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Bundesliga-Debüt für Schiedsrichterin Steinhaus

Bibiana Steinhaus kennt das Prozedere vor einem Spiel, längst ist es Routine. Die Mannschaften aufs Feld führen, Seitenwahl, Anpfiff - sogar der Ort ist ihr gut vertraut. Schon 2003 leitete die Schiedsrichterin im Berliner Olympiastadion als 24-Jährige das deutsche Cup-Finale der Frauen, Jahre später pfiff sie in der 2. Liga Heimspiele von Hertha BSC. Wenn Steinhaus am Sonntag in die Hauptstadt zurückkehrt, wird es bei aller Erfahrung doch anders sein: größer und besonders.

Beim Duell zwischen Hertha und Werder Bremen betreut Steinhaus als erste Frau in der Bundesliga ein Spiel. Die 38-Jährige schreibt an historischer Stätte ein Kapitel deutscher Fußball-Geschichte. "Ich pfeife Bundesliga, weil meine Leistungen stimmen, nicht, weil ich eine Frau bin", sagte Steinhaus in einem auf der Hertha-Homepage veröffentlichtem Interview: "Das ist schon ein wichtiger Unterschied."

Fast alle Augen werden zu Beginn der Begegnung wohl auf die Frau in Schwarz gerichtet sein, die sich den Respekt von Spielern, Trainern und Funktionären erarbeitet hat. Steinhaus' Wort ist Gesetz, Diskussionen und Beschwerden auf dem Platz sind zwecklos.

"Sie hat sich diesen Einsatz durch sehr gute Leistungen verdient. Am Ende zählt das Leistungsprinzip, egal ob Mann oder Frau", sagte Werder-Coach Alexander Nouri. Auch Hertha-Trainer Pal Dardai lobte Steinhaus in der Bild-Zeitung: "Ich habe null Probleme mit ihr, wünsche ihr ein gutes Spiel. Sie macht das wirklich sehr gut."

Sechsmal war Steinhaus Schiedsrichterin des Jahres, sie leitete 80 Zweitliga-Spiele, seit 2009 ist sie bei internationalen Frauen-Turnieren im Einsatz, zuletzt bei der EM in den Niederlanden. Nach zehn Jahren in der 2. Liga steigt sie nun in die Bundesliga auf. Es sei "einfach an der Zeit", sagte DFB-Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich, dass die Polizeihauptkommissarin den Sprung in die Eliteklasse schaffe. Vermutlich sieht es Steinhaus ähnlich.

Sie freue sich auf die "tolle Herausforderung", hatte sie zuletzt im Interview mit den Zeitungen der Madsack-Gruppe gesagt. Welche Überschrift sie nach dem Spiel gerne lesen würde? "Keine, dann ist alles gut." Es wird wohl ein frommer Wunsch bleiben, unabhängig von ihrer Leistung.

Das höhere Tempo in der Bundesliga bereitet ihr keine Sorgen. "Ich habe noch intensiver gearbeitet, eine Schippe draufgelegt", sagte Steinhaus, die sich mit einem Fitness-Coach akribisch vorbereitet hat. Auch mit der technisch-taktischen Ausrichtung der Teams und Spieler habe sie sich befasst. "Je mehr Informationen wir da haben, desto besser können wir uns auf das Spiel einstellen", sagte Steinhaus, die über Umwege zum Schiedsrichterwesen kam.

Steinhaus probierte sich als Schwimmerin, trainierte leistungsmäßig. Beim SV Bad Lauterberg spielte sie Fußball als Verteidigerin - mit mäßigem Erfolg. "Das war einer der Gründe, warum ich dann Schiedsrichterin geworden bin. Bei mir stimmt das uralte Vorurteil, Schiedsrichter, können kein Fußball, ausnahmsweise", sagte Steinhaus: "Aber viele meiner Kollegen sind richtig gute Fußballer!"

Eine andere Sportart könnte Steinhaus auf ihrem Weg als Vorbild dienen. Jutta Ehrmann-Wolf und Susanne Künzig pfiffen im Handball zwischen 1990 und 2009 über 500 Spiele in den höchsten deutschen Ligen, davon mehr als 100 in der Männer-Bundesliga. Bei der WM in Frankreich im Januar wurde zudem das erste Frauen-Gespann eingesetzt. Die Zwillinge Charlotte und Julie Bonaventura leiteten vier Partien.

Bis Steinhaus bei einer Männer-WM aufläuft, ist es noch ein weiter Weg. Doch der erste Schritt dahin wird am Wochenende gemacht: Dann tanzen die Bundesliga-Profis erstmals nach ihrer Pfeife.

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