Finnland 3.0 - die Hälfte unserer Zeit in Oulu ist vorbei und wir (Amanda und Elli) haben wieder einiges erlebt, das wir euch gerne erzählen möchten. Von „geilen Tagen", Pfannkuchen mit Rentierfleisch und unserer Reise nach St. Petersburg - here we go!
Über die finnischen Gewohnheiten und Einstellungen haben wir uns ja schon öfter lustig gemacht, und viele von euch haben uns in ihren Reaktionen auf den Blog bestätigt, dass wir Recht haben. Nach wie vor lassen wir uns in unserer offenen Sonnenschein-Mentalität nicht beeinflussen und strahlen mit der Sonne (die leider in den letzten Wochen immer seltener geworden ist) um die Wette. Dass das den Finnen nicht so gut gefällt, bringen die Cartoons von der Facebook-Seite „Finnish Nightmares" ganz gut auf den Punkt. Aber so langsam (ganz langsam!) gewöhnen sich unsere finnischen Freunde ein bisschen daran. Bei einem Kaffeetrinken mit Juhani hat er uns verraten, dass in Oulu bald die „geilen Tage" anfangen - seine Deutschkenntnisse sind eigentlich sehr gut, aber hier mussten wir herzlich lachen. Gemeint hat er damit den finnischen Sommerschlussverkauf, der besonders in Oulus Statussymbol (Kaufhaus Stockmann) zelebriert wird.
Als wir also vor zwei Wochen gemütlich durch die Fußgängerzone von Oulu schlenderten und in unserem Lieblingskaufhaus Halt machten (Was Stockmann nicht hat, braucht man nicht!), war etwas anders als sonst: Fast alle Artikel waren unter gelber Plastikfolie versteckt. Da wir die finnischen Aufdrucke „Hullut päivät" (zu Deutsch: Verrückte Tage) leider nicht verstanden hatten, standen wir etwas ratlos im Geschäft, bis unsere journalistische Neugier uns zur nächsten Mitarbeiterin geführt hatte. Von der haben wir dann erfahren, dass bald vier Tage lang spezielle und sonst nicht vorhandene Artikel für einen reduzierten Preis zu ergattern sind. Unsere erste Assoziation war dazu „wie beim Aldi am Donnerstagmorgen um 8 Uhr, wenn Kinderklamotten im Angebot sind". Und damit lagen wir gar nicht so falsch...
Beim Einkaufen in Finnland ist es übrigens sehr hilfreich, dass die Produktbeschreibungen nicht nur auf Finnisch, sondern auch auf Schwedisch abgedruckt sind. Aus dem Schwedischen kann man häufig ins Deutsche ableiten, da sich die beiden Sprachen ähnlich sind. Ein Beispieltext auf der Müslipackung: „bästa ingredienserna - krispiga hasselnötter och mandlar, havregryn, läckra chokladbitar och saftiga russin". Wir haben trotzdem schon Schmelzkäse statt Butter gekauft - wen wundert's. Jeder Finne lernt in der Schule schwedisch und jeder Schwede in der Schule finnisch - das sind die beiden Landessprachen, auch wenn in Finnland nur ca. 6 Prozent der Bevölkerung schwedisch-sprachig ist. Eine schwedische Schule gibt es in Oulu trotzdem.
Und überhaupt hat die Stadt so viel zu bieten. Oulu gilt als die jüngste Stadt Finnlands, da es hier sehr viele Studenten und sehr viele junge Familien gibt. Es gibt viele schöne Parks, viele Brücken und viele kleine Cafés. Im Survival Finnisch Kurs haben wir übrigens gelernt, dass es in Finnland unüblich ist, Trinkgeld zu geben - bei den hohen Preisen hier aber sowieso unmöglich.
Vor kurzem haben wir mit Freunden das Pannukakkutalo (Pancake-House) am Hafen besucht und für einen Pfannkuchen im Schnitt neun Euro bezahlt. Aber wer einmal nach Oulu kommt, sollte dort unbedingt essen gehen! Sehr empfehlenswert sind neben den süßen Pfannkuchen mit Heidelbeeren, Nutella oder Keksen auch die deftigen Varianten mit Lachs, Schinken-Käse oder Rentierfleisch. Da wir schon auf Finnisch bestellen können und das gar nicht so schwer ist, kommt hier der Crashkurs fürs Pancake-House: Hallo (terve), ich hätte gerne (haluaisin), bitte (haluta), danke (kiitos), tschüss (moi moi) sind ein guter Rahmen für eine Konversation. Den richtigen Pfannkuchen bestellt ihr dann mit folgenden Wörtern: Schokolade (suklaa), Keks (keksinmuru), Heidelbeeren (mustikaa), Käse (Juusto) oder Schinken (kinkku).
Das Essen in Finnland ist eigenwillig (erinnert ihr euch an das salzige Lakritz und die vergorene Milch zu jedem Mittagessen?), und natürlich lieben die Finnen auch hier ihre Traditionen. Neben Erbsensuppe (jeden Donnerstag ist Erbsentag) und Lachssuppe ist eine weitere finnische Spezialität die Blutsuppe, von der wir aber nichts weiter wissen und sie auch auf keinen Fall probieren wollen. Angeblich ist wirklich echtes Blut drin. Süße Gerichte gibt es in Finnland nicht. So erntet man beispielsweise nur verwirrte Blicke, wenn man süßes Popcorn bestellt, in der Mensa (oder Uniresta auf Finnisch) gibt es salzigen Grießpudding (mit Himbeersoße - wtf?) und weil es Elli nicht aufgibt, gab es für sie vor einiger Zeit auch salzige Crêpes. Ein Grund dafür, dass die Finnen lieber salzig als süß essen, ist die finnische Zuckersteuer. Seit 2011 soll damit der Gesundheit der Finnen etwas Gutes getan und natürlich die Staatskassen gefüllt werden. Das bedeutet in der Praxis: Eine Packung Kakaopulver kostet ca. fünf Euro, eine Literflasche Coca Cola sechs Euro. Und ob der hohe Salzgehalt in jedem Lebensmittel wirklich so viel gesünder ist...?
Die salzigen Crêpes haben wir übrigens auf einem Fischmarkt in Hailoutu gefunden. Das ist eine ca. 50 km breite Insel in der Nähe von Oulu, die wir an einem Wochenende besucht hatten. Viele Leute kommen dorthin um Vögel zu beobachten, denn angeblich gibt es dort über 53 verschiedene Vogelarten. Wir haben uns mehr für die Landschaft und die Küste interessiert und können zu den Vögeln nur sagen, dass wir uns auf der Insel so frei gefühlt haben wie sich ein Vogel fühlen muss. Unberührte Natur, die ganze Insel besteht gefühlt aus einem einzigen Wald und die Welt scheint für die Bewohner völlig in Ordnung. Ein bisschen wie bei Pippi Langstrumpf, die zwar aus Schweden kommt, aber vielleicht mal einen Besuch auf Hailoutu gemacht hat.
Am letzten Wochenende sind wir von Oulu nach St. Petersburg gereist. Das hat einfach ziemlich genau 24 Stunden gedauert, und das Busfahren ist hier noch langweiliger als in Deuschland (ja, das geht!): Da es hier keine Berge und keine großen landschaftlichen Veränderungen gibt, sind wir acht Stunden lang immer nur geradeaus und an Wäldern und Seen vorbeigefahren.
Über Nacht ging es dann mit der Fähre von Helsinki nach St. Petersburg, und nach dem dreistündigen Warten auf die Passkontrolle waren wir dann endlich da, in der viertgrößten Stadt Europas.
Die wunderschöne Innenstadt mit über 2000 Palästen, Prunkbauten und Schlössern ist UNESCO-Weltkulturerbe - zu Recht, wie wir finden. Wir haben uns an Prag oder Rom erinnert gefühlt, aber so richtig beschreiben kann man die Eindrücke nicht. Dafür ist die fünf-Millionen-Stadt einfach zu groß - immerhin beherbergt sie so viele Einwohner wie ganz Finnland zusammen. Bei einem Spaziergang auf einer Hauptstraße konnten wir fünf Stunden lang geradeaus laufen und es war noch lange kein Ende in Sicht.
Die Reise war wirklich wundervoll, unsere Tage vollgepackt mit Erlebnissen. Wir haben die Kathedralen mit ihren berühmten Zwiebeldächern, pompöse Schlösser und Museen besucht, uns abends mit Menschen aus allen Ländern der Welt unterhalten und uns über das billige Dosenbier (50 Cent!!) gefreut.
Ein Highlight war der Night Cruise durch die Kanäle der Stadt, deren Erscheinungsbild laut Wikipedia nur noch von Venedig übertroffen werden kann. Elli hat zudem das russische Staatsballett gesehen und einen beeindruckenden Abend im Theater verbracht.
Und damit war es das auch schon wieder. Wir haben viel zu tun, die schöne Herbstferien-Woche werden wir mit Essay-Schreiben und Bücherlesen verbringen, denn die Klausuren schreiben sich leider nicht von selbst. Und wer viel reisen will, muss in der Zwischenzeit die ganze Arbeit erledigen!
Ganz viele Grüße aus Finnland von Elli und Amanda