Elisabeth Werder

Freie Journalistin & Texterin, Diespeck

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Interview

Mehr Jobs im nachhaltigen Tourismus?

Noch sind Stellen im nachhaltigen Tourismus rar gesät, denn die Wichtigkeit eines grünen Tourismus sei noch nicht in allen Köpfen angekommen. Petra Thomas blickt allerdings optimistisch in die Zukunft.


Interview: Elisabeth Korn


Petra Thomas ist Geschäftsführerin beim forum anders reisen. Die studierte Kunsthistorikerin und Archäologin ist seit über 20 Jahren beruflich mit den Themen Nachhaltigkeit und Tourismus verankert.


Infokasten

Das forum anders reisen ist ein Zusammenschluss von Reiseunternehmern, deren Ziel es ist, das Reisen umweltfreundlich und sozialverträglich zu gestalten. Der Verband wurde 1998 gegründet und hat in zwischen ca. 130 Mitglieder.


Frau Thomas, wie unterscheidet sich nachhaltiger von nicht-nachhaltigem Tourismus?


Für uns im Verband heißt nachhaltiger Tourismus, dass die Freude am Reisen nicht zu Lasten der Menschen und der Umwelt gehen. Im Unterschied zu klassischen Tourismus engagieren wir uns dafür, dass im Kerngeschäft des Reisens die negativen Auswirkungen soweit wie möglich minimiert werden, indem wir z.B. emissionsarme Transporte, wo immer es geht, bevorzugen oder die Größe von Reisegruppen an die besuchten Orte anpassen, etwa wenn ein Besuch in einem kleinen Dorf ansteht oder in einem ökologisch sensiblen Gebiet. Auch erhalten Reisende Hinweise, wie sie sich so verhalten können, dass sie dazu beitragen, Natur und Kultur des Landes zu schützen.


Wer arbeitet im nachhaltigen Tourismus, welche Arbeitsfelder tun sich hier für Akademikerinnen und Akademiker auf?


Der Tourismus ist ein Arbeitsfeld, das sich im wirtschaftlichen Bereich vor allem auf die Praxis bezieht. Wer gern wissenschaftlich arbeitet, findet daher eher in Hochschul- und Forschungsinstuituten einen Platz. Gerade im Bereich der Reiseveranstalter arbeiten aber recht viele Kollegen mit akademischem Hintergrund aus ganz unterschiedlichen Fakultäten – von der Geografie über Landschaftsarchitektur oder Betriebswirtschaft bis hin zur Archäologie oder Kunstgeschichte. Auch Sprachwissenschaftlerinnen finden sich. Quereinsteiger gibt es also Viele!


Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um im nachhaltigen Tourismus beruflich Fuß zu fassen?


Das Arbeitsfeld ist weit, so dass unterschiedliche Qualifikationen eine Rolle spielen: Soziale Kompetenz im Umgang mit Menschen ist sicher eine der wichtigsten Voraussetzungen, denn der Tourismus ist eine Dienstleistungsbranche, die vom Zusammenspiel vieler Hände lebt. Zudem bedarf es – je nach Stelle – Kenntnissen in den Bereichen Marketing und Betriebswirtschaft. Unbedingt wichtig sind Destinationskenntnisse für die Produktebene. Das wird oft unterschätzt, denn für Sales- & Produkt-Positionen ist dieses Wissen Voraussetzung, um Reiseprodukte gestalten und verkaufen zu können. Karrierestufen gibt es abhängig von der eigenen Zielsetzung. Bei kleinen Unternehmen liegt die Besonderheit in den flachen hierarchischen Strukturen und in der selbstverantwortlichen Arbeitsweise, in der man viel selbst mitgestalten kann. Größere Unternehmen bieten vielfache Aufstiegswege

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Nimmt das Interesse an nachhaltigem Tourismus zu?


Der ganz große Bewusstseinswandel ist im Tourismus noch nicht erfolgt. Umfragen wie die Reiseanalyse 2015 zeigen allerdings steigende Werte in Bezug auf das Interesse an umwelt- und sozialverträgliche Faktoren seitens der Urlauber; 38 bzw. 31 Prozent der Befragten interessierten sich dafür. Beim tatsächlichen Reiseverhalten tritt erst langsam eine Veränderung ein. Insgesamt hat sich die Nachfrage kontinuierlich auf kleinem Niveau gesteigert.

 

Was bedeutet das in Zukunft für Konsument und Anbieter?

 

Es setzen sich umweltbewusste Verhaltensweisen zunehmend auch im Tourismus durch: Zum Beispiel Verpackungsvermeidung oder in Bezug auf mehrfache Handtuchnutzung. Das ist ein Beginn im Kleinen, aber langfristig muss da mehr passieren. Auf der Anbieter-Seite hat sich das Angebot stark erweitert und weiter ausdifferenziert. Unsere Mitglieder verzeichnen in den letzten Jahren ein größeres Umsatzwachstum als die übrige Branche – das lässt uns positiv in die Zukunft blicken.



Das Interview erschien erstmalig im WILA Arbeitsmarkt (2016).