Zweite Staffel "How to Sell Drugs Online (Fast)":
Halb CEO, halb Schülersprecher
Clevere Dialoge, rasantes Erzähltempo: Die deutsche Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" wurde auf Netflix zum Erfolg. Die neuen Episoden knüpfen daran an - selten wurde Erwachsenwerden so modern erzählt.
Elisa von Hof
Für Moritz, Dan und Lenny könnte es eigentlich nicht besser laufen: Die erste Million ist verdient, die Polizei ermittelt ergebnislos. Und dann klappt es auch endlich mit der Liebe. Das alles war nach der ersten Staffel "How to Sell Drugs Online (Fast)" (HtSDOF) nicht unbedingt zu erwarten. Für alle, die sich an die bisherigen Ereignisse der deutschen Netflix-Produktion nicht mehr erinnern können, noch mal der grobe Plot:
Um seine Ex-Freundin Lisa (Lena Klenke) von deren schönem Schwarm Dan (Damian Hardung) zurückzuerobern, zieht Moritz (Maximilian Mundt) gemeinsam mit seinem todkranken Kumpel Lenny (Danilo Kamperidis) in der deutschen Provinz einen Drogen-Onlinehandel auf. Was sich für die meisten Menschen nach einer unlösbaren Aufgabe anhört - schließlich muss nicht bloß die Website so programmiert sein, dass die Polizei nicht sofort auf deren Betreiber stößt -, ist für die beiden Schüler und IT-Nerds schnell getan: Ein paar Nächte voll Erdnussflipps und Energydrinks, und die Homepage von "MyDrugs" läuft.
Nach einem etwas holprigen Start mit dem örtlichen Drogendealer und Kleinganoven Buba ( Bjarne Mädel), der für ihn tödlich endet, finden die beiden einen instagrammablen Drogenhandel in Rotterdam, der sie zukünftig mit dem besten Zeug beliefern will. Weil Moritz' Rivale Dan auch in die Drogenszene in Rinseln (so heißt das Kaff, in dem die Jungs wohnen) verwickelt ist und zusehen muss, wie sich Buba aus Versehen mit der Pistole aus dem 3D-Drucker der Schule erschießt (!), macht er schließlich auch bei "Mydrugs" mit. Ach ja, und Lisa, die von all dem nichts ahnt, will sich gerade mit Moritz versöhnen, als sie zwei bunte Päckchen Pillen in dessen Zimmer findet. ENDE.
Nein, natürlich nicht. Denn schließlich weiß man seit Folge eins, dass Moritz irgendwann von der Polizei gefasst werden und seine Geschichte als Rückblende erzählen wird. So weit ist es aber noch nicht.
"HtSDOF" entwickelte sich im vergangenen Jahr zum Erfolg auf Netflix. Die Coming-of-Age-Serie ist die meist gesehene deutsche Produktion der Streamingplattform in Deutschland, auch in anderen Ländern läuft sie gut, etwa in Brasilien und Marokko. Das war nur auf den ersten Blick überraschend. Die Produktionsfirma bildundtonfabrik (btf) hat vor "HtSDOF" nur wenige fiktionale Stoffe an den Start gebracht, war aber schon mit Jan Böhmermanns "Neo Magazin Royale" oder der "Carolin Kebekus Show" für einige intelligente Unterhaltungsformate verantwortlich.
"HtSDOF" ist dennoch eine Überraschung: Weil es bisher kaum eine andere deutsche Serie schaffte, das Erwachsenwerden der Gegenwart so echt, rasant und unvorhersehbar zu erzählen - und dabei auch die digitale Welt der Schüler so unpeinlich darzustellen, dass die visualisierten Einblicke in die Social-Media-Aktivitäten der Figuren auch für Zuschauer unter 23 nicht zum weird flex werden (wenn Sie jetzt "weird flex" googlen müssen, sind Sie über 23.)
Die Messlatte für Staffel zwei war für die Autoren Philipp Käßbohrer, Matthias Murmann, Stefan Titze, Sebastian Colley, Mats Frey und Natalie Thomas also nicht unbedingt niedrig. Dennoch sind die sechs neuen Episoden noch einen Tick besser gelungen. Weil sich in Arne Feldhusens Regie ("Tatortreiniger") vorsichtig Satire- und Slapstick-Momente einflechten, weil das Erzähltempo noch mal beschleunigt wurde, weil sich Protagonist Moritz, den Maximilian Mundt furios spielt, endlich als komplexer Antiheld entpuppt, der sich zwischen Ruhm, Geld und Macht und der Integrität zu seinen Freunden und seiner Familie entscheiden muss. Und dabei, wie jeder Teenager, eigentlich mit etwas ganz anderem beschäftigt ist: dem Abnabeln von zu Hause und der Frage, wer er eigentlich ist. Arschloch oder Versager? Und noch viel mehr: Pablo Escobar oder Steve Jobs?
Denn als seine Freunde aus dem internationalen Drogengeschäft aussteigen wollen - schließlich sind so viele Bitcoins im Wallet, dass Dan seinen arroganten Vater beeindrucken und Lenny seine lebensverlängernde Immuntherapie bezahlen kann - will Moritz weitermachen. Und lügt, um seine Freunde zum Mitmachen zu bringen. "Lügen sind nichts anderes als ein Investment in deine Zukunft. Und wie bei jedem guten Investment kann eigentlich nichts schiefgehen - solange man den Überblick behält", erklärt Moritz den Zuschauern, halb CEO, halb Schülersprecher. Klar, dass das mit dem Überblick zum Problem werden wird.
Schließlich wollen die kriminellen Brüder von Buba seinen plötzlichen Tod rächen. Moritz' grundguter Polizistenvater wird langsam misstrauisch, was die Jungs in seiner Garage treiben. Und für Moritz wird es immer schwerer, seiner großen Liebe Lisa nichts von "MyDrugs" zu erzählen. Irgendwann wird er sich entscheiden müssen: Business oder Liebe?