Elisabeth Werder

Freie Journalistin & Texterin, Diespeck

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Artikel

Wie fühlt sich Mutterschaft an?

Mit der Geburt des eigenen Kindes verändert sich schlagartig alles – die Welt ist nicht mehr, wie sie vorher war. Zwei Frauen (und ich) berichten, wie sich Mutterschaft für sie anfühlt.


Es gibt keine allgemeingültige Definition für Mutterschaft. Jede Frau empfindet andere Emotionen und macht ihre eigenen Erfahrungen. Deshalb ist es unmöglich, in wenigen Worten zu erklären, was sich dahinter verbirgt. Stattdessen berichten echte Mütter von ihren Gedanken und Gefühlen zum Thema.


Helene K.

Mutterschaft war für mich am Anfang die pure Überforderung. Einerseits, weil man rund um die Uhr zur Verfügung stehen muss und alles Neu ist - ich musste mich erstmal an die ganze Situation und auch an meinen Sohn gewöhnen, weil er mir zu Beginn irgendwie fremd war. Ich fühlte mich trotz Kind nicht komplett, sondern geistig unterfordert und meine Arbeit hat mir gefehlt. Nach ein paar Wochen habe ich angefangen, mich einsam zu fühlen und hatte das Gefühl, ich muss alles alleine schaffen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass mich das Muttersein allein nicht wirklich erfüllt. Ich bewundere Mütter, die das können: Nur für ihr Kind da sein, ihr altes Leben komplett aufgeben. Dann frage ich mich, ob es solche Mütter überhaupt gibt oder ob das überhaupt so sein sollte. Ich denke, dass eine Mischung das Beste ist: einerseits das tun, was gut für einen selbst ist und andererseits für das Kind da sein, denn je besser es einem selbst geht, desto besser kann man für das Kind sorgen. Andererseits hätte ich vor der Geburt meines ersten Sohnes nie gedacht, dass ich jemanden (außer meinem Mann) so sehr lieben könnte. Durch die Mutterschaft habe ich im Alltag einiges an Geduld und Gelassenheit dazugewonnen und Freiheiten schätzen gelernt, die ich vorher nicht mal ansatzweise als Freiheit gesehen habe - zum Beispiel in Ruhe duschen, ein Buch lesen oder Zweisamkeit mit dem Partner. Schönes und Schreckliches liegt bei wenigen Dingen im Leben so nah beisammen - einerseits kann ein Kind fürchterlich nerven und anstrengend sein, andererseits ist es das größte Glück, dass es da ist. ❤️

Einer DIW-Studie von 2018 zufolge verschlechtert sich bei jeder dritten Mutter (29,5 Prozent) das mentale Wohlbefinden in den ersten sieben Jahren der Mutterschaft. Bei der Vergleichsgruppe kinderloser Frauen verschlechterte sich das mentale Wohlbefinden mit steigendem Alter ebenfalls, allerdings weniger stark ausgeprägt. Jeder fünften Frau (19 Prozent), die Mutter geworden war, ging es in den folgenden Jahren mental deutlich besser.

Ein bemerkenswertes Ergebnis der  Studie ist es, dass die mentale Belastung bei Müttern vier bis sieben Jahre nach der Geburt am stärksten ausgeprägt ist. Demnach ist nicht die starke physische Belastung in den ersten Jahren ausschlaggebend für das mentale Wohlbefinden. Da die klassische Elternzeit nach drei Jahren endet, lässt sich ein eindeutiger Zusammenhang zum gesellschaftlichen Ideal der erwerbstätigen Mutter erkennen.


Anna R.

Mutterschaft bedeutet für mich Vertrauen in mich selbst und vor allem ganz viel Vertrauen in den kleinen Menschen, den ich auf die Welt gebracht habe. Vertrauen darauf, dass alles so kommt wie es kommen soll (schon daraus resultierend, dass die erste Schwangerschaft nicht geplant war, aber das Beste war was uns passieren konnte). 

Es bedeutet für mich aber auch, unendlich viel Verantwortung und ein Stück weit Aufgabe bzw. ein Zurückstellen meiner eigenen Interessen.Vor allem ist Mutterschaft jeden Tag ein neues Abenteuer für mich, welches unendlich viel Spaß macht. So manchen Tag möchte man gern schon mittags um 12 Uhr beenden, aber grundsätzlich liege ich abends glücklich im Bett und liebe mein Leben als Mutter, so liebevoll und anstrengend wie es ist.



Elisabeth W. (Gründerin von vielliebe.com)

Zwischen endloser Energie und unendlicher Müdigkeit, zwischen an die eigenen Grenzen kommen und jeden Tag darüber hinauswachsen, zwischen nie dagewesener Liebe und nie dagewesenen Sorgen. Ewig könnte ich die Aufzählung so fortführen, aber ich glaube dass man es erst richtig versteht, wenn man es selbst erlebt.

Und genau das war für mich eines der größten Learnings: Einerseits verbindet Elternschaft alle Mamas und Papas auf dem ganzen Erdkreis  und andererseits führt es unweigerlich zu Distanz mit jedem, der diese Erfahrung nicht gemacht hat und kein Interesse an dem Thema hat.

Auf eines kann ich euch, egal ob Eltern oder (noch) nicht, Brief und Siegel geben: Jede Empfindung fühlt sich tausendmal intensiver an als vorher, sobald ihr den Kreissaal verlasst. Euer Herz ist ab diesem Moment ein anderes: Es schlägt stärker, vergibt schneller und liebt stärker als je zuvor.

Und jede durchwachte Nacht, jeder Milchfleck auf dem Pulli, jede Sorge, jeder Frust ist es mir wert. Denn das erste Lächeln zu sehen, das erste mal “Mama” zu hören, wenn dein Kind sich das erste Mal in deine Arme wirft – diese Verbundenheit ist überwältigend. Diese bedingungslose Liebe zu geben und zu spüren ist für mich das beste Gefühl auf der Welt.



Jede Mutter hat ihren eigenen Zugang, jede Mama erlebt ihre eigene Reise. Mutterschaft beschreibt ein individuelles Gefühl, das wir in unseren Herzen tragen: Bedingungslose Liebe. Nicht nur unseren Kindern, sondern auch  unseren eigenen Müttern gegenüber. Und Mutterschaft verändert – da sind sich alle Mütter einig.



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