Bald wird im Münchner Süden die Erde leicht vibrieren. Doch es gibt keinen Anlass zur Sorge: Es sind die schweren Messfahrzeuge der Stadtwerke München (SWM), die ihre Schwingungen tief in den Boden senden und so die Erde zum Summen bringen. Wer nah genug an den hohen, Bagger-ähnlichen Rädern eines solchen Kolosses steht, wird sich fühlen wie in einer Diskothek - direkt neben dem Basslautsprecher.
Mit den Messungen wollen die Stadtwerke neue Standorte für Geothermie-Anlagen erkunden. Die Vibrationen werden ausgesendet, um den Untergrund und die verschiedenen Gesteinsschichten noch genauer als bisher zu erschließen. Ein Expertenteam führt deshalb von Anfang November an spezielle Vibro-Seismik-Messungen durch.
Die Messstationen bewegen sich durch die Straßen und werden abgesichert durch Begleitfahrzeuge. Alle 50 Meter hält der Konvoi an, die Vibro-Fahrzeuge setzen ihre Schwingungsplatten auf den Untergrund auf und vibrieren drei Mal für jeweils zwölf Sekunden. So zieht die Kolonne langsam, wie eine kleine Wanderbaustelle, durch die Straßen Münchens. Noch bis März 2016 werden diese Messungen laut SWM andauern. Hinter den seismologischen Aufzeichnungen steckt für die Münchner Stadtwerke ein großes Projekt: Die Umsetzung der Energiewende. Mit den funktionierenden Geothermie-Anlagen in Riem und Sauerlach hat man damit bereits begonnen, und in Freiham ist die Bohrung für die dritte Anlage fast abgeschlossen.
Geothermie in Unterschleißheim Sprudelnde EinnahmenDie Unterschleißheimer Geothermiegesellschaft verbucht erstmals einen Gewinn. Dabei hatte die Stadt bei dem Projekt zunächst mit einigen Rückschlägen zu kämpfen.
Geothermie soll erschlossen werdenStephan Schwarz, zuständiger SWM- Geschäftsführer für Versorgung und Technik, ist überzeugt, dass ohne die Nutzung der Geothermie diese Wende nicht zu schaffen ist. Hinzu kommt, dass München für die Geothermie-Anlagen im Wortsinn fruchtbaren Boden bietet: "Ein wahrer Schatz liegt hier unter uns", sagt Schwarz. Die Stadtwerke wollen diesen Schatz in Zukunft erschließen und zur Energieerzeugung nutzen. In ihrer "Vision 2040" haben sie sich folgende Ziele gesteckt: In 25 Jahren soll München die erste deutsche Großstadt sein, in der Fernwärme zu hundert Prozent aus regenerativen Energien gewonnen wird.
Mit dem Begriff Fernwärme ist die Wärmelieferung zur Versorgung von Gebäuden mit Heizung und Warmwasser gemeint. Das ist besonders für Privathaushalte wichtig, denn dort wird fast 90 Prozent der Energie dafür verwendet.
Gewaltiges Heißwasserbecken unter der StadtDas ehrgeizige Ziel der Münchner Stadtwerke kann nur erreicht werden, weil Münchens Wohngebiete und Bürotürme auf einem gewaltigen Heißwasserbecken sitzen. An der nördlichen Stadtgrenze befindet sich im Malmkarst, einer durchlässigen Kalkschicht, 80 bis 100 Grad warmes Wasser in ungefähr 2000 Metern unter der Erdoberfläche. An der südlichen Grenze der Stadt muss man etwas weiter graben: Dort liegt das Wasser in 3000 Metern Tiefe. An einigen Stellen werden dafür sogar Temperaturen von mehr als 100 Grad Celsius erwartet.
Diese Wärme, die in der Erdkruste gespeichert ist, kann entweder direkt zum Heizen, aber auch zur Erzeugung von Strom genutzt werden. Eine geothermische Anlage funktioniert nur in einem geschlossenen Kreislauf. Dazu sind grundsätzlich zwei Bohrungen nötig: Durch ein Rohr wird das heiße Wasser nach oben befördert und auf einen Wärmeübertrager geleitet. Das abgekühlte Wasser wird in einem zweiten Rohr zurückgeführt. Die Wärme des Wassers kann umso besser genutzt werden, je mehr es abgekühlt wird. Somit funktioniert die Erdwärme in einem Kreislauf, ohne in das Ökosystem einzugreifen.
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