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Disney Prinzessin: Rollenbild im Wandel


Singen mit Tieren im Wald, Abenteuer bestehen und nebenbei immer gut aussehen: Disney Prinzessinnen bedienen die Träume vieler kleiner und großer Mädchen. Und sie bedienen ein einseitiges Frauenbild - oder? Wir haben uns das Rollenbild in den Disney-Prinzessinnenfilmen angeschaut.

Verkörpert die Disney Prinzessin ein falsches Frauenbild?

1937 flimmerte der erste abendfüllende Disney-Film über die Kinoleinwand. Dieser legte nicht nur den Grundstein für viele weitere Zeichentrickfilme aus dem Hause des Entertainment-Giganten, sondern schuf auch eine Rolle im Disney-Universum, ohne die Disney nicht Disney wäre: Die Disney Prinzessin. Denn die Protagonistin in Disney's erstem Kinofilm ist Schneewittchen. Inzwischen singt die schwarzhaarige Schönheit sich längst nicht mehr allein durch Disney's bunte Märchenwelt, sondern hat in den vergangenen acht Jahrzehnten viele Freundinnen gefunden, die nicht nur kleine Mädchen zum Träumen bringen.

Doch gerade an der beliebten Prinzessinnen-Clique - inzwischen mindestens ein ebenso großes Aushängeschild des Konzerns wie Mickey Maus himself - scheiden sich die Geister. Während die einen sich vom Gesang der trällernden Grazien bereitwillig ins zuckrige Märchenreich entführen lassen und den eigenen rosa Mädchenträumen nachhängen, sind sie für andere als personifizierter Sexismus die eigentlichen Bösewichte, die es zu bekämpfen gilt. Geschlechterstereotype, überholte Beziehungsmodelle und Whitewashing sind häufige Kritikpunkte, denen sich die Hoheiten ausgesetzt sehen. Wir haben uns die Disney Prinzessinnen mal genauer angesehen und zeigen dir, wie sich das Frauenbild im Laufe der Zeit auch im glitzernden Disney-Universum verändert hat.

Prinzessinnenhype: Elsa und Anna

Den Titel "Disney Prinzessin" tragen inzwischen einige. Doch bei den Stichworten "Disney" und "Prinzessin" denkst du inzwischen wahrscheinlich zuerst an sie: Elsa und Anna. Die beiden Protagonistinnen aus dem Film " Frozen" (2013) haben einen Hype ausgelöst wie keine Disney Prinzessin vor ihnen. Auf der Liste der weltweit erfolgreichsten Filme aller Zeiten belegt "Die Eiskönigin - Völlig unverfroren", wie der Film im Deutschen heißt, derzeit Platz 15. Entsprechend herrschen die beiden ungleichen Schwestern über ein gewaltiges Merchandise-Imperium, in dem von Kleidchen bis zu zuckrigen Cornflakes alles zu finden ist. Unabhängig davon sagt der Film aber auch viel über die Frauenrolle in Disney-Filmen aus und zeigt, wie sich die Disney Prinzessinnen im Laufe der Jahre entwickelt haben.

Schwesternliebe statt Lovestory

Elsa wiederum, die jahrelang ihre magischen Kräfte unterdrücken, sich verstecken und damit sich selbst verleugnen muss, kommt ganz ohne Mann aus. Sie muss sich im Film mit sich selbst und ihrer Macht auseinandersetzen. Um die Liebe geht es in dem Film dennoch, allerdings nicht in altbekannter Form. In "Frozen" steht die Schwesternliebe im Fokus.

Elsa: Die erste lesbische Prinzessin?

Wenn im November diesen Jahres die Fortsetzung "Frozen 2" in die Kinos kommt, könnte Disney einen ganz neuen Weg einschlagen, zumindest, wenn es nach vielen Fans geht. Denn seit klar ist, dass es eine Fortsetzung des Erfolghits geben wird, machen sich unter dem Hashtag #giveelsaagirlfriend immer mehr Menschen dafür stark, dass die beliebte Prinzessin lesbisch sein soll. Anspielungen lassen sich schon im ersten Teil finden: Der Titelsong "Let it go" soll nicht allein auf Elsas magische Kräfte, sondern auch auf ihre unterdrückte Homosexualität hinweisen und kann als Coming-out gedeutet werden.

Bereits im ersten Teil gibt es außerdem eine kurze Szene, in der die Familie des Gastwirtes Oaken zu sehen ist. Sie besteht aus einem Mann und einigen Kindern. Während es in der deutschen Synchronfassung hier lediglich "Grüzi, hallo zusammen" heißt, sagt Oaken im Original "Hello family." Einen ersten, wenn auch sehr klischeehaften Versuch, Homosexualität in Disneyfilmen weniger subtil zu etablieren, hat es in der Realverfilmung von "Die Schöne und das Biest" (2017) gegeben. Man darf gespannt sein, ob Disney sich wirklich traut, Elsas Popularität für ein klares Statement zu nutzen und damit auch die Weiterentwicklung des Frauenbildes voranzutreiben.

Die ersten Disney Prinzessinnen: Warten auf den Prinzen Schneewittchen: Putzen, putzen

Schneewittchen, die als erste Disneyfigur den Titel Disney Princess tragen durfte, verkörpert das weibliche Ideal der 30er Jahre. Entsprechend ist sie auch eher ein stilisiertes Abziehbild des damaligen Frauenbildes statt ein lebendiger, weiblicher Charakter. Obwohl Schneewittchen eine Prinzessin ist, erfüllt sie ihre hausfraulichen Pflichten im Haus der Sieben Zwerge vorbildlich und tut den ganzen Film nicht viel mehr als putzen. Am Ende des vergleichsweise handlungsarmen Films wird sie dafür von ihrem Prinzen errettet, denn natürlich ist es der Mann, der die verstoßene Königstochter erlöst. Unser Schneewittchen hat es immer gewusst: "Kommt erst mein Prinz zu mir und führt mich fort von hier, ziehn wir beide ins Königsschloss ein."

Cinderella und Aurora: Erlösungsbedürftige Hausfrauen

"Eine Frau, hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen? Und was soll ich kochen?" Dieser Werbespruch aus den 50er Jahren fasst den Cinderella-Film von 1950 eigentlich perfekt zusammen. Denn bei Cinderella dreht sich alles um die Hausarbeit - und ihr Ballkleid. Zu ihrer Verteidigung sei aber gesagt, dass ihr die Rolle als Dienstmagd von ihrer bösen Stiefmutter genauso aufgedrängt wurde, wie vielen Frauen in den 50er Jahren die Rolle als Hausfrau. Anders als das ebenfalls zur Dienstmagd degradierte Schneewittchen, erfüllt Cinderella ihre Rolle zwar pflichtbewusst und gewissenhaft, aber bei weitem nicht so hingebungsvoll. Sie ist genervt von der Tyrannei ihrer Stiefmutter und dem Gehabe ihrer Stiefschwestern und träumt von einem anderen Leben. Dieses bekommt sie am Ende, natürlich, durch ihren Prinzen.

Während die 50er-Jahre-Cinderella damit dem Rollenbild ihrer Zeit gerecht wird, ist es ihr vermeintlich modernes Pendant aus der Realverfilmung von 2015, das ein absolut unzeitgemäßes Frauenbild verkörpert. Denn Ella kuscht wie ein scheues Mäuschen vor ihrer bösen Stiefmutter und fügt sich widerstandslos in ihr Schicksal. Dass das in einem Märchenfilm auch anders geht, hat uns Aschenbrödel schon 1973 bewiesen.

Auch Aurora ("Dornröschen", 1959) ist durch den Neid einer bösen Hexe zu einem wenig prinzessinnenhaften Dasein verdammt und vertreibt sich ihre Zeit mit putzen, Beeren sammeln und singen, ehe auch sie von ihrem Prinzen, der ganz stilecht auf einem weißen Pferd daherkommt, erlöst wird. Die Prinzessinnen der ersten Generation eint damit vor allem ihre Erlösungsbedürftigkeit. Ihre charakteristischste Eigenschaft ist ihre Passivität. Hausarbeit ist die einzige Aufgabe, die sie zu erfüllen haben. Als Belohnung wartet der Traumprinz. Das Leben kann so einfach sein.

Die Disney Prinzessinnen der 90er: Rebellische Kämpferinnen

Einhergehend mit der geforderten Gleichstellung von Frau und Mann im Zuge der Frauenbewegung Ende der 60er bis in die 90er Jahre hinein, werden die Disney Prinzessinnen zunehmend selbstbestimmter. Sie verweigern die ihnen zugedachten Rollen und fordern das Recht ein, selbst über ihr Leben zu bestimmen.

Arielle, Belle und Jasmin: Eigensinnige Rebellinnen

Arielle, die kleine Meerjungfrau (1989), schwänzt nicht nur ihre Gesangstunden, sondern gleich ein ganzes Konzert, um ihren eigenen Wünschen und Sehnsüchten zu folgen. Gleichzeitig fühlt sie sich fehl am Platz und ist auf der Suche nach ihrem eigenen Ich. Dabei lehnt sie sich nicht nur gegen ihren Vater auf, sondern opfert für die Erfüllung ihrer Träume sogar ihr wertvollstes Kapital: ihre Stimme. Auch wenn das aus der Liebe zu einem Mann heraus geschieht, geht es in dem Film vor allem um den Wunsch, herauszufinden, wer man ist und darum, die eigenen Ziele zu verfolgen.

Nicht weniger aufmüpfig ist Prinzessin Jasmin ("Aladdin", 1992). "Was fällt euch dreien ein hier herumzustehen und über meine Zukunft zu entscheiden? Ich bin doch kein Preis, den man einfach gewinnen kann!", fährt sie die drei mächtigen Männer des Films an: ihren Vater den Sultan, den Großwesir Dschafar und den als Prinz verkleideten Aladdin. Wie Arielle und Belle sehnt Jasmin sich nach einem freien, selbstbestimmten Leben und weigert sich, das Gesetz zu erfüllen und zu heiraten. Im neuen Aladdin Film (2019) geht Jasmin sogar noch weiter: Sie will Sultan werden und es besser machen als die herrschenden Männer vor ihr.

Natürlich bekommt am Ende jede dieser Prinzessinnen ihren Prinzen. Doch Arielle, Belle und Jasmin fügen sich nicht in die ihnen zugedachten Rollen und rebellieren gegen Fremdbestimmung. Letztlich sind es zwar die Männer, die ihnen geben, was sie wollen - wie sie leben wollen, wählen sie jedoch selbst.

Pocahontas und Mulan: Unabhängige Kämpferinnen

Die Prinzessinnen der 90er Jahre sind wohl auch deshalb so beliebt, weil sie stark und eigensinnig sind, kämpfen können und ihre Prinzen (oder eben auch mal ein riesiges Reich wie China) retten. Sie sind es, die den Film und seine Geschichte tragen. Die Männerrollen hingegen verlieren in den Disney-Filmen der 90er zunehmend an Bedeutung.

Die neue Generation: Es geht auch ohne Mann

Der braven Hausfrau und der unabhängigen Kämpferin folgt der Frauenpower der Nullerjahre. Die Disney Prinzessinnen dieses Jahrzehnts zeigen: Frauen können machen und erreichen, was sie wollen und sind ebenso vielschichtig wie die Möglichkeiten, die sich ihnen im 21. Jahrhundert bieten. Tiana ("Küss den Frosch", 2009) wartet nicht auf den Märchenprinzen, sondern arbeitet selbst an der Erfüllung ihres großen Traumes. Sie verkörpert die Karrierefrau, die aus eigenem Antrieb ihrem ärmlichen Leben entkommen möchte (und ist damit das Gegenteil von Cinderella, die aus ihrem Leben als Dienstmagd nur durch Feenzauber und Märchenprinz erlöst werden kann).

Auch Rapunzel (2010) ist eine Macherin. Die Prinzessin mit den Zauberhaaren ist impulsiv, kreativ, willensstark und folgt unbeirrt ihrem Traum. Rapunzel wehrt sich gegen Einbrecher, wickelt harte Kerle um den Finger und befreit sich selbst von ihren Fesseln, in diesem Fall ihrer Mutter. Und die ungestüme Merida (2012) ist entschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen und widersetzt sich trotzig uralten, heiligen Regeln.

Disney Prinzessinnen: Am Nerv der Zeit Die vergessenen Disney Prinzessinnen

"Das sind aber noch nicht alle" wirst du als Disney-Kenner jetzt sagen. Was ist mit Megara ("Herkules", 1997), Giselle ("Verwünscht", 2007), Eilonwy ("Taran und der Zauberkessel", 1985), Kidagakash Nedakh ("Atlantis", 2001) oder (2016), die sogar komplett ohne Liebesgeschichte auskommt? Alle Prinzessinnen, keine Frage. Aber den offiziellen Titel "Disney Prinzessin" darf nicht jede tragen. Denn hinter dieser Bezeichnung steht ein riesiges Marketing-Franchise, in das nur jene Prinzessinnen aufgenommen werden, die folgende Kriterien erfüllen:

Sie spielen die Hauptrolle in einem Disney-Film. Sie sind menschlich (weswegen zum Beispiel Nala aus der "König der Löwen" von 1994 und Maid Marian aus "Robin Hood" von 1973 keine Rolle im Prinzessinnen-Universum spielen). Sie sind royaler Herkunft oder heiraten royal. Disney Prinzessin: Neuzugang erwartet

Seit diesem Jahr gibt es übrigens einen Neuzugang im Team Disney Prinzessin: Yesss, Chef-Algorithmus aus "Chaos im Netz", dem zweiten Teil von "Ralph reicht's" (2012). Sie ist nicht die einzige Prinzessin, die in der Fortsetzung zu sehen ist. Neben Prinzessin Vanallope von Schweetz treten erstmals sämtliche Prinzessinnen in einem Film auf - von Schneewittchen über Arielle und Mulan bis zu Elsa und Vaiana.

Wie gut kennst du die Disney Prinzessinnen? Teste dein Wissen!

Du weißt, wie Cinderellas böse Stiefschwestern heißen? Du kannst sofort sagen, in welchem Disney-Film die blaue Fee vorkommt? Und du weißt, welche Blume in Disney's "Die Schöne und das Biest" eine ganz besondere Bedeutung hat? Dann teste dein Prinzessinenwissen in unserem Experten-Quiz!

Der Artikel wurde am 21.11.2019 aktualisiert.

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