt- oder Raumplaner/in die fachliche Koordination und Projektsteuerung. Ein Bebauungsplan ist ein rechtliches Planungsinstrument, welches umfassende Kenntnisse des gesamten Planungsrechts und der anverwandten Gesetze (zum Beispiel Lärmschutz oder Umwelt) voraussetzt. Die Erstellung eines Flächennutzungsplans erfordert Wissen in anderen Disziplinen, beispielsweise Soziologie und Ökonomie, um Gemeinden gut zu beraten – entweder als Teil des jeweiligen Stadtplanungsamtes oder als Dienstleister aus einem freien Planungsbüro.


"Wie steuere ich das Wachstum oder Schrumpfen einer Gemeinde? Letzteres ist in weiten Bereichen der Bundesrepublik, auch im Norden Bayerns, derzeit ein großes Thema. Hier sind Kitas und Schulen nur noch zur Hälfte gefüllt, die jüngere Bevölkerung verlässt die Region tendenziell“, sagt Dragomir. Dabei spielen soziale, ökonomische und ökologische Fragen eine entscheidende Rolle. Um die Entwicklung zu steuern, muss man sie zunächst verstehen – das steht lange vor dem tatsächlichen Planungsprozess. Fungiert ein/e Stadtplaner/in als Berater/in für Kommunen oder Städte, muss er oder sie darüber hinaus die Inhalte und Voraussetzungen unterschiedlicher Förderprogramme kennen. „Stadtplanung ist ein langwieriger Prozess, es geht nicht um einen genialen Entwurf der direkt so umgesetzt wird, sondern um viele kleine Schritte“, ergänzt der Experte.


Spezialisten fürs Generelle


Der klassische Weg zum Stadtplaner führt über ein Architekturstudium und Aufbaustudien im Bereich Städtebau und Stadtentwicklung, ohne Masterabschluss findet man nach Aussage der Experten schwerlich eine Anstellung in einem Planungsbüro. Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Masterstudiengängen mit diesem Schwerpunkt: Darunter zählen zum Beispiel "Advanced Urbanism" an der Universität Weimar, "integrative Stadtentwicklung - Smart City" an der FH Wien oder "Nachhaltige Stadt und Regionalentwicklung" an der Hochschule Nürtingen-Geislingen. Eine Übersicht aller Masterstudiengänge mit Schwerpunkt Stadtentwicklung und Städtebau in Deutschland, Österreich und der Schweiz finden Sie unter folgendem Link: https://www.studieren-studium.com/master/Staedtebau_und_Stadtplanung#dir_premium.


Die Berufsbezeichnung „Stadtplaner“ darf nur führen, wer in der Stadtplanerliste einer Landesarchitekten- oder Stadtplanerkammer eingetragen ist. Die Eintragung erfolgt in einem förmlichen Verfahren, in dem die entsprechenden Studienvoraussetzungen (in der Regel Masterabschluss) sowie eine zweijährige berufspraktische Tätigkeit im Anschluss an die Ausbildung überprüft werden (Art. 6 Abs. 2 BauKaG). Die genauen Anforderungen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Die Vergütung von städtebaulichen Leistungen orientiert sich an der „Honorarverordnung für Architekten und Ingenieure“ (HOAI), sofern diese dort geregelt sind. Die HOAI ist als Rechtsverordnung der Bundesregierung für alle Stadtplaner/innen und Auftraggeber bindend.


Öffentlicher Dienst


Neben der Tätigkeit in einem freien Planungsbüro oder der Wissenschaft gibt es auch die Möglichkeit, in der öffentlichen Verwaltung – insbesondere bei Baubehörden der Kommunen, Länder und des Bundes – zu arbeiten. Eine Möglichkeit, in diesen Bereich einzusteigen, ist nach dem Studienabschluss eines technischen Studiengangs ein „Technisches Referendariat mit der Fachrichtung Städtebau“ bei der Regierung zu machen. Das Referendariat dauert einschließlich des Staatsexamens grundsätzlich zwei Jahre, die Vergütung richtet sich nach der jeweiligen Besoldungsordnung. Aber auch ohne Referendariat können sich Berufserfahrene auf die Vielzahl an derzeit ausgeschriebenen Stellen bewerben.


Wer die klassische Beamtenlaufbahn anstrebt, kommt am Referendariat in der Regel nicht vorbei, denn es vermittelt nicht nur die verwaltungstechnischen Grundlagen, sondern auch relevante rechtliche Vorschriften und bereitet auf die Leitung einer Abteilung oder eines Amtes vor. Dass es aus diesem Grund ein sinnvoller Vorläufer der Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist, weiß Frithjof Look aus eigener Erfahrung. Nach seinem Stadtplanungs-Studium mit Masterabschluss in Hamburg machte er ein Verwaltungsreferat beim Regierungspräsidium Darmstadt, anschließend wurde er Bauamtsleiter in Einbeck (Niedersachsen) und seit August 2018 ist er Abteilungsleiter für Stadtentwicklung bei der Stadt Wuppertal.


Die Zukunftsaussichten sind auch im öffentlichen Dienst gut: „Es ist kein Geheimnis, dass wir darauf hinsteuern, dass eine ganze Generation quasi auf einmal in Ruhestand geht. Deshalb braucht es qualifizierte Nachwuchskräfte, die deren Plätze einnehmen können", sagt er. Der Altersschnitt im öffentlichen Dienst ist hoch, trotzdem werden beispielsweise in Hessen durchschnittlich acht Städtebau-Referendariate pro Jahr durchlaufen. "Das ist für die Menge an Verwaltung, die man bewältigen muss, wenig. Und nicht alle Referendare entscheiden sich im Anschluss für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst, denn auch in der freien Wirtschaft ist der Abschluss eine anerkannte Zusatzqualifikation, deshalb bleiben manche Stellen einfach unbesetzt", ergänzt Look.


Andere Schwerpunkte


Als Abteilungsleiter gehört es zu seinem Aufgabengebiet, ein nachhaltiges Stadtentwicklungskonzept für Wuppertal zu entwerfen – also der Frage auf den Grund zu gehen, wie sich die Stadt künftig entwickeln wird. Das ist vor allem deshalb eine spannende Aufgabe, weil sich in der 15 Kilometer langen Talstadt Gewerbe, Wohnraum und Einkaufsmöglichkeiten auf engstem Raum konzentrieren. Einkaufsmöglichkeiten und Supermärkte sollten sich deshalb nicht nur am Ortsrand ansiedeln, sondern vor allem in der fußläufigen Nähe von Wohngebieten, auch um das Verkehrsaufkommen zu entlasten. Aber auch Konzepte für die Innenentwicklung oder die Frage, wo am sinnvollsten Bauland im Außenbereich geschaffen werden soll, gehören zu seinen derzeitigen Aufgaben. Auch der Entwurf von Einzelhandelskonzepten oder, speziell in Wuppertal, der Umgang mit Schrott-Immobilien sind ein Teil seines Arbeitsalltags. „Umso größer die Verwaltung, umso mehr Abstimmungsarbeit gehört dazu, was von außen oft gar nicht so wahrgenommen wird“, erklärt er.


Eine Verwaltung funktioniert grundsätzlich anders als ein freies Planungsbüro: „Wir haben sehr viele verwaltungsinterne Vorgaben, und auch der Haushalt einer Kommune setzt Grenzen“, weiß er. Dazu kommt die Vereinbarkeit der Interessen unterschiedlicher Akteure wie Politikerinnen, Stadträte sowie Bürgerinnen und Bürger. Die Stadtverwaltung mit ihren Budgets und Vorschriften steht der stadtplanerischen Vision gegenüber. Verwaltungen funktionieren über Haushaltspläne, Projekte müssen angemeldet, beraten und beschlossen werden. „Unser Ziel ist zwar das gleiche, aber die Arbeit eines Planungsbüros endet in der Regel nach der Konzeptausarbeitung und der Vorstellung vor dem Ausschuss. Die Umsetzung ist mehr die Aufgabe des öffentlichen Dienstes, und diesen Prozess zu begleiten erfordert zum Teil eine andere Sichtweise“, erklärt Look weiter.


Vauban und Dietenbach


Viele Städte bemühen sich bereits um einen besseren Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Themen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Freiburg mit seinem Eco-Viertel Vauban, eines der weltweit ersten Projekte seiner Art. Auf dem 42 Hektar großen Gelände einer ehemaligen französischen Kaserne wurden ab 1996 Gebäude nach dem Freiburger Niedrigenergie-Standard errichtet. Die meiste Energie beziehen die Haushalte aus den Solarpaneelen der Plusenergie-Häuser, von denen es 100 Einheiten in der Siedlung gibt. Auch eine spezielle Abwassertechnologie und Vakuumtoiletten unterstützen den Gedanken der Nachhaltigkeit. Für Mobilität sorgt in dem autofreien Viertel die Straßenbahn, für Wärme ein mit Holzhackschnitzeln befeuertes Blockheizkraftwerk.


Freiburg ist ein beliebter Wohnort, der Bedarf an neuem Wohnraum wächst rasant. Vor vier Jahren hat die Stadt deshalb die Entwicklung des neuen Stadtteils Dietenbach auf den Weg gebracht. Christa Reicher hat den Prozess von der Ausschreibung bis zur Auswahl der Gewinnerkonzepte als Mitglied der Jury und des Beirats begleitet. „In dem Beirat sitzen nicht nur Architekten und Städteplaner, sondern auch Experten aus den Bereichen Energie, Nachhaltigkeit und Mobilität – da wurde schnell deutlich, dass zum Beispiel das Thema Freiraumgestaltung genauso wichtig ist die wie gebaute Struktur oder die geplante Ressourceneffizienz“, sagt sie. Auch das Thema Mobilität, also wie ein innovatives Konzept aussehen kann, dass die Bewohner dazu bringt auf das (private) Auto zu verzichten, sei eine wichtige Stellschraube für eine nachhaltige Stadtentwicklung.


Ein aktuelles Beispiel für nachhaltige Stadtplanung ist die Frage nach der idealen Flächennutzung von Grünanlagen und Infrastruktur. Die Planer der Nachkriegszeit hatten vor allem eine autogerechte Stadt im Fokus, Abstandsflächen müssten nach heutigem Stand oft nicht so groß sein wie sie sind und auch Straßenbreite könnte reduziert werden. Solche Potentiale zu entdecken und durch Alternativen wie Fuß- und Radwege, Alleebäume, Grünanlagen und Schneisen, über die frische Luft aus dem Umland in die Innenstadt gelangt, zu verwirklichen - das fordert Stadtplaner und Umweltexperten gleichermaßen heraus.




Der Artikel erschien erstmals im WILA Arbeitsmarkt (2018).