Malinga Krüger, 24, arbeitet als Fotografin, Model und Make-up-Artist. Über eine junge Künstlerin, die sich zwischen Politik und Ästhetik ihren Weg bahnt.
Von Elisabeth Fleschutz
Ein paar Mal hat Malinga Krüger schon daran gedacht, aufzugeben. Sie sieht sich dann als Lehrerin. Sichere Zukunft. Verbeamtet. Krankenversichert. Aber das ist nie lange eine Option für sie. Kannst du beim Konzertaufbau helfen? Wollen wir ein Foto-Shooting machen? Willst du beim Festival mitwirken? Solche Einladungen erinnern sie jedes Mal: "Kreativ und selbständig sein, ist einfach mein Ding, alles andere macht mich unglücklich. Ich weiß, dass ich da in einer privilegierten Position bin. Aber ich funktioniere viel besser, wenn ich das tue, was mich glücklich macht", sagt sie.
Malinga ist in Murnau aufgewachsen. Mit fünf stand sie das erste Mal auf der Bühne. "Ich brauchte die ganze Zeit kreativen Output." Beide Eltern sind selbständig. Statt vor dem Fernseher saß Malinga vor Bastelmaterialien oder fotografierte mit einer billigen Kamera. Um sich zu beschäftigen, aber auch, um nicht allein zu sein. "Meine Eltern haben sich früh getrennt, und ich habe mir eine eigene Welt gebastelt, in der alles gut ist." Dass sie später auf die Kunst-FOS in München ging, war selbstverständlich. Dafür pendelte sie jeden Tag vier Stunden. "Ich wusste aber nie, wie ich Kreativität zum Beruf machen soll, weil ich so viele verschiedene Interessen habe." Oft hörte sie die Frage: Warum wählst du nicht eine Sache und machst sie fertig? Ihr Vater unterstützte sie in dem Wunsch, Fotografin zu werden, sich vielleicht ein Studio aufzubauen. "Mir ging es aber nie um Fotografie als Handwerk, sondern darum, zu zeigen, wie ich die Welt sehe - auf alle möglichen Arten und Weisen."
Heute ist Malinga 24. Und Künstlerin. Viel weiter kann man diesen Begriff bei ihr nicht eingrenzen. Denn sie arbeitet sowohl als ausgebildeter Make-up-Artistin als auch als Fotografin, Model, bildende und audiovisuelle Künstlerin und Schauspielerin. "Für die Kunst, die ich machen will, ist es wichtig, mich mit all dem auszukennen. Ich will immer zeigen, wo ich mich gerade befinde und was mich gerade interessiert."
"Gut siehst du aus", sagt Malinga zur Begrüßung. Ein Hauch ihres Parfums liegt in der Luft. Die Lederjacke trägt sie zu und die dunklen Locken offen. Sie wirkt direkt, selbstbewusst, charmant. Und doch wählt sie ihre Worte sehr bedacht, spricht langsam und mit entspannter Stimme, während sie mit einem goldenen Ring an ihrem Zeigefinger spielt. Dass Malinga viel reflektiert, merkt man ihr an. Zu ihren Werten steht die Künstlerin auch hinter den Kulissen. "Ich habe bei Ungerechtigkeit immer meinen Mund aufgemacht", erzählt sie. "Wenn ich nicht dazu stehen konnte, habe ich nein gesagt - auch, wenn das hieß, eine Chance aufzugeben." Als sie vor einigen Jahren eine etablierte Fotografin bei ihrer Arbeit begleitete, kamen für einen Werbe-Shooting mehrere Familien beim Studio an. Es wurden einzelne Mitglieder herausgepickt und so eine Familie für den Shoot zusammengewürfelt, "normschön, jung, weiß, total gestellte Bilder". Die Eltern waren eigentlich keine, dafür waren sie auch zu jung. "Da sind fünf echte Familien und ihr stellt eine neue so zusammen, wie es sich am besten verkauft. Das reicht mir nicht. Warum verkauft sich das am besten und warum ändert daran niemand was?"
Das war der Punkt, an dem sie merkte, dass sie zu dieser Welt nicht beitragen möchte. Aber sie merkte auch, was sie stattdessen zeigen will: das Echte. 2020 dokumentierte sie mit ihren Bildern in Berlin eine Silent Demo nach dem Mord an George Floyd. Eine Freundin lud sie ein, Teil des Fototeams zu sein. "Auch wenn es aus einem schlimmen Grund war, war es sehr bewegend. Ich habe so viele Black Artists und Aktivisten kennengelernt, und ich dachte einfach: Wow, die sehen alle aus wie ich und die haben hier das Sagen." Ihre Bilder zeigen Nikeata Thompson mit ernstem Gesichtsausdruck in einer Umarmung, eine junge Frau, die weinend die Faust ausstreckt, ein Kind, das über die Menge aus Schildern blickt, "ACAB", "Nein zu Rassismus", "We can't breathe".
Nach der Zeit in Berlin begann Malinga eine Ausbildung zum Make-up-Artist in München. Ihr Lehrer, der als Dragqueen Pinay Colada bekannt ist, nahm sie zu Musikvideos und Shootings in der queeren Szene mit. Malinga schminkte unter anderem für den Livestream des CSD 2022 in München, modelte und tanzte in einem Musikvideo. Pinay Colada warnte sie aber auch, dass die Berufswelt als Make-up-Artist hart ist. Dass auf das High nach dem Abschluss für viele junge Visagisten ein Tief folge. Ihre ersten Jobs nach dem Abschluss bestätigten: viel Arbeit in wenig Zeit, höchstens zehn Minuten pro Person, für wenig Geld und Wertschätzung. Teils wird kulturell respektloses Make-up gewünscht, wie für Geisha-Verkleidungen. In einem Münchner Club sollte Malinga Gästen wöchentlich Totenkopf-Make-up wie beim mexikanischen Día de Muertos schminken.
Mit dem Einstieg ins Berufsleben war ein Nein jedoch zu einem Luxus geworden, den sie sich seltener leisten konnte. "Das war schon ein Punkt, wo ich seltener meine Meinung gesagt habe. Weil es mehr ums Überleben ging hier in München und ich nicht mehr in der privilegierten Position war, dass meine Eltern die Miete bezahlen." Schließlich kündigte sie doch. "Ich denk mir manchmal: Hätte ich einfach runterschlucken sollen, bis ich irgendwann mein eigenes Ding machen kann? Aber damit fühle ich mich nicht wohl." Aktuell arbeitet Malinga im Einzelhandel. Künstlerisch ihr eigenes Ding machen, das ist jetzt ihre höchste Priorität.
Es ist ein sonniger Herbstnachmittag in der Schellingstraße, vor Malinga steht ein Croque Monsieur. Das könnte ein gutes Katerfrühstück sein. Aber Malinga verzichtet seit Monaten auf Alkohol. Das war nicht immer so, sie kennt auch das andere Extrem. In einem Moodboard, das beim Münchner Magfest ausgestellt wurde, beschäftigte sie sich mit einer Schleife aus Sucht, Selbstsabotage und Verdrängung - und ihrem Weg heraus. "Ich musste mich fragen: Was mache ich hier eigentlich? Was will ich für ein Mensch sein? Worum geht es mir?" Unter anderem dieses Selbsthinterfragen habe sie dahin geführt, wo sie heute steht. "Voll innerem Frieden, einfach stabil und happy und selbstbewusst."
Diesen Punkt bildet das Herzstück der Collage ab: ein Foto, auf dem Malinga sich nackt an sechs weitere Frauen schmiegt und zufrieden aussieht. Die Liebe zu ihrem Körper wiederzuentdecken, war ein wichtiger Wendepunkt, auch für ihre Kreativität. Ausschlaggebend war ein Familienbesuch in Ruanda Anfang 2022. "Vorher hatte ich immer das Gefühl, ich muss mir erarbeiten, jemand zu sein. In Ruanda hab' ich gemerkt: ich bin schon jemand." Das Gefühl blieb. Nach ihrer Rückkehr sah sie keinen Sinn mehr darin, sich zu verstecken. Gemeinsam mit den anderen Frauen auf dem Foto und dem Fotografen hinter der Kamera hat sie sich zu einer Gruppe gegenseitiger Unterstützung zusammengeschlossen. "Für uns alle hat Selbstheilung und Kreativität gerade höchste Priorität", sagt sie. "Wir feiern die Arbeit der anderen und unterstützen uns gegenseitig. Mir hat's extrem geholfen, so eine Community zu haben. Sonst wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin."
Ihr Traum ist es, zukünftig noch mehr solcher Gemeinschaften zu schaffen "für Menschen, die sich zeigen möchten". Sie stellt sich ein Haus vor, in dem gemeinsam kreativ gearbeitet wird und wo Ressourcen und Mentoren für kreative Projekte vorhanden sind. In Murnau war Malingas Zuhause eine solche Anlaufstelle, um sich kreativ auszutoben. "Ich habe viele junge Mädchen kennengelernt, die Make-up-Artists werden wollten, Influencerinnen, Sängerinnen, die aber Probleme zu Hause hatten, sich eingeschränkt fühlten, keinen Raum hatten und keine Connections. Also war ich die Connection. Bei mir zu Hause konnten diese Mädchen mal das machen, was sie wirklich wollen und sie erfüllt, statt irgendwo trinken zu gehen, obwohl sie eigentlich Riesenträume haben."
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