Text: Elisabeth Korn
Es
ist 12 Uhr mittags, Theres Jurenz' Magen knurrt. Vor ihr steht ein frisch
gelieferter Karton eines Pizzabäckers aus Berlin. Wenig später weht der Duft
von Pizza Spinaci, Tre Formaggi und Caprese durch die Büroräume von Ökofrost:
Es sind Produktmuster, deren Verkostung zum Berufsalltag der Ökotrophologin
gehört. Unterstützt wird sie dabei von ihren Kollegen aus Vertrieb, Buchhaltung
und Marketing. Überhaupt verbringen die Mitarbeiter gerne ihre Mittagspause
zusammen oder treffen sich auch außerhalb des Bürokomplexes in Berlin, denn der
Vertrieb von nachhaltigen Bio-Tiefkühlprodukten ist nicht das einzige Anliegen
von Ökofrost.
Vielmehr bemüht sich die Firma in ihrer Gänze um ein nachhaltiges Konzept: Das Unternehmen ist nach dem System der Holakratie organisiert und gemeinwohlbilanziert. Es gibt beispielsweise keine klassischen Abteilungsleiter, sondern Arbeitskreise und innerhalb derer Ansprechpartner/innen für einzelne Themen, sodass sich jede Stelle durch eine gewisse Verantwortung und Gestaltungsfreiheit auszeichnet. Jurenz ist mit drei weiteren Kolleginnen für die Produktentwicklung und das Produktmanagement zuständig. Und obwohl sie bei Ökofrost nicht selbst in der Versuchsküche steht, ist sie direkt am Prozess der Produktentwicklung beteiligt.
Seit Mai 2014 arbeitet die gebürtige Dresdnerin dort. Ihre Aufgaben sind es, das Sortiment um die Eigenmarken zu pflegen sowie neue Produkte auf den Markt zu bringen. Das heißt: Auf verschiedenen Wegen eine Produktidee finden, potentielle Hersteller ausmachen, Verkostungen durchführen, Rezepturen entwickeln, Verpackungen gestalten und das vermarktete Produkt stetig beobachten und gegebenenfalls verbessern. „Mein Arbeitsalltag ist abwechslungsreich. Eine Regelmäßigkeit gibt es nur im Rahmen des Produkteinführungsprozesses“, sagt Jurenz. In der Regel werden jeweils im Frühjahr und im Herbst neue Produkte eingeführt.
Als Ökotrophologin in der Produktentwicklung
„Ein
Produktmanager ist im konventionellen Bereich normalerweise ein
Betriebswirtschaftler, weil der Produkteinführungsprozess gut zu einem
klassischen Marketing-Mix gehört und aus einer rein betriebswirtschaftlichen
Perspektive gesteuert werden kann“, erklärt sie. Ein Produktmanager koordiniert
Marketing, Vertrieb und Produktion. Bei Ökofrost ist der Produktmanager und
-entwickler die gleiche Person, nämlich Theres Jurenz. Das ein Ökotrophologe in
diesem Bereich eingesetzt wird, ist in der Öko-Branche nicht unüblich. Der
Grund könnte sein, dass bei der Entwicklung von Bio-Produkten verstärkt
Perspektiven aus nachhaltigem Landbau, gesunder Ernährung und alternativen
Zutaten bedacht werden.
„Bei
der Entwicklung von Bio-Produkten ist ein Verständnis für ökologischen Landbau
wichtig, man muss sich mit den Besonderheiten und Anforderungen auskennen“, sagt
Jurenz. Bio-Produkte wurden lange mit dem Attribut „gesund“ assoziiert, hier
zeichnet sich laut ihr ein Wandel ab: „Nicht jedes Bio-Produkt ist gesund, aber
in dem Fall wo gesunde Produkte entwickelt werden sollen, also zum Beispiel
ohne Zusatzstoffe, kann sich ein Ökotrophologe einfach besser zurecht finden.
Ein BWLer müsste sich erst einmal mit gesunder Ernährung auseinandersetzen.“
Trendthema Nachhaltigkeit
Das Naturprodukte im Trend sind, bestätigen nicht zuletzt aktuelle Umsatzzahlen: Der Anteil von Bio-Lebensmitteln am Lebensmittelumsatz in Deutschland hat sich von 2006 auf 2017 mehr als verdoppelt und liegt derzeit bei 5,7 Prozent (Quelle: Statista). Die Naturkosmetik hatte 2016 einen deutschlandweiten Marktanteil von 8,5 Prozent und steht damit europaweit an erster Stelle. Aber die konsequente Umsetzung eines umweltbewussten und nachhaltigen Lebensstils bedeutet, sich nicht auf Nahrungsmittel zu beschränken, sondern auch bei Gebrauchsgegenständen, Textilien oder Kosmetikprodukten auf die Herkunft zu achten. „Grundsätzlich werden natürlich Fachkräfte für die Produktion und Qualitätssicherung von Naturkost und -waren benötigt – das können Biologen, Chemiker oder Ökotrophologen sein. Aber auch Geographen oder Agraringenieure", erklärt Hilmar Hilger vom Bundesverband Naturkost Naturwaren e.V. (BNN). Seiner Aussage nach ist der Bio-Bereich ein stabiler Wachstumsmarkt. Große Unternehmen, insbesondere Hersteller, beschäftigen ihm zufolge vor allem Fachkräfte, die für die Qualitätskontrolle und Entwicklung der Produkte eingesetzt werden.
Nicht
nur die Produktion, auch die Zertifizierung von Naturprodukten ist ein
Arbeitsbereich für grüne Fachkräfte. Denn für Endkunden ist es oft schwierig zu
unterscheiden, ob es sich um eine clevere Marketingstrategie oder hochwertige
Naturprodukte handelt – bei der Entscheidung hilft ein Gütesiegel. Jeder Zertifizierer gibt einen eigenen
Kriterienkatalog vor, der erfüllt sein muss, um das
entsprechende Siegel zu erhalten. Dazu gehören im Bio-Bereich beispielsweise
eine Liste von zulässigen Inhaltsstoffen und deren Mengenangaben oder ein
Verbot von Tierversuchen.
Karin
Roth, Diplom-Geographin, hat zwölf Jahre lang als Zertifiziererin von
Bauprodukten beim eco-INSTITUT in Köln gearbeitet. „Dort arbeiten ganz
verschiedene Fachrichtungen, vom Holzwirt bis zur Umweltwissenschaftlerin – man
setzt sich auch viel mit den Inhalten auseinander", sagt Roth. Die
Kriterien des hauseigenen Labels wurden von ihr mit betreut und
weiterentwickelt, dazu gehört das notwendige Hintergrundwissen über
Stoffeinstufungen oder auch Gesetzeslagen. „Ich denke es hilft, wenn man die
Zusammenhänge kennt – man muss die Ergebnisse ja auch bewerten und danach
geht’s weiter, man lässt den Kunden nicht damit alleine sondern berät ihn, da
ist es schon sinnvoll wenn man das Wissen mitbringt oder sich nachträglich
aneignet", ergänzt sie.
Der Global Organic Textile Standard
Der Global Organic Textile Standard (GOTS) ist als international führender Standard für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern anerkannt. Die Qualifikationsbedingungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einer entsprechenden Zertifizierungsstelle sind in einem Akkreditierungsdokument festgeschrieben (Online abrufbar unter www.globalstandard.org/images/stories/Approval_Procedure_for_Certification_Bodies_1_Mar_2016.pdf). Dort steht zum Beispiel, dass die Zertifizierungsstelle für jede GOTS-Zertifizierungsentscheidung sicherstellen muss, dass das Personal „Expertise in Fragen des Qualitätsmanagements sowie in Qualitätsmanagementfragen“ haben muss. Weiter muss die Zertifizierungsstelle sicherstellen, dass der Zertifizierer oder die Zertiferzirerin die Situation und Besonderheiten der lokalen Textilindustrie für die Überprüfung und Bewertung der sozialen Kriterien von GOTS berücksichtigt.
Esther Rewitz, Diplom-Ingenieurin der Textiltechnik, ist Zertifizierungsberaterin beim Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN). Davor war sie selbst fast zehn Jahre als Zertifiziererin tätig. „In der Textil-Zertifizierung sind Fachleute aus unterschiedlichsten Fachrichtungen tätig. Zum Beispiel Ökotoxikologen oder (Textil-)Chemiker mit dem Fokus auf ökologischer Optimierung in der textilen Prozesskette“, sagt Rewitz. Ökotoxikologen beschäftigen sich unter anderem mit der Chemikalienbewertung. Inspektionen und Zertifizierungsentscheidungen werden meistens von Textil- und Bekleidungstechnikern durchgeführt.
Bio- und Naturkosmetik
Derzeit gibt es rund 100 Hersteller, die sich auf Bio- und Naturkosmetik (also ohne chemische Inhaltsstoffe oder Konservierungsmittel) spezialisiert haben. Diese kann auf pflanzlicher, veganer und natürlicher Basis hergestellt werden. Aber der Begriff ist nicht geschützt, es gibt keine rechtsverbindliche Definition. Verbände und Hersteller definieren selbst, was sie darunter verstehen. Die Prüfkriterien verschiedener Zertifizierungssiegel unterscheiden sich deutlich, oft gehen sie über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus. Manche berücksichtigen neben den Inhaltsstoffen auch die Verarbeitungsmethoden oder das soziale und ökologische Engagement der Unternehmen.
Auch die Weleda AG, die Naturkosmetik und anthroposophische Arzneimittel herstellt und vertreibt, muss bestimmte Prüfkriterien einhalten. In Deutschland sind ca. 150 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Qualitätsbereich, also für die Kontrolle und Sicherung der Produktqualität, zuständig. Darunter sind beispielsweise Chemiker/innen, Biolog/inen und Ökotropholog/innen. Bettina Weller aus der Personalabteilung kennt deren Einsatzgebiete: „Vor allem der Qualitätsbereich sowie Neuentwicklungen oder Produktüberarbeitungen, der medizinisch-wissenschaftliche und der regulatorische Bereich gehören zu ihren Tätigkeitsgebieten.“
Die
Aufgaben der Angestellten im regulatorischen Bereich sind es, dafür zu sorgen,
dass die Bestimmungen der entsprechenden Gesetzte oder Siegel (wie zum Beispiel
NaTrue) eingehalten werden. Der medizinisch-wissenschaftliche Sektor führt zum
Beispiel Studien im Pharmabereich durch und berät Ärzte oder Apotheker bei
Fragen zu Arzneimitteln. Der Berufsalltag in der Forschung und Entwicklung,
zeichnet sich bei der Weleda AG durch abwechslungsreiche Tätigkeiten aus,
beispielsweise beim Überarbeiten von Produkten. Auch interdisziplinäre Fähigkeiten
sind wichtig: „In der Produktentwicklung arbeiten Kollegen aus Forschung und
Entwicklung, Marketing, Qualität oder dem Einkauf zusammen“, sagt Weller. Hier
ergeben sich ständig neue Fragestellungen, gerade weil mit natürlichen
Rohstoffen gearbeitet wird.
Gute Chancen für Quereinsteiger/innen
„Wie in jeder Branche gibt es natürlich auch in der unsrigen Quereinsteiger – das Bildungswerk BNN bildet auf Basis von Seminaren und IHK-zertifizierten Weiterbildungen Neueinsteiger und bereits Berufstätige weiter", sagt Hilger vom BNN. „Bei diesen Weiterbildungen geht es vor allem um den Ausbau der Beratungsqualität im Einzelhandel, aber es gibt auch Angebote für den Großhandel und die Herstellung – ich denke da zum Beispiel an Sensorik von Öko-Lebensmitteln für die Praxis", sagt Hilger weiter. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den Herstellungs- und Handelsunternehmen benötigen mitunter Hilfestellungen, um sensorische Besonderheiten von Ökoprodukten zu verstehen und bei der Produktentwicklung wie dem Verkauf berücksichtigen zu können, diese und verwandte Themen werden in solchen Seminaren behandelt.
„Wir bei Weleda schätzen es, wenn jemand eine Offenheit für Themen und unternehmerisches Denken mitbringt. Also sich die Frage stellt, was kann ich in meinem Job einbringen und verbessern“, sagt Bettina Weller. Punkten können Bewerber/innen mit Erfahrung, diese muss nicht zwangsläufig im Bereich natürlicher Rohstoffe sein. Das bestätigt auch Theres Jurenz: „Wenn ich mich in meinem Kollegenkreis alleine bei Ökofrost umschaue, haben die meisten etwas ganz anderes gelernt oder studiert. Letztendlich kommt es in der Bio-Branche nicht unbedingt auf Vorkenntnisse an, die man über ein Studium lernen kann, sondern vor allem auf die persönliche Einstellung. Wenn man die Branche als Wertekultur zu einer nachhaltigen Welt versteht und Produkte entwickelt, die Werte vermitteln, ist das entscheidender als die Studienkenntnisse“, sagt sie. Die Bio-Branche wandelt sich, dazu gehört auch eine zunehmende Professionalisierung. Deshalb werden auch bei Naturprodukten gerne Mitarbeiter/innen eingestellt, die ursprünglich aus dem konventionellen Bereich kommen und eben nicht ausschließlich die Öko-Brille aufhaben – so können beide Seiten voneinander lernen.
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Infokasten: Naturkosmetik, naturnahe Kosmetik und Bio-Kosmetik
Als naturnahe Kosmetik werden Produkte bezeichnet, in denen auf einige synthetische Inhaltsstoffe verzichtet wird und bei denen vermehrt pflanzliche Inhaltsstoffe zum Einsatz kommen. Damit genügen sie jedoch nicht den Richtlinien von BDIH, NaTrue oder Ecocert. Bei Naturkosmetik werden nur Inhaltsstoffe verwendet, die einen natürlichen Ursprung haben. Das können Öle oder Pflanzenextrakte, aber auch Tenside, die in einem zugelassenen Herstellungsverfahren aus Zucker oder Kokosöl gewonnen werden, sein. Die meisten Naturkosmetik-Siegel schreiben einen variierenden Anteil an Bio-Inhaltsstoffen vor. Biokosmetik besteht aus Inhaltsstoffen, die zum größten Teil aus kontrolliert biologischem Anbau stammen. Die meisten Siegel gehen dabei von einem Anteil von mindestens 95 Prozent aus, die Bewertungsgrundlagen weichen jedoch voneinander ab. Kosmetika mit Tensiden oder Mineralien können nicht aus biologischem Anbau stammen und sind deshalb meist „nur“ Naturkosmetik.
Infokasten: Zertifizierungssiegel
Bio-Siegel: Zurzeit nutzen 4.995 Unternehmen das nationale staatliche Bio-Siegel auf 77.185 Produkten (Stand: 30. September 2017). Zertifiziert werden können lebende oder unverarbeitete Erzeugnisse aus Landwirtschaft oder Aquakultur, verarbeitete Erzeugnisse die zur Verwendung als Lebens- oder Futtermittel bestimmt sind und vegetatives Vermehrungsmaterial und Saatgut für den Anbau. Rechtsgrundlage ist das Öko-Kennzeichnungsgesetz (siehe http://www.gesetze-im-internet.de/_kokennzg/).
NaTrue: Die Zertifizierung ist in drei Stufen unterteilt, vergeben werden ein bis drei Sterne. Ein Stern steht für Naturkosmetik, zwei Sterne für Naturkosmetik mit Bio-Anteil und drei Sterne stehen für Bio-Kosmetik. Nur Inhaltsstoffe aus natürlichen, naturidentischen und naturnahen Rohstoffen sind zugelassen. Bei Naturkosmetik mit Bio-Anteil müssen die Inhaltsstoffe zu mindestens 70 Prozent aus biologischem Anbau stammen, bei Bio-Kosmetik zu mindestens 95 Prozent.
Fair-Wear-Foundation: Die Fair-Wear-Foundation
beschreibt soziale Anforderungen für den Herstellungsprozess von Textilien in
bisher 15 Produktionsländern (in Asien, Afrika und Europa). Im Fokus steht
dabei der Verarbeitungsprozess der Rohstoffe, nicht deren Gewinnung. Ziel der
Organisation ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textil- und
Bekleidungsindustrie.
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Als Geograph in die Zertifizierung von Naturprodukten
Irgendwas mit Umwelt und Natur – das war für Karin Roth klar. Dass das Geographie-Studium der Türöffner für viele verschiedene Tätigkeiten im Laufe des Berufslebens sein würde, war ihr damals noch nicht bewusst. Eine davon war es, als Zertifiziererin für das eco-INSTITUT zu arbeiten.
Text: Elisabeth Korn
Karin Roth hat sich im Oktober 2016 selbstständig gemacht und arbeitet als freie Journalistin, Texterin und Infografikerin für Fach- und Wissenschaftsthemen unter anderem für den Blog des eco-INSTITUTS – ein Kölner Labor, welches Produkte unter Gesundheits- und Umweltaspekten prüft und zertifiziert. (Foto: Privat)
Heute ist Karin Roth als Fachjournalistin tätig und schreibt über Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Die Expertise in diesen Fachgebieten hat sie sich über die Jahre unter anderem als Zertifiziererin angeeignet. Nach dem Abi entschied sich die heute 43-Jährige bewusst für ein Geographie-Studium in ihrer Geburtsstadt Erlangen: „Das Studium ist eher etwas für Generalisten und geht nicht zu sehr ins Detail – das hat gut zu mir gepasst", sagt Roth.
Nach dem Studienabschluss folgte ein halbjähriges Praktikum bei Quelle in Nürnberg in der Umweltabteilung, um „in die Wirtschaft hineinzuschnuppern“. Daraus hat sich dann auch der erste Job bei der Firma Grundig ergeben – Roth war hier verantwortlich für das Umweltmanagement an den verschiedenen Grundig-Standorten und die Umweltkommunikation. Schon während dieser Tätigkeit begann Roth einen Fernlehrgang zur Baubiologin am Institut für Baubiologie in Neubeuern (IBN). „Die Kursinhalte reichten von gesunden Baustoffen und Möbeln, Haustechnik, Baurecht bis hin zu Innenraumschadstoffen und war ebenfalls sehr breit angelegt", erinnert sie sich. Nach Abschluss des Fernlehrgangs und der Insolvenz von Grundig folgte 2003 ein Umzug nach Bonn und der Arbeitsbeginn am eco-INSTITUT in Köln.
Dort wurde eine Fachkraft für die Prüfung und Zertifizierung von Bauprodukten gesucht. „Ich hatte mich bereits intensiv mit dem Thema gesundes Bauen und Wohnen beschäftigt, das war natürlich eine gute Voraussetzung, um da anzufangen, und der Job hat sich als sehr passend erwiesen – dort bin ich zwölf Jahre lang geblieben“, sagt Roth. Ihr Fachbereich waren Bauprodukte, daneben gab es die Matratzen- und Möbelprüfung sowie die Textilanalytik. Zu Roths Aufgaben gehörte zum Beispiel die Koordination von Emissionsprüfungen, bei denen Ausgasungen wie flüchtige organische Verbindungen (VOC) von Produkten gemessen werden.
Eine
solche Emissionsprüfung kann man sich wie folgt vorstellen: Eine Produktprobe –
zum Beispiel ein Stück eines Teppichbodens – kommt in eine Prüfkammer aus Glas
oder Edelstahl, da diese Materialien keine Stoffe ausstoßen. Meist wird nach 3
und dann wieder nach 28 Tagen eine Luftprobe aus der Kammer gezogen und auf
Emissionen hin analysiert, die gemessenen Werte können dann anhand von Grenz-
oder Referenzwerten eingeordnet werden. „Es gibt viele Umweltlabel für
Bauprodukte, auch europaweit – ein Teil meiner Arbeit war es, Produkte auf die
Vorgaben dieser Labels hin zu prüfen“, sagt Roth.
Das
eco-INSTITUT vergibt auch ein eigenes Label, dafür spielen vor allem die
gesundheitliche Unbedenklichkeit und die Umweltverträglichkeit eine Rolle.
Zusätzlich zu den Laborprüfungen gibt es eine Vorprüfung, in der die Liste der
Inhaltsstoffe, die der Hersteller deklarieren muss, geprüft wird: Gesundheits-
und umweltschädliche Stoffe dürfen nicht in den Produkten enthalten sein. Wird
ein Produkt vom eco-INSTITUT nach den hauseigenen Label-Kriterien geprüft und
zertifiziert, wird mit den Zeichennehmern ein Vertrag geschlossen, dass das Produkt
für den Zeitraum, in dem das Label getragen werden darf, nicht verändert wird. Aber
nicht nur die Koordination der Emissionsprüfungen im Labor gehörten zu ihrer
Arbeit, sondern auch der direkte Kontakt mit den Kunden: „Bei auffälligen
Werten begibt man sich auf Ursachenforschung und bespricht sich mit dem Auftraggeber
– man lässt ihn ja nicht auf halber Strecke alleine“, erklärt sie.
Während der Zeit beim eco-INSTITUT entschied Roth sich für ein Fernstudium an der Freien Journalistenschule in Berlin – sie hatte schon immer Spaß am Schreiben und wollte wieder kreativer arbeiten. Da kam ihr eine Stellenausschreibung beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) gerade recht, welches damals seinen Internetauftritt neu gestalten wollte: „Die Stelle hat Projektmanagement und redaktionelles Arbeiten miteinander verbunden, was für mich damals sehr gut gepasst hat." Während Ihrer Tätigkeit beim BfN schloss sie ihr Fernstudium ab und kündigte den auf zwei Jahre befristeten Vertrag kurzerhand ein halbes Jahr vor Ablauf, um sich als Fachjournalistin selbstständig zu machen. Seit Oktober 2016 schreibt sie Beiträge und erstellt Infografiken zu Fach- und Wissenschaftsthemen mit Schwerpunkt im „grünen“ Bereich. Auch für das eco-INSTITUT ist sie wieder aktiv und verfasst unter anderem Beiträge für den neuen eco-Blog zum Thema Schadstoffe und Nachhaltigkeit. Ob der Schritt in die Selbstständigkeit die letzte Station in ihrem Berufsleben bleibt, weiß Karin Roth aber noch nicht.
Der Artikel erschien erstmals im WILA Arbeitsmarkt (2017).