Seit einigen Monaten steigen in Deutschland die Preise. Besonders arme Menschen leiden darunter. Wer reich ist, muss sich hingegen keine Sorgen machen. Aber was heißt es, arm oder reich zu sein?
Wann ist man arm?
Armut zu messen ist sehr schwierig. Fachleuten zufolge gilt als arm, wer weniger als 1,90 Euro pro Tag zur Verfügung hat - also sehr, sehr wenig Geld. Diese Art von Armut nennt man "absolute Armut". In Afrika, Asien oder Südamerika gibt es viele Millionen Menschen, die in absoluter Armut leben. Sie leiden großen Hunger, müssen auf der Straße schlafen und können nicht zum Arzt gehen, selbst wenn sie sehr krank sind. Das ist in Deutschland nicht so. Hier sieht Armut anders aus: Jemand ist arm im Vergleich zu den anderen, die im Land leben. Fachleute sprechen von "relativer Armut". Eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren gilt in Deutschland als arm, wenn die Eltern zusammen weniger als 2255 Euro im Monat ausgeben können. Das klingt nach viel Geld. Aber eine Wohnung, Lebensmittel, Schulsachen und Klamotten sind teuer.
Wie sieht ein Leben in "relativer Armut" aus?
Zuallererst ist wichtig zu sagen: Jeder Mensch ist gleich viel wert, egal ob arm, reich oder irgendetwas dazwischen. Trotzdem haben es arme Menschen in Deutschland schwerer als andere. Sie müssen auf vieles verzichten: zum Beispiel auf Urlaube, Ausflüge, teure Hobbys oder neue Kleidung. Besonders für Kinder ist das schwierig. Auf dem Schulhof werden sie vielleicht gehänselt, weil sie keine Markenklamotten tragen oder nicht das neueste Handy haben. Manche möchten auch keine Freunde zu sich nach Hause einladen, weil sie sich für ihre kleine Wohnung schämen. Dadurch bleiben Kinder aus armen Familien oft unter sich und fühlen sich traurig und alleingelassen.
Wann ist man reich?
Reiche Menschen können sich eine große Wohnung, Autos, teure Urlaube, Hobbys und Markenklamotten leisten. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass dafür bald kein Geld mehr da ist. Fachleute haben festgelegt: Eine Familie mit zwei Kindern ist reich, wenn sie mindestens 7700 Euro im Monat ausgeben kann. Einige wenige Menschen haben so viel Geld, dass sie alles kaufen können, was sie möchten: Sportwagen, Flugzeuge, Fußballvereine oder eine eigene Insel. Diese Leute nennt man Superreiche.
Wie wird man arm oder reich?
Manche Leute werden reich, weil sie eine gute Idee oder ein besonderes Talent haben oder weil sie extrem hart arbeiten. Aber oft hat der Kontostand mit Glück und Zufall zu tun. Denn Reiche sind oft nur so reich, weil ihre Verwandten schon viel Geld hatten. Sie bekommen dieses Geld geschenkt oder erben es, wenn jemand stirbt. Wenn der Familie eine große Firma gehört, ist es auch einfacher, dort einen gut bezahlten Job zu finden. Wer einmal arm oder reich ist, bleibt es oft für den Rest seines Lebens. Das liegt zum Beispiel daran, dass Kinder reicher Eltern häufiger auf das Gymnasium gehen und ein Studium beginnen. Die Lehrerinnen und Lehrer trauen ihnen oft mehr zu als ihren Klassenkameraden. Dadurch haben die Kinder später bessere Chancen auf einen gut bezahlten Beruf. Armut entsteht oft durch schwierige Ereignisse im Leben, zum Beispiel eine schlimme Krankheit, nach der man nicht mehr arbeiten kann. Auch eine Kündigung oder ein Krieg können Gründe für Armut sein.
Wie viele arme und reiche Menschen gibt es in Deutschland?
In Deutschland lebt jede sechste Person in Armut. Die Zahl der armen und die Zahl der reichen Menschen sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Es gibt immer weniger Menschen mit mittel viel Geld. Reichtum und Wohlstand sind sehr ungleich verteilt - und die Ungleichheit wird immer größer.
Warum ist das so?Ein wichtiger Grund ist die Inflation: Lebensmittel, Energie und Benzin werden teurer, das Gehalt bleibt aber gleich. Dadurch können sich die Leute nicht mehr so viel leisten wie noch vor einigen Monaten. Für einige wird es schwierig, die Miete oder den Wocheneinkauf zu zahlen. Reichen Menschen hingegen machen die hohen Preise nicht so viel aus. Sie können Dinge kaufen, die trotz der Inflation an Wert gewinnen: Häuser und Grundstücke zum Beispiel. Dadurch wächst ihr Vermögen, während das der meisten anderen Menschen sinkt. Ein anderes Problem ist, dass viele Jobs in Deutschland schlecht bezahlt sind. Das Gehalt dort reicht für das Nötigste nicht aus.
Welche Folgen hat die große Lücke zwischen Arm und Reich?
Viele arme Leute sind wütend. Sie finden, dass die Politikerinnen und Politiker in Deutschland nicht genug gegen die Ungleichheit unternehmen oder sie sogar fördern. Deshalb wählen sie häufiger Parteien, die versprechen, alles anders zu machen als die jetzige Regierung - auch, wenn manche von ihnen schlimme Ansichten haben und zum Beispiel gegen Geflüchtete hetzen. Einige Menschen gehen auch gar nicht zu den Wahlen, weil sie denken, dass ihre Stimme keinen Unterschied macht. Wer jahrelang in Armut lebt und von der Regierung wenig Unterstützung bekommt, fühlt sich im Stich gelassen.
Was tut die Regierung, um armen Menschen zu helfen?
Sie erhalten Unterstützung vom Staat: für Klassenfahrten, den Sportverein oder eine Wohnung. Und im nächsten Jahr soll mit dem Bürgergeld die monatliche Unterstützung von Menschen, die zu wenig eigenes Geld für den Lebensunterhalt haben, auf bis zu 500 Euro steigen. Wer seinen Job verloren hat, bekommt für einige Zeit ein Arbeitslosengeld. Zudem wird ab Oktober der Mindestlohn erhöht, auf 12 Euro pro Stunde. Viele Leute verdienen dann mehr Geld als jetzt. Aber es wird gleichzeitig alles teurer. Wegen der hohen Energiekosten zahlt die Regierung einen Zuschuss: einmalig bis zu 300 Euro pro Person. Trotzdem gibt es Kritik.
Wieso?Fachleute sagen, dass die Unterstützung nicht ausreicht. Und sie finden es nicht gut, dass auch Reiche den Zuschuss bekommen. Sie fordern, dass die Unterschiede zwischen Armen und Reichen kleiner werden. Wie? Man könnte armen Menschen mehr Geld geben. Oder man könnte dafür sorgen, dass die Reichen etwas abgeben müssen - zum Beispiel durch höhere Steuern. Bisher sind sich die Parteien in der Regierung nicht einig, wie man am besten gegen die Ungleichheit vorgehen soll.