Von Ulrike Knöfel und Elisa von Hof
SPIEGEL: Herr Dimbath, Sie haben viel zum Erinnern und Vergessen geforscht, auch dazu, wie Katastrophen ins Gedächtnis eingehen – ist diese Pandemie eine echte Katastrophe?
Oliver Dimbath: Definitiv. Unsere Gesellschaft erlebt eine enorme Irritation. Gefahr drohte und droht immer noch, und um sie abzuwenden, greifen die gewohnten Systeme nicht mehr. Und das bedeutet: Es findet eine außerordentliche, schwerwiegende Störung der sozialen Ordnung statt – und nicht nur das, wir wissen immer noch nicht, wann sich diese Ordnung wiederherstellen lässt; vielleicht verlieren manche gerade sogar das Vertrauen, dass das in absehbarer Zeit geschehen wird.
SPIEGEL: Dieser Ausnahmezustand dauert eine ganze Weile an. Wann setzte er – Ihrer eigenen Erinnerung nach – ein?
Dimbath: Dass dieses neue Virus sich auch mitten in Europa schnell ausbreiten könnte, wurde mir im Januar, Februar klar. Die Firma Webasto ist nicht weit von meinem Wohnort entfernt, die ersten Fälle, die hier bekannt geworden sind, hatten mit ihr zu tun. In diese Vermutung mischte sich ein merkwürdiges Aha-Gefühl.
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