„Die CSU wollte am rechten Rand fischen und hat sich verzockt"
Bei der Bayern-Wahl droht der CSU ein desaströses Ergebnis. Bei „Maischberger" wird über Gründe wie den Kreuz-Erlass und das Raumfahrtprogramm diskutiert. Ein Gast versteckt seine Freude über den Absturz der CSU nicht.
Elisa von Hof
Sandra Maischberger versteht die Welt nicht mehr: Der FC Bayern schwächelt und nun steht auch noch der CSU ein Desaster bevor. Am Sonntag wird in Bayern gewählt, die letzten Umfragen sahen die Christsozialen nur noch bei 33 Prozent. Was nun tun, wenn die beiden einzigen Konstanten des Freistaats wanken? Die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Oder laut fürchten: „Bayern wählt, Berlin zittert - droht ein politisches Erdbeben?" Maischberger hat sich für Letzteres entschieden und es zum Thema ihrer Talkrunde gemacht.
Zu der erschienen am Mittwochabend der bayrische Kabarettist Urban Priol, der bayrische Schauspieler Joseph Hannesschläger, die ehemalige bayrische Landtagsabgeordnete und Schlagersängerin Claudia Jung, der bayrische Unternehmer Hans-Rudolf Wöhrl und der WELT-Reporter Robin Alexander. Der darf als einziger Gast kein Kreuz auf dem Wahlzettel machen, deshalb interveniert er gelegentlich „als Preuße".
Dass der CSU eine Schlappe an den Wahlurnen bevorsteht, gilt mittlerweile als sehr wahrscheinlich. Letzte Prognosen lassen die Partei ihr schwächstes Ergebnis seit mehr als 60 Jahren und den Verlust der gewohnten Regierungsmehrheit befürchten.
Der Einzige, der bei diesem Gedanken grinst, ist Kabarettist Priol. Er habe sich noch nie so auf eine Wahl gefreut wie auf diese, sagte er. Er habe kein Mitleid mit der CSU. „Die CSU wollte am rechten Rand fischen. Und hat sich dabei verzockt." Wenn man einen Text darüber schreiben wolle, was man in der Politik alles so falsch machen kann, sagt er feixend, dann müsse man sich bloß die CSU im Jahr 2018 angucken.
Dass er damit nicht ganz Unrecht hat, zeigen nicht bloß aktuelle Umfragen. Viele dürften Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) noch immer übelnehmen, dass er im Streit über die Zurückweisung von Geflüchteten an der bayrischen Grenze seinen Rücktritt androhte und damit eine Regierungskrise der großen Koalition auslöste. Auch die Versetzung von Ex-Bundesverfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen kam nicht gut an.
„Dass 33 Prozent der Wähler die CSU überhaupt noch wählen würden, das zeigt, dass die Bayern leidensfähig sind", sagt Priol und lacht. Er findet nicht aus seiner Rolle als Bühnenkabarettist heraus. Ein Glück. Denn seine Häme belebt die Debatte mehr als viele der gestanzten Phrasen der anderen.
Eine besonders eloquente Runde hatte man nicht gerade aufgetan. Vielleicht, weil man unbedingt bayrische Originale vor die Kamera holen wollte, die die „Mia san mia"-Attitüde endlich auch dem Rest der Nation erläutern. Schließlich schütteln 15 Bundesländer genau darüber recht häufig den Kopf. Oder man hatte sich von der Bayernfraktion ein bisschen mehr Ergriffenheit gewünscht oder zumindest irgendeine Emotion. Hat nicht geklappt.
Die ehemalige bayrische Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, Claudia Jung, beschreibt ihren ersten Eindruck Bayerns - „Hier leben, hach, das wäre ja schon schön" - und die Freien Wähler - „bunter Zusammenschluss interessierter Leute". Den Rest der Sendung macht sich die einzig geladene Frau rar.
Genau wie Schauspieler und „Rosenheim Cop" Joseph Hannesschläger, seit seiner Kindheit SPD-Sympathisant. „Als einfacher Bürger" betont er gern, sei er ja vielleicht nicht so detailliert informiert wie die anderen. Aber er sehe das so: Obwohl die Wirtschaft boome und die Banken gerettet würden, seien die Renten nicht sicher und Polizisten und Pfleger würden nicht gut bezahlt. Stattdessen komme die CSU mit einem Polizeiaufgabengesetz, das die Bürgerrechte einschränke, einem Kreuz-Erlass in allen Behörden und einem Raumfahrtprogramm daher. Entspräche diese Auflistung nicht der Wirklichkeit, man könnte das für einen Witz von Priol halten.
Der parodiert derweil die CSU-Urgesteine Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber. Der CSU-Ehrenvorsitzende hatte nun verlautbaren lassen, dass er die Zugezogenen aus anderen Bundesländern für den Absturz seiner Partei in den Umfragen verantwortlich macht. „Wenn die CSU die Zugezogenen nicht überzeugen kann, dann sagt das eher etwas über die CSU aus als über die Zugezogenen", sagt Journalist Robin Alexander, der die vielen hölzernen Argumente der anderen ein ums andere Mal mit guten Analysen wettmacht. Mehr als an den Zugezogenen knacke die CSU noch immer an dem Jahr 2015, sagt Alexander.
Man sollte nicht in Vergangenheit nach Gründen für das Versagen der Partei in den Umfragen suchen, findet der bayrische Unternehmer Hans-Rudolf Wöhrl. Er ist sich sowieso sicher: „Markus Söder ist der beste Mann für den Posten." Er wüsste nämlich auch keine Alternative. Wöhrl, dessen Frau Dagmar 23 Jahre für die CSU im Bundestag saß, glaubt noch an eine Wende. „Ich glaube, dass die Wahl die Wahlforscher vor den Kopf stoßen wird. Die CSU wird 38,2 Prozent erhalten", sagt er. Alles andere wäre einfach nicht gut. Hannesschläger fordert indes nur: „Die AfD darf nicht größer werden."
Gut, dass die ARD da ihren bewährten Zahlen-Analysten parat hat: Jörn Schönborn. „Die CSU wird keinen Grund haben, Sekt aufzumachen. Aber ein Drittel ist vermutlich noch nicht sicher, wo das Kreuz hingehört", sagt der Moderator.
Sollten die bisherigen Umfragen jedoch die Ergebnisse vorwegnehmen, dann sieht es für eine andere Partei ziemlich gut aus: die Grünen. 18 Prozent der Wähler würden ihr Kreuz am Sonntag bei dieser Partei machen. Wenn die CSU am Weiterregieren interessiert ist, muss sie sich also eventuell in deren Richtung orientieren. Die Schwesterpartei der CSU hat das in den Nachbarländern Hessen und Baden-Württemberg schon vorgemacht.
Wöhrl zuckt darüber die Achseln. Wenn es zu dieser Koalition komme, tja, ja. „Dann muss man eben damit leben." Euphorie sieht anders aus. „Die CSU und die Grünen könnten schon zusammen, aber beide müssten eine Entwicklung machen. Ich fände das für die Demokratie nicht schlecht", sagt Alexander.
Und was sagt das alles nun über Angela Merkel?, will Maischberger am Ende wissen. Und stellt damit die in diesen Tagen so zäh wiederholte wie unlösbare Frage des Polit-Journalismus: Erodiert nun Merkels Macht? „Das Problem von Merkel", analysiert Wöhrl, „ist das gleiche wie Helmut Kohls: Große Politiker stoßen sich durch das Festhalten an der Macht selbst vom Podest."
Ehe man über die Zukunft der Regierung spreche, sagt Alexander, müsse man auf die Landtagswahl in Hessen schauen. Auch hier wird in wenigen Wochen gewählt. Und da lässt sich ein miserables Ergebnis nicht so leicht auf die Fehlkalkulation einer Regionalpartei abwälzen. „Wenn die CDU bei der Wahl 28 oder 27 Prozent kriegt, steht der Kurs infrage. Dann wird die CDU entscheiden müssen, ob sie die große Koalition hält", sagt Alexander.
Bloß Priol scheint alldem etwas gelassener entgegenzublicken. „Ich wehre mich gegen Schreckensszenarien", sagt er. Wenn man nach einer Wahl wie der in Bayern aufwache, dann seien die Wiesen ja immer noch grün. Und Merkel wahrscheinlich an der Macht.
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