Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Auslaufmodell AC-Laden

An der Laterne geht es mit dem Laden des E-Autos nur langsam voran

Die meisten Besitzer eines Stromers laden ihr E-Fahrzeug mit Wechselstrom an der Wallbox. Doch AC-Laden ist nicht bidirektional, langsam und im öffentlichen Bereich zu teuer. Man sollte den Typ-2-Stecker endgültig ziehen.

Laternenparker haben ihre liebe Mühe mit der öffentlichen Ladeinfrastruktur. Wer in einem Mehrfamilienhaus lebt und keine Möglichkeit hat, eine Wallbox zu installieren, wird sich mit dem Umstieg entsprechend schwertun. Mit einem Verbrenner-Fahrzeug braucht man in der Stadt keinen Stellplatz oder eine Garage. Somit sind in Berlin drei von vier Autohaltern Laternenparker. Will man sie zum Umstieg ins E-Auto bewegen, sollten städtische Ladeanbieter ihre Strategie überdenken. Dabei geht es nicht nur darum, eine freie Ladesäule zu finden. Auch Preise, Ladedauer und beschränkte Standzeiten machen das Leben eine E-Autofahrers schwer.


Fast gleich teuer

Blickt man auf den Preis, stellt man schnell fest, dass der Preisunterschied zwischen AC- und DC-Laden in Städten aktuell verschwindet gering ist. EnBW macht bei seinem Vorteils-Tarif keinen Unterschied. Beides kostet 0,60 Euro. Bei Maingau beträgt der Unterschied gerade mal zehn Cent, nämlich 0,54 statt 0,64 Euro. Preislich macht es also wenig Sinn, an einer DC-Ladesäule vorbeizufahren. Das gilt auch mit Blick auf die Standzeitzuschläge. Sowohl Maingau als auch EnBW berechnen 0,10 Euro pro Minute extra, wenn man länger als vier Stunden an der AC-Säule steht. Die Idee ist gut. Ein E-Auto soll die Ladesäule nicht den kompletten Tag blockieren. Für DC-Säulen gilt der Zuschlag bei Maingau bereits nach einer Stunde. Selbst die „kleinen" Schnellladesäulen schaffen in dieser Zeit 50 kWh. An der AC-Ladesäule sind es nur 44 kWh in vier Stunden. Viele der innerstädtischen DC-Lader bieten bereits bis zu 150 kW Ladeleistung. Somit ist nach einer Stunde selbst eine große 100 kWh-Batterie vollständig geladen, bevor ein Zuschlag berechnet wird. An der AC-Säule bekommt man in vier Stunden nicht mal eine 80 kWh-Batterie voll.


11 kW Ladeleistung sind zu schwach

Das verdeutlicht ein anderes Problem: mangelhafter Ladestandard. Es hat sich bei den gängigen Elektroautos ein defacto Ladestandard mit 11 kW Wechselstrom herauskristallisiert. Eine Ladeleistung von 22 kW wird bei etlichen Fahrzeugklassen gar nicht angeboten und wenn nur als aufpreispflichtiges Extra. Dabei liefern viele der öffentlichen AC-Ladesäulen bis zu 22 kW. Das würde die Ladezeit und damit die Standzeit halbieren. Zudem könnte es auch ein anderes Problem lösen: beschränkte Standzeiten. In Hamburg beträgt die maximal erlaubte Parkdauer an einer AC-Ladesäule drei Stunden. Somit lassen sich maximal 33 kW laden. Bleibt der Fahrer länger, riskiert er ein Parkticket.


Mehr Energie gleich mehr Umsatz

Interessant ist auch der Blick von der anderen Seite. Aktuell dürften nur wenige AC-Ladesäulen für den Betreiber wirtschaftlich attraktiv sein. Laut Daten des BDEW, in dem ein Großteile der städtischen Ladeanbieter organisiert sind, liegt die durchschnittliche Auslastung eines guten Standorts bei 20 Prozent. Um es deutlicher zu machen: An einem verkehrsgünstigen Ort ist eine AC-Ladesäule 4,8 von 24 Stunden belegt. Wird der Einfachheit halber auf fünf Stunden aufgerundet, verkauft ein Betreiber (CPO) an einer AC-Ladesäule mit zwei Anschlüssen pro Tag 110 kWh. Das würde beim Maingau-Tarif bedeuten, dass der Bruttotagesumsatz bei 59,40 Euro pro Tag liegt. Die Schnellladesäule mit 150 kW Ladeleistung verkauft in fünf Stunden 750 kWh Energie. Macht einen Tagesumsatz von 480 Euro. Wenn man von einem einzigen CCS-Anschluss an der Säule ausgeht. Selbst damit macht der Betreiber den achtfachen Umsatz. Das bleibt auch so, wenn die Auslastung der Säulen auf 24 Stunden steigt, denn beim Vergleich 11 zu 150 kW wird immer noch die zehnfache Energiemenge verkauft.


Unveränderte Nachfrage

Jetzt sollte man annehmen, städtische Betreiber haben ebenfalls nachgerechnet und stornieren sämtliche Bestellungen von AC-Ladesäulen. Das Gegenteil ist der Fall. „Unser Auftragseingang von städtischen Stromversorgern ist anhaltend hoch", erklärt Jörg Lohr, CEO von Compleo Charging Solutions als Teil der Kostal Group. Zwar bezweifelt auch Lohr, dass eine AC-Ladeinfrastruktur mit dem Hochlauf der Elektromobilität mithalten kann. „HPC wird eine zunehmend größere Rolle spielen", so der Firmenchef, doch das Investment in AC-Ladesäulen ist nun mal erheblich kleiner.

Sollte man also in etwas investieren, nur weil es günstiger ist, der Sinn aber fragwürdig bleibt? Die Schnelllader sind in der Anschaffung deutlich teurer und bei Ladeleistungen über 150 kW benötiget man einen Transformator sowie einen Anschluss ans Mittelspannungsnetz. Das ist in Städten oft unmöglich. Einen Transformator unterirdisch zu platzieren, ist eine Herausforderung und wenn daran nur eine Schnellladesäule angeschlossen wird, weil weiterer Bauraum fehlt, ist das ökonomischer Unsinn. Darum ist in diesem Artikel auch nur von Ladeleistungen bis zu 150 kW die Rede. Experten versichern immer wieder, dass für derartige Leistungen ein Anschluss ans Niederspannungsnetz ausreicht. Zudem haben sich Anbieter wie Ads Tec Energy sowie Volkswagen Components in Kooperation mit E.ON auf Schnelllader mit Batteriespeicher spezialisiert. Dabei werden die Batterien in den nachfrageschwachen Nachtstunden geladen und geben tagsüber die Energie mit hoher Leistung ab.


Bidirektionales Laden

Mit einer Ladeleistung zwischen 50 und 150 kW dürfte auch das Argument der schnelleren Batteriedegradation kaum eine Rolle spielen. Wesentlich ist noch ein Blick in die Zukunft. Dann sollen E-Autos eine wichtige Aufgabe im Energienetz übernehmen. Sie sollen schwankende Leistungen von Sonnen- und Windenergie im öffentlichen Stromnetz ausgleichen. Bei Überschüssen die Energie aufnehmen, ohne dass Anlagen abgeschaltet werden müssen. Und bei zu hoher Energienachfrage den Strom zurück ins Netz speisen. Das wird allerdings mit AC-Ladesäulen nicht funktionieren.

Die europäischen Autohersteller setzen beim Thema Vehicle to Grid (V2G) und Vehicle to Home (V2H) auf Gleichstrom, anders als asiatische Autohersteller. Volkswagen hat die Funktion für seine ID-Reihe bereits 2022 vorgestellt und auch BMW setzt bei der Neuen Klasse ab 2026 auf Gleichstrom bei der Energieabgabe ins Haus oder Stromnetz. Der DC/DC-Wandler im E-Auto bereits heute in der Lage, Energie in beide Richtungen zu leiten. Die AC-Onboard-Charger müssten dafür erst ausgerüstet werden. Volkswagen nennt als Begründung für DC unterschiedliche Netzvorgaben in den einzelnen EU-Ländern. So gibt es unterschiedliche Leistungsschwellen, ab wann eine Wallbox bei Problemen im Stromnetz die Ladeleistung drosseln oder ganz abschalten muss. Für jedes Land müssten andere technische Vorgaben umgesetzt werden. Im schlimmsten Fall würde der Stromer am ausländischen Ferienhaus keine Energie abgeben können. Die bidirektionale Funktion würde nur im Zulassungsland funktionieren.


Wo bleiben DC-Wallboxen?

Wie schwierig die Umsetzung mit DC-Wallboxen ist, belegt ein Blick auf den zeitlichen Verlauf. Volkswagen präsentierte bidirektionales Laden mit dem ID.5 im April 2022. Im System des Fahrzeugs wurde der Energiefluss in beide Richtungen auf wahlweise auf 4.000 Betriebsstunden oder 10.000 kWh begrenzt. Man wollte erst mal Erfahrungen sammeln. Doch bislang fehlt vom Tochterunternehmen Elli das Angebot einer DC-Wallbox für Privatkunden. Diese Wallbox dürfte deutlich teurer sein als bisherige AC-Wallboxen.

Mit der Hager Energy GmbH bietet Volkswagen bereits eine Komplettlösung für HEMS. Das Akronym steht für Home Energy Management Systeme. Sie regeln die Ströme zwischen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, Heimspeicher im Keller und dem E-Auto in der Garage. Dafür muss die Wallbox Gleichstrom aus dem Auto entnehmen und wieder einspeisen können. Einen Preis nennt Volkswagen für die Hardware nicht. Dafür verweist man auf ein Pilotprojekt für bidirektionales Laden in Stenberg. In der Wohnsiedlung im schwedischen Hudiksvall können Teilnehmer ihre VW ID-Autos mit der großen Batterie (77 kWh) für bidirektionales Laden nutzen. Warum ein solches Projekt in Schweden und nicht in Wolfsburg stattfindet, darüber kann man nur spekulieren. Flexiblere Vorschriften bei der Entnahme und Einspeisung von Energie in Stromnetze dürfte vermutlich einer der Gründe sein. In Deutschland ist ein günstiger Nachttarif für Privatkunden noch die Ausnahme.

Onboard-Charger einsparen

Es gibt noch einen weiteren Vorteil beim vollständigen Umstieg auf DC-Laden: Autohersteller könnten sich ein Bauteil, den AC-Onbard-Charger sparen. Der hat in etwa die Größe eines Schuhkartons und wiegt rund 15 kg. Die Hersteller würden Kosten in Höhe von rund 400 Euro sparen. Ob sie die Einsparung direkt an die Kunden weitergeben, bleibt allerdings offen.

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