Elisabeth Werder

Freie Journalistin & Texterin, Diespeck

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Interview

Auf das Fach kommt es an

Während für eine Professur in den Geisteswissenschaften weiterhin die Habilitation unerlässlich ist, öffnen sich Naturwissenschaften und Studiengänge im Technikbereich für neue Qualifikationswege. Da in der Kunst vor allem Talent zählt, entfällt an FH‘s sogar die Promotion.


Interview: Elisabeth Korn


Dr. Matthias Jaroch hat Geschichte, Politik und Germanistik in Bonn studiert. Nach der Promotion im Fachbereich Geschichte war er drei Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte in den damaligen Zweigstellen in Bonn und Berlin. Seit August 2006 ist er für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Hochschulverbandes verantwortlich.


WILA Arbeitsmarkt: Herr Dr. Jaroch, ist die Professur mit Habilitation ein Auslaufmodell?


Dr. Matthias Jaroch: Das glaube ich nicht. In Deutschland spielt die Habilitation an Universitäten nach wie vor eine bedeutende Rolle, gerade in den Geisteswissenschaften hat sie eine starke Stellung. Vor allem in den Natur- und Technikwissenschaften haben sich aber auch andere Qualifikationswege etabliert. Es kommt also vor allem auf das Fach an.


Welche anderen Qualifikationswege sind das?


Es gibt zum Beispiel die Nachwuchsgruppenleitung, bei der Postdocs schon früh eine eigene Forschungsgruppe leiten und sich so für eine Professur qualifizieren können.  Seit 2002 gibt es zudem die Juniorprofessur. Sie soll es jungen Wissenschaftlern mit herausragender Promotion ermöglichen, in der Regel für sechs Jahre eigenverantwortlich zu forschen und zu lehren. Die Berufungsfähigkeit  auf eine unbefristete Professur wird mittels einer Evaluation festgestellt. Schließlich gibt es auch die kumulative Habilitation, bei der mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Habilitation führen oder als habilitationsäquivalente Leistung gewertet werden. Derzeit gibt es schätzungsweise 1.000 Nachwuchsgruppenleiter und fast 1.600 Juniorprofessoren, hinzu kommen – wohlgemerkt jährlich – 1.600 Habilitanden.


Inwieweit unterscheiden sich hier Universitäten und Fachhochschulen?


Universitäten und Fachhochschulen haben verschiedene, sich ergänzende Aufgaben. Auf universitärer Seite sind es vor allem Grundlagenforschung und Bildung durch Wissenschaft, auf der Seite der Fachhochschulen vor allem anwendungsorientierte und praxisnahe Ausbildung.  Dort ist die Habilitation keine Regelvoraussetzung für eine Professur. Stattdessen müssen FH-Professoren in ihrem Fachgebiet mindestens eine fünfjährige Berufspraxis in der Entwicklung und Anwendung von wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen vorweisen können. Vor allem im musischen und künstlerischen Bereich können Professuren aber auch aufgrund von Talent oder Berufserfahrung vergeben werden, hier ist selbst eine Promotion nicht erforderlich. 


Sind an privaten Hochschulen die Chancen auf eine Professur grundsätzlich besser?


Auch private Hochschulen sind an staatliche Vorgaben gebunden. Insofern gibt es hier, was die Anforderungen angeht, keine grundlegenden Unterschiede zu staatlichen Hochschulen. Die meisten privaten Hochschulen sind Fachhochschulen. Aufgrund ihrer Größe und Spezialisierung bestreiten sie ihr Lehrangebot häufig mit Vertretern aus der beruflichen Praxis. Hauptamtliche Professoren berufen sie seltener. Die Vergütung liegt außerdem zumeist unter dem, was an staatlichen Hochschulen bezahlt wird.


Gibt es Stellen, auf die man sogar ohne Promotion eine Chance hat, wenn man entsprechend viel Berufserfahrung mitbringt?


Die Ausnahme bleiben musische und künstlerische Fächer, ansonsten ist eine wissenschaftliche Karriere ohne Promotion in der Regel unvorstellbar. Derzeit gibt es in Deutschland fast 47.000 hauptamtliche Professuren. Wer eine Professur anstrebt, begibt sich in einen sehr umkämpften Markt. Kurze Zeitverträge und nicht selten prekäre Lebensverhältnisse gehören zum Alltag des wissenschaftlichen Nachwuchses – trotz der Wissenschaftspakte in den letzten Jahren. Für die wachsende Zahl qualifizierter Nachwuchswissenschaftler gibt es zu wenig Stellen. Einige, die trotz hervorragender Leistungen keinen Ruf auf eine Universitätsprofessur erwerben können, weichen daher auf Fachhochschulen oder private Hochschulen aus, obwohl sie dort die Habilitation als Qualifikationsnachweis gar nicht unbedingt  benötigen.


Das System der Professur wandelt sich also, wie wird es weitergehen?


Das deutsche Wissenschaftssystem befindet sich in Bewegung: Es ist anpassungsfähig und längst nicht mehr so starr, wie vielen meinen. Die Habilitation ist keineswegs ein Auslaufmodell, aber auch nicht mehr der einzige Weg, der zur Universitätsprofessur führt. Das ist mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit auch gut so. Es ist weder realistisch noch wünschenswert, die vorhandene Vielfalt an Qualifikationswegen einzuengen. Vielmehr wird es weiterhin Aufgabe der Fächer sein, über die jeweils für das einzelne Fach angemessenen Qualifikationswege zu bestimmen. Ob und inwieweit beispielsweise die Habilitation eine nicht in jedem Fall notwendige, aber wünschenswerte Regelvoraussetzung für die Berufung auf eine Universitätsprofessur ist, wird auch künftig vornehmlich in der Hand des jeweiligen Faches liegen müssen.




Das Interview erschien erstmals im WILA Arbeitsmarkt (2018).