Radsport : Weil es keine Tour de France für sie gibt, fahren diese Frauen ihre eigene
13 Frauen absolvieren in diesem Juli ihre eigene Tour de France. Weil sie bei der offiziellen Rundfahrt nicht mitfahren dürfen, fahren sie die gleichen Etappen der Männer - nur jeweils einen Tag früher.
Im Windschatten ist der Luftwiderstand geringer. Im Radsport fährt dafür ein Fahrer - der „Windbrecher" - voraus, damit der Fahrer in seinem Schatten bei gleicher Geschwindigkeit etwa 30 Prozent weniger Energie verbrauchen muss.
Claire Floret und ihre zwölf Kolleginnen sind solche Windbrecherinnen. Sie fahren gegen Widerstände an, damit andere es nicht mehr tun müssen. Deswegen fahren die gesamte Strecke der Tour de France einen Tag vor ihren männlichen Kollegen. Ganz ohne Tourdirektor, ohne Straßenabsperrungen und auch ohne jubelnde Massen am Straßenrand. Denn beim bekanntesten Radrennen der Welt dürfen sie nicht mitfahren, eine Tour de France für Frauen gibt es nicht mehr.
Das dreiwöchige Rennen mit Etappen in den Alpen und Pyrenäen bleibt eine Männerveranstaltung. Frauen sieht man im Radsport meist nur, wenn sie dem Etappensieger den großen Blumenstrauß überreichen und ihm für die Fotografen ein Wangenküsschen geben. Als dekoratives Beiwerk also.
Floret und ihre Mitstreiterinnen wollen das ändern. „Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, unserem Frauensport Sichtbarkeit zu verleihen", sagt die Initiatorin des Projekts „Donnons des elles au vélo" (Bringt sie auf das Rad): „Radfahren ist ein Sport mit viel Historie. In der Vergangenheit wurden Frauen jedoch unter Angabe von medizinischen oder religiösen Gründen lange Zeit ausgeschlossen. Der Sport wurde ohne sie aufgebaut. Die Geschichte des Frauenradfahrens ist daher sehr jung und von einem sehr konservativen Umfeld umgeben. Es braucht daher ein wenig Zeit, um die Darstellung zu ändern, um die Vorstellung zu akzeptieren, dass unser Sport auch weiblich ist, dass Frauen leistungsstark sind, dass Frauenrennen genauso interessant sind wie Männerrennen. Aber dafür müssen wir gesehen werden."
Durch ihr Projekt nimmt die Aufmerksamkeit tatsächlich zu. 2015 fuhr sie mit zwei Begleiterinnen erstmals die Tour de France. Auf ihrem Weg schlossen sich Hundert Menschen für Teilstücke an. 13 Radsportlerinnen und 1.500 Ad-hoc-Teilnehmer waren es im vergangenen Jahr. „Wir hätten nie gedacht, dass es sich so entwickeln würde. Die ersten beiden Jahre haben wir in völliger Anonymität verbracht. Wir dachten, es wäre eine einmalige Sache. Niemand glaubte wirklich an den Erfolg dieses Abenteuers, bevor wir starteten. Wenn wir etwas ändern wollen, würde ein Jahr nicht ausreichen", erzählt Floret. Deshalb fahren sie in diesem Jahr zum fünften Mal die gleichen steilen Anstiege durch die Pyrenäen und Alpen, nur eben an einem anderen Tag. 3460 Kilometer in 21 Etappen. Den Männern immer einen Tag voraus - sie sind die Ausreißergruppe, die nie eingeholt wird.
Die Situation war nicht immer so. 1984 gab es erstmals eine Tour de France für Frauen, während die Männer ihre 71. Auflage fuhren. Die Frauen hatten 18 Etappen, die Männer 23. Der Kurs war zwar kürzer, aber sie fuhren die gleichen Anstiege. Die erste Siegerin, Marianne Martin, stand nach der letzten Etappe gemeinsam mit dem Sieger der Männer, Laurent Fignon, auf dem Podium. Er hatte zuvor noch gesagt: „Ich mag Frauen, aber ich bevorzuge, sie etwas anderes tun zu sehen." 1999 musste das „Tour" aus dem Namen gestrichen werden, die Organisatoren der Männer glaubten, es würde die Marke verletzten. 2009 fand sie letztmals statt.Seit 2014 gibt es „La Course by la Tour de France". Bei der Premiere bestand das Rennen für Frauen darin, vor der letzten Etappe der Männer 13 Mal auf dem Champs-Élysées im Kreis zu fahren. „Als das Rennen begann, freuten wir uns und sagten, es sei erster Schritt in Richtung eines Etappenrennens während der Tour. Seit sechs Jahren geht nichts voran, das Rennen wurde sogar wieder verkürzt. Das ist offensichtlich eine große Enttäuschung", sagt Floret.
Der Giro d'Italia, das zweitgrößte Etappenrennen, zeigt, dass es besser geht. Seit 1988 wird es auch für Frauen ausgetragen. Einfach in Italien mitzufahren, ist Floret nicht genug. „Die Tour de France ist ein Monument. Jeder Radsportler träumt davon. Ihre Resonanz ist riesig, deshalb muss sie im Interesse der sportlichen Gleichberechtigung Frauen zugänglich gemacht werden!"
Die Reaktionen auf Floret und ihre Mitstreiterinnen deuten darauf hin, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte, bis sich Initiatoren und Sponsoren finden und die Tour de France für Frauen wieder aufleben lassen. Die ersten Fahrerinnen der neuen Tour werden sich bei Floret und ihren Kolleginnen für den Windschatten bedanken.