Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Dongfeng: Mit Pistole im Türgriff nach Europa

Über Stock und Stein mit dem M Hero von Dongfeng

Dongfeng ist einer der ältesten Autohersteller Chinas. Mit seiner elektrischen Oberklasse und einem Offroad-Fahrzeug will er Europa erobern. Ein Besuch in Wuhan.


Die Hallen auf dem Gelände wurden erst im vergangenen Jahr gebaut. Die Rasenflächen zwischen Presswerk, Karosseriemontage und finaler Fertigung sind kurz gestutzt. Daher nennt sich die Auto-Fertigung im Südwesten von Wuhan Mengshi Park. Der gehört zum Dongfeng-Konzern, der hier seinen elektrischen Offroader fertigt.

Während draußen bereits im April 28 Grad Celsius herrschen, ist es in der Final Assembly angenehm kühl und vor allem ruhig. Hier soll ein 3,4 Tonnen schweres E-Auto gefertigt werden? Von Fließbandarbeit keine Spur. Die Arbeiter stehen an Montagestationen. Die Karosserien und Arbeitsmaterialien kommen auf selbstfahrenden Transportern zu den Stationen.

 

Vier Motoren und über 1.000 PS

Die rund 100 Mitarbeiter fertigen pro Tag 20 Exemplare des M Heros. Im ersten Jahr sind 1.500 Stück vorgesehen, später sollen es jährlich 4.000 Fahrzeuge werden. Die Chinesen bedienen mit dem E-Geländewagen das obere Ende der Elektromobilität. Im Heimatland kostet das Auto umgerechnet 90.000 Euro. In der Schweiz ist es für umgerechnet 152.000 Euro zu haben. Vier Motoren liefern 800 kW oder etwas über 1.000 PS Leistung. Mit der 142,7 kWh Batterie schafft der M Hero 450 km (WLTP) und eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h. Mit seiner Bodenfreiheit von 33,5 cm fährt er mühelos über Stock und Stein oder durch 90 cm Wassertiefe. Die Hinterradlenkung schlägt die Räder bis zu 10,6 Grad ein. Das ermöglicht eine „Krebsfahrt“ diagonal zur Fahrbahn und reduziert den Wendekreis des fünf Meter langen Fahrzeugs auf 10,2 Meter. Steigungen bis 45 Grad sind für den M Hero keine Schwierigkeit.

Von den außergewöhnlichen Fahreigenschaften dürfen wir uns nach der Werksführung auf dem präparierten Offroad-Gelände überzeugen. Beeindruckend, doch brauchen Europas Innenstädte ein solches Ungetüm mit 5,10 m Länge und 1,94 m Höhe, möchte man den Dongfeng-Managern zurufen. Vermutlich nicht, aber ein Fahrzeugexport und der Aufbau einer Vertriebsorganisation sind teuer. Bei elektrischen Kleinwagen ist die Margen gering und der Wettbewerb hart. Die Entscheidung kann man also verstehen. Viel Konkurrenz gibt es in dieser Fahrzeugklasse außer der G-Klasse von Mercedes-Benz nicht.

 

Schwert und Pistole

Dongfeng knüpft mit dem Exoten an seine Herkunft. Die kommunistische Regierung veranlasste 1969 die Gründung der Second Automotive Works. Das Unternehmen baute zunächst Nutz- und Militärfahrzeuge. Noch heute werden für das chinesische Militär Geländefahrzeuge produziert. So erinnern die Rücklichter an ein historisches Schwert. Die Türgriffe im Innenraum sehen wie Pistolen aus. Das M im Namen stammt von einem alten Krieger, dessen Helm eine M-Form hatte. Auch für Zusatz Hero hat die Marketing-Abteilung eine Bedeutung geschaffen. Das Akronym steht für High Tech, Electrical, Reform und Offroad. Aber vermutlich soll sich der Fahrer in dem Kraftprotz wie ein Held fühlen.

 

Zweigleisig unterwegs

Aus der Second Automotive Works wurde 1992 Dongfeng, was mit Ostwind übersetzt wird. Das ist auf jeden Fall fantasievoller als der neue Name der First Automotive Works. Die erste Autofabrik in China produzierte bereits seit 1953 Fahrzeuge. Heute kennt man sie unter ihren Initialen FAW. Beide staatlichen Autohersteller gründeten im Laufe der Jahre etliche Gemeinschaftsunternehmen mit westlichen Marken. Bei Dongfeng existieren Joint Ventures mit Honda, Nissan, Kia und dem Stellantis-Vorläufer PSA-Group. Heute arbeiten 176.000 Menschen für den börsennotierten Autokonzern. Rund drei Millionen Fahrzeuge werden jährlich ausgeliefert. Das verteilt sich auf ein halbes Dutzend Marken. Insofern lässt sich eine Parallele zwischen Dongfeng und dem Volkswagen-Konzern ziehen: Beides sind Traditionsunternehmen mit diversen Marken. Beide müssen noch etliche Jahre zweigleisig fahren und neben E-Autos auch Verbrenner und Hybride bauen. Das könnte sich zu einem Nachteil im Wettbewerb mit den jüngeren Neu- und Ausgründungen wie Nio, Xpeng und BYD entwickeln.

 

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