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Sexuelle Belästigungen, die junge Frauen bei der Wohnungssuche erleben

Wenn junge Frauen in München eine Wohnung suchen, werden sie immer wieder sexuell belästigt. Sechs Frauen erzählen anonym von ihren Erfahrungen. (Foto: Catherina Hess)

Wer schon einmal in München auf Wohnungssuche war, weiß, dass sich Vermieter viel erlauben können. Der Mangel an Angeboten schlägt sich meist in hohen Mieten nieder. Doch wer sich diese nicht leisten kann, wie Auszubildende oder Studierende, bekommt das Machtungleichgewicht auch auf andere Weise zu spüren. Vor allem junge Frauen klagen über sexuelle Belästigung bei Besichtigungen oder nach dem Einzug. Sechs von ihnen erzählen hier anonymisiert ihre Geschichten. Es sind einzelne Geschichten, nicht wirklich repräsentativ - und dennoch ist es bezeichnend, wie viele Rückmeldungen dieses Thema hervorruft.

"Dann hat er seinen Schrank geöffnet und mir seine Sammlung mit Sex-Spielzeugen gezeigt"

Doro, 22: "Als ich 2019 von zu Hause ausziehen wollte, habe ich mir fünf WGs angeschaut, die ich auf ImmoScout24 oder WG-Gesucht gefunden hatte. Vier davon wurden von Männern vermietet, drei Mal wurde ich sexuell belästigt. Alle hatten mir im Vorfeld gesagt, sie würden nur an Frauen vermieten - weil die ordentlicher seien.

Der Letzte war ein junger Architekt Ende Zwanzig. Er zeigte mir nur kurz das zu vermietende Zimmer. Dann wollte er, dass wir in sein Zimmer gehen, um über das Organisatorische zu sprechen. Er wollte, dass ich von mir erzähle und hat mich dabei die ganze Zeit angestarrt. Irgendwann sagte er: 'Du hast ganz schön große Brüste, dafür, dass du so schlank bist.' Ich habe das ignoriert. Dann hat er mich gefragt, ob ich offen sei für sexuelle Beziehungen mit Mitbewohnern. Seine alten Mitbewohnerinnen hätten alle mit ihm geschlafen. Er begann dann von seinem Sexualleben zu erzählen.

Ich wollte schnell das Thema wechseln und habe ihn gefragt, ob er reite, weil überall Bilder von Pferden hingen. Er antwortete 'ja' und fragte, ob ich seine Ausrüstung sehen möchte. Er hat dann seinen Schrank geöffnet und mir seine Sammlung mit Sex-Spielzeugen gezeigt, gefragt, ob ich wüsste, wie man die einzelnen Dinge verwendet.

Alle männlichen Freunde, denen ich bislang davon erzählt habe, haben mich gefragt, warum ich nicht einfach gegangen bin. Sie verstehen nicht, dass man in einer solchen Situation Angst hat, dass das auch gefährlich ist. Ich bin froh, dass ich damals nicht unter Druck stand, sofort eine Wohnung zu finden, weil meine Eltern in der Nähe von München wohnen. Aber das Schlimme ist: Irgendeine Frau wird dort eingezogen sein. Weil sie keine andere Wahl hatte auf dem Münchner Wohnungsmarkt." Protokoll: Clara Löffler


"Vielen ist diese Dimension von Sexismus noch gar nicht richtig bewusst"

Greta, 29: "Aufgrund einer Trennung musste ich mir vor wenigen Monaten eine neue Wohnung suchen. Ich schaltete also eine Anzeige auf verschiedenen Internetportalen. Mit was für Nachrichten ich mich dann online herumschlagen musste! Es meldeten sich zum Beispiel Männer, die gar keine Wohnung hatten, sich aber trotzdem mit mir treffen wollten. Einer bot mir ein Luxusapartment zu niedrigen Preisen an - unter der Bedingung, dafür bestimmte Gegenleistungen erbringen zu müssen. Ein Mädchen, das ihren Mietvertrag an mich abgeben wollte, schrieb mir, ich solle nur auf ein Date mit dem Vermieter gehen. Dann würde ich die Wohnung sofort bekommen.

Was mich am meisten überrascht hat, ist die Tatsache, dass mir immer wieder Menschen gesagt haben, dass so etwas in München inzwischen ja normal sei. Wie bitte? Jeder Mensch kann sich in einer Situation wiederfinden, plötzlich auf eine neue Wohnung angewiesen zu sein. Zusätzlich verlangen viele Portale, dass man bei der Wohnungssuche Persönliches preisgibt, etwas über sich erzählt und ein Bild hochlädt. Das macht gerade Frauen angreifbar. Ich glaube, in München ist das Problem besonders groß. Einfach dadurch, dass es grundsätzlich so schwer ist, eine Wohnung zu finden. Manche Männer nutzen das aus.

Warum sollte es denn überhaupt in Ordnung sein, für ein Dach über dem Kopf sexuelle Gefälligkeiten zu erpressen? Ich glaube, vielen ist diese Dimension von Sexismus noch gar nicht richtig bewusst. Die Männer aus meinem Bekanntenkreis, denen ich von meinen Erlebnissen erzählt habe, waren vor allem eines: überrascht. Die Frauen waren wütend, viele haben auch ähnliche Erfahrungen machen müssen."


"Schade, du warst voll mein Typ"

Christine, 22: "Vor einem Jahr habe ich eine Wohnung in Schwabing besucht. Alles schien normal, mit dem etwa 30-jährigen Hauptmieter habe ich mich entspannt unterhalten. Die Lage passte und ich suchte dringend etwas, darum konnte ich mir gut vorstellen, einzuziehen. Über WhatsApp blieben wir in Kontakt. Nach etwas Smalltalk fragte er, ob ich Single sei. Als ich bejahte, antwortete er: ,Gut, Übernachtungen vom Partner sind nicht erwünscht.' Ich hakte nach, ob andere Frauen übernachten dürfen, oder ob sich das auf Männer beziehe. Daraufhin fragte er mich nach meiner Sexualität, obwohl ich die Frage nicht beantworten wollte und auswich. Die Frage begründete er damit, so etwas über Mitbewohner wissen zu müssen, und ließ nebenbei fallen, dass er niemals mit homosexuellen Männern zusammenleben könnte. Schnell habe ich mich gegen einen Einzug entschieden. Seine Antwort: ,Schade, du warst voll mein Typ.'"

Protokoll: Elisabeth Fleschutz


"Er schickte mir immer öfter aggressive Nachrichten"

Paula, 22: "Für ein Praktikum wollte ich sechs Monate nach München ziehen. Die Wohnung suchte ich online und lernte so den Hauptmieter meiner neuen WG erst vor Ort kennen. Während ich in der Dreier-WG wohnte, wechselten die Mitbewohnerinnen im dritten Zimmer oft. Mir fiel immer stärker auf, dass der Hauptmieter ausschließlich junge Frauen einziehen ließ, keine älter als Anfang 20. Nachdem eine Mitbewohnerin abends mit ihm etwas getrunken hatte, machte er ihr Liebeserklärungen und wollte sich ihr aufdrängen. Nach zwei Wochen zog sie wieder aus.

Ab und zu schlug er auch mir Unternehmungen vor, die sehr nach Dates klangen, oder schickte mir abends Bilder von einem Cocktail mit der Frage, ob wir zusammen was trinken wollen. Als ich höflich verneinte, schlug der Tonfall zwischen uns um. Er schickte mir immer öfter aggressive Nachrichten. Wenn ich abends in Zimmerlautstärke telefonierte oder nachts auf die Toilette ging, drohte er per WhatsApp damit, mich fristlos aus der WG zu werfen. Er überwachte, wann ich mein Licht im Zimmer an hatte und wann ich wie lange die Wohnung verließ, um mir Vorwürfe zu machen. Es schien mir, als ob er sich manchmal vor meine Zimmertür stellte, um zu hören, was ich mache. Schließlich zog ich aus und arbeitete den Rest des Praktikums mangels Wohnung remote von meiner Heimatstadt aus. Dass es für ihn als Hauptmieter weiterhin so leicht ist, seine Machtposition gegenüber jungen Frauen auszunutzen, macht mir bis heute Sorgen." 

Protokoll: Elisabeth Fleschutz


"Der Vermieter schickte mir Zeichnungen mit Sex-Stellungen"

Franziska, 22: "Schon an dem Tag, an dem wir den Vertrag unterschrieben haben, kamen von dem Vermieter Kommentare, dass doch zwei so schöne Frauen einziehen würden. Da hatte ich schon ein leicht mulmiges Gefühl. Vor allem, weil er sauer geworden ist, als er erfahren hat, dass die dritte Person, mit der wir die WG gegründet haben, ein Mann war. Ich habe das dann aber ignoriert. War froh, eine Wohnung gefunden zu haben. Eine Woche nach dem Einzug hat mir der Vermieter ein Meme geschickt. Darauf zu sehen waren Zeichnungen von Sex-Stellungen und welche davon sich während Corona wohl am besten eignen würde, um sich nicht anzustecken. Als ich die Nachricht ignoriert habe, ist er wütend geworden.

Von da an habe ich mich nicht mehr sicher gefühlt, vor allem nicht, wenn ich allein in der Wohnung war. Auch weil ich wusste, dass der Vermieter noch einen Schlüssel zu der Wohnung hatte. Er stand auch immer wieder unangemeldet bei uns im Garten und hat uns angeschaut. Ausziehen konnten wir erst nach acht Monaten, weil im Mietvertrag ein Kündigungsverzicht stand."

Protokoll: Luca Lang


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