Für Wählerregistrierungsorganisationen wie ACORN oder Rock the Vote ist es ein Schock: Etliche republikanisch dominierte US-Bundesstaaten haben seit Anfang des Jahres schärfere Gesetze zur Wählerregistrierung erlassen. Bürgerrechtler sehen darin einen Versuch, Millionen Wahlberechtigte von der Präsidentschaftswahl 2012 auszuschließen.
Im Wahlkampf 2008 war es ACORN und anderen Organisationen gelungen, Hunderttausende Erstwähler zu registrieren - die sich am Ende mehrheitlich für Barack Obama und gegen John McCain entschieden. Zur kommenden Wahl gelten in wichtigen Swing States wie Florida nun deutlich strengere Vorgaben. Organisationen, die potentiellen Wählern bei der Registrierung als Wahlberechtigte helfen, müssen jetzt für jeden neuen Mitarbeiter eine aufwendige Anmeldung abgeben. Sollte sich dabei eine Angabe als fehlerhaft erweisen, droht eine Anklage wegen Meineids. Außerdem ist die Anmeldefrist für Mitarbeiter von zehn Tagen auf 48 Stunden gekürzt worden. Überschreitungen werden mit Strafanzeigen und Geldbußen bis zu 1.000 Dollar pro Fehlverhalten geahndet.
Die League of Woman Voters , die seit 91 Jahren landesweit Wähler aufklärt, hat deshalb bereits angekündigt, die Registrierung neuer Wähler im Wahljahr 2012 einzustellen - zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Es sei schlicht unmöglich, so die Präsidentin des Vereins in Florida, Deirdre Macnab, diese"ungeheuerlichen Vorschriften " zu erfüllen.
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Doch das ist längst nicht alles: Als eines der folgenschwersten neuen Gesetze gilt unter Experten die Verschärfung der Ausweispflicht. Bereits in sieben US-Bundesstaaten sind nun neue Wähleridentifikationen mit Foto Pflicht, in 30 weiteren laufen ähnliche Abstimmungen über solche sogenannten Photo IDs . Nur so, sind die Republikaner überzeugt, ließe sich die "Integrität" der Präsidentschaftswahl 2012 garantieren. Bürgerrechtsorganisationen glauben, dass damit Millionen eigentlich Wahlberechtigter ausgegrenzt werden könnten.
Wählerregistrierung in den USA
Anders als in Deutschland gibt es in den USA weder ein Personenregister noch einen Personalausweis. Das Hauptproblem ist damit die Identifizierung der Wähler. US-Bürger müssen sich zunächst in ihren Bundesstaaten in Wählerlisten eintragen lassen; Organisationen wie ACORN helfen dabei durch sogenannte Voter Registration Drives. Zur Klärung der Identität brachte man bislang den Führerschein mit - oder eine aktuelle Rechnung mit Adresse und Namen. In vielen Bundesstaaten wird die Registrierung nun komplizierter.
Early Voting ist vergleichbar mit der deutschen Briefwahl: Bei diesem Verfahren gibt der Wähler seine Stimme bereit vor dem eigentlichen Wahltag ab. Dies kann er entweder per Post oder persönlich im Wahllokal machen. Das Early Voting nutzten zuletzt doppelt so viele Demokraten wie Republikaner, auch unter Schwarzen wurde es immer beliebter. Der Zeitraum der vorzeitigen Wahl ist in einigen Staaten auf eine Woche beschnitten worden. Vorher hatte der Wähler noch zwei Wochen Zeit, um seine Stimme abzugeben.
Denn anders als bisher reicht es nun nicht mehr aus, wenn Wähler zur Registrierung einen Führerschein oder eine aktuellen Rechnung mitbringen. Ausgeschlossen von der Wahl sind demnach all jene, die sich nicht nach der neuen Methode ausweisen können. Nach Einschätzung der Bürgerrechtsgruppe Advancement Project sind das gegenwärtig etwa elf Prozent aller Wähler, immerhin 21 Millionen Menschen. Betroffen sind vor allem Arme, denen die Voraussetzungen fehlen, um eine der neuen Voter-ID -Ausweise zu beantragen - entweder weil ihr Führerschein kein Foto aufweist, weil sie sich überhaupt keinen Führerschein leisten können, oder weil sie nicht über die nötigen Dokumente wie eine Geburtsurkunde verfügen.
Kaum Fälle von Wahlfälschung
Befürworter des neuen Verfahrens, beispielsweise der republikanische Staatssekretär in Kansas, Kris Kobach, argumentieren damit, dass künftig Wahlbetrug erschwert werde. Was er nicht sagt: Es gibt kaum Wahlbetrug in den , jedenfalls insofern nicht, als dass sich Wähler unberechtigt haben registrieren lassen.
In Kobachs Heimat wurden in den vergangenen dreizehn Jahren gerade einmal sieben Menschen wegen Wahlvergehen rechtskräftig verurteilt. Umgerechnet auf die Anzahl der Wahlberechtigten ins Kansas würde das einen Betrugs-Index von 0,00033 Prozent ergeben, schreibt eine Lokalzeitung . Ähnlich spärlich sieht es in den übrigen Bundesstaaten aus, in denen dokumentierte Fälle bekannt sind: 0,0003 Prozent in Missouri, 0,0002 in New Jersey und 0,000009 in New York, berichtet das Brennan Center for Justice an der NYU School of Law in New York.