Im Mohave Room des Memorial Union Gebäudes der Arizona State University (ASU) wird die dritte und letzte Debatte der Präsidentschaftskandidaten Obama und Romney nicht ganz neutral verfolgt. Hier seien eher studierte Zuschauer mit Bildungshintergrund zu erwarten. Es seien Zuschauer, die die Nachrichten verfolgten und schon eine Meinung hätten, sagt Jessica Gonzalez von der "Graduate and Professional Student Association" (GPSA), einem Mitveranstalter des Public Viewings. Hier, an der ASU, heißt das: Wähler, die für Obama stimmen wollen.
Mehr als 50 Menschen nehmen am Public Viewing der finalen Debatte am 22. Oktober teil. Der längliche, weiße Raum, der mit schlichten Bildern der regionalen Wüstenlandschaft behangen ist, ist zur Hälfte gefüllt. Das rege Interesse verwundert, denn das Thema der Debatte zwischen Präsident Obama und seinem Herausforderer Romney ist Außenpolitik. Ein Thema, das laut einer Umfrage der New York Times für weniger als zehn Prozent der Wähler in den sogenannten Swing States zentral ist - also in den Staaten, in denen die Wähler noch unentschieden sind. Wichtiger seien dort das Haushaltsdefizit und die Gesundheitsvorsorge. Aber die Zuschauer kämen ja nicht wegen des Themas her, sagt Shannon Skarphol von der GPSA, sondern um sich ein generelles Bild über die Kandidaten zu machen.
Die Angst vor einem KriegDas Duell beginnt in Arizona um 18.30 Uhr Ortszeit. Bob Shieffer, der bereits die Fernsehdebatte in Florida moderiert hat, leitet den ersten Themenkomplex ein. Es geht um den Nahen Osten und die von dort ausgehende mögliche terroristische Gefahr. Romney beginnt.
Währenddessen in der Universität: Jim, ein Veteran, verschränkt die Arme. Er sagt, er wolle keinen neuen Krieg und sei auf der Seite Obamas. Er selbst sei in Vietnam gewesen, sagt Jim. Er könne keinen Republikaner wählen, denn "Romney würde sofort in Syrien einmarschieren", glaubt er. Als Obama das Wort ergreift, entspannt sich Jims Haltung. Der kräftig gebaute und gebräunte Rentner im kastanienbraunen Poloshirt streckt sich aus. Er nickt, als Obama davon redet, dass Libyen ohne das Eingreifen amerikanischer Truppen von Diktator Gaddafi befreit werden konnte. Bewaffnete Konflikte ohne Amerika - so stellt sich das Jim vor.
Auch vor der Leinwand sitzt David, ein Professor aus Melbourne, Australien, der wegen einer Konferenz hier ist. David, ein Mann mittleren Alters im verwaschenen grünen Hemd isst unzählige Nachos, die am Buffet ausliegen. Immer wieder steht er auf, um nachzulegen. Ihn interessiert die US-Außenpolitik nur so weit, wie sie Australien betrifft, also wenn es um Krieg geht. "Wenn Uncle Sam in den Krieg zieht, zieht Australien mit", sagt er. "Ich wette darauf, dass die USA nach der Wahl Truppen nach Syrien schicken werden" - egal, wer gewinne. Die Befürchtung eines neuen Krieges der Amerikaner scheint nicht an einen Kandidaten gebunden, vor allem nicht aus der Außenperspektive.
Twitter sitzt mit im RaumDie Debatte nimmt schnell Fahrt auf. Etwas weiter hinten sitzen Studenten von den "Voters for Obama" - Wähler für Obama. Die etwa zehn Obama-Sympathisanten sind nur mit zwei Dingen beschäftigt: mit Lachen und Twittern. Neben dem Kauen von Nachos wird das Klackern der Tasten die Veranstaltung konstant begleiten. Twitter sitzt mit im Raum.
Während die Debatte live auf eine Leinwand am Ende des Raumes projiziert wird, werden frühere Statements beider Kandidaten sowie Twitter-Reaktionen eingeblendet. Zur Nahost-Politik Romneys sagt Obama, er sei froh, dass auch Romney eingesehen habe, dass Russland nicht mehr die größte Bedrohung für die Staaten sei: "1980 hat angerufen und will seine Außenpolitik zurück." Twitter explodiert. 4.000 Tweets pro Minute meldet der Live-Ticker. Forrest, bei Twitter @fjschreick, einer der Obama-Freunde, ist dafür mitverantwortlich. Auf Twitter wiederholt und kommentiert er Obamas Aussage. Twitter ist lauter als die Menschen im Raum es sind.
Der Raum ist in Generationen geteilt. Die älteren Menschen, vor allem Professoren, belegen die vorderen fünf Reihen mit reichlich freien Plätzen. Die hinteren fünf Reihen sind gefüllt mit Studenten. Die vorderen Reihen schütteln die Köpfe und schweigen. Die hinteren lachen und tippen.
Innen- und China-PolitikInsgesamt verläuft die Debatte im Fernsehen ruhig, es gibt keine großen Überraschungen. Romney und Obama kommen immer wieder auf die Innenpolitik zurück. Diese interessiert die US-Amerikaner mehr. Aber auch China wird wiederholt angesprochen. Wirtschaftliche Konkurrenz beschäftigt die Amerikaner eben doch. David, den Australier, interessiert das alles nicht mehr. Er ist eingeschlafen.
Beim Bürgerdialog in der Uni: Für die anschließende Diskussionsrunde werden fünf Gäste nach vorn gebeten. Sie sollen sich mit der Frage beschäftigen, wie viel mehr Vertrauen sie nach der Debatte zur Außenpolitik in Romney haben. Fünf Stühle sind im Halbkreis aufgebaut, jeder Stuhl steht für eine Meinung: Von "viel" bis "gar kein Vertrauen" in Romney. Indirekt sind das zwei Stühle für Obama, ein neutraler sowie zwei für Romney.
Romneys Argumente verstehenEric und Jon, zwei Anhänger Obamas, nehmen die Pro-Romney-Stühle ein - stellvertretend. Sie spielen die Argumente für Romney durch. Trotz ihrer zuvor geäußerten politischen Vorliebe finden die beiden Studenten positive Aspekte an Romneys Politik. Er sei wirtschaftlich versierter als Obama, sagt der mit grauem V-Neck-Shirt und schwarzer Brille gekleidete Jon - ein Argument, das auch Romney immer wieder selbst hervorgebracht hat. Nach 25 Jahren Erfahrung in der freien Wirtschaft kann auch kein Obama-Befürworter das bestreiten.
Sein Mitstreiter Eric ergänzt, dass auch Romneys Zweifel in Bezug auf den Abzug aus Afghanistan ihre Berechtigung hätten. "Um jeden Preis aus Afghanistan abzuziehen, kann gefährlich sein", sagt Jon. "Ich kann Romneys Argumente gut verstehen."
Obama bleibt trotzdem der Favorit bei den meisten Zuschauern an der ASU. Nach Meinung der Teilnehmer ist er der Sieger des Duells. Obama-Freund und Twitterer Forrest sagt, das sei zu erwarten gewesen, Außenpolitik sei Obamas starkes Feld. Auch Veteran Jim stimmt zu, Obama habe immerhin vier Jahre Erfahrung in dem Bereich. Vier Jahre mehr als Romney. Aber wer weiß, ob Romneys 25 Wirtschaftsjahre nicht doch den entscheidenden Ausschlag geben werden. Selbst den Obama-Freunden im Mohave Room der ASU ist klar, dass das sein großer Vorteil sein könnte.