Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Tesla Leidensbericht: Die Mechanik ist das Problem

Björn Schäfer fuhr mit seinem Tesla Model 3 von Fulda nach Hammerfest

Manche Probleme zeigen sich beim Elektroauto erst mit der Zeit. Beispielsweise, wenn Wasser den Bauteilen zusetzt. Bericht eines langjährigen Tesla-Fahrers.

"Tesla sollte bei der Auslieferung von Neufahrzeugen gleich einen Satz Querlenker in den Kofferraum legen", sagt Björn Schäfer. Der IT-Manager aus der Nähe von Fulda ließ den ersten Satz Querlenker nach 40.000 km wechseln. Noch zweimal mussten die Bauteile getauscht werden, bevor er den Wagen verkaufte.


Bei seinem jetzigen Model Y erwartet er "minütlich", das verräterische Quietschen und Knarzen beim Lenken zu hören. "Es ist ein Konstruktionsmangel, weil Wasser auf den Querlenker läuft", sagt Schäfer.

So ein Querlenker sieht aus wie ein großes Hufeisen. Es verbindet die Radaufhängung mit der Fahrzeugkarosserie. Während ein Stoßdämpfer horizontale Kräfte mildert, die auf ein Rad einwirken, ist der Querlenker für die vertikalen beziehungsweise Zugkräfte an der Achsaufhängung verantwortlich. Sie wirken vor allem beim Beschleunigen und Bremsen.

Beim Model 3 und Y läuft Regenwasser von der Frontscheibe über die Haube in den Radkasten und dort auf die beiden Querlenker. Am geschlossenen Ende des Hufeisens befindet sich ein Traggelenk. Auf dessen Oberseite läuft Wasser hinein. Es spült im Laufe der Zeit Schmiermittel aus dem Gelenk und das Metall beginnt zu rosten. Ab dann hört man beim Lenken das Knarzen.


Letzter Platz im TÜV-Report

"Neben Defekten an den Achsaufhängungen weist der Tesla überdurchschnittlich hohe Mängelquoten an den Bremsen sowie an der Beleuchtung auf", heißt es im TÜV-Report 2024. Mit einer Mängelquote von 14,7 Prozent belegt das Model 3 den letzten Platz unter 111 untersuchten Pkw-Typen.

Zwar liegt die Laufleistung nach drei Jahren mit 55.000 Kilometern bei dem E-Auto deutlich über dem Durchschnitt von 41.000, aber andere Vielfahrerfahrzeuge schneiden deutlich besser ab. Bei den E-Autos liegt der VW E-Golf mit 2,6 Prozent Mängelquote an der Spitze, während die Renault Zoe mit 5,1 Prozent das Mittelfeld belegt.

Die Zahl der E-Autos bei der Hauptuntersuchung steigt derzeit sprunghaft an, da Neuwagen nach drei Jahren erstmals zur Prüfung müssen. Das Model 3 aus der Fertigung im kalifornischen Fremont hatte im Frühjahr 2019 seine Premiere in Deutschland. Ende 2019 startete die Fertigung im Tesla-Werk in Shanghai. Diese Fertigungsstätte übernahm dann die Produktion der Model 3 für Europa.

Der TÜV-Report betrachtete 10,2 Millionen Pkw-Hauptuntersuchungen in der Zeit von Juli 2022 bis Juni 2023. Überdurchschnittlich oft wurden Mängel an Bremsen festgestellt. Ein Grund ist die Rekuperation, mit der E-Fahrzeuge Bremsenergie zurückgewinnen.

Die Bremsbeläge werden im Vergleich zu Verbrennern seltener beansprucht, was zu einer Beeinträchtigung der Bremsleistung führen kann. Die Achsaufhängungen sind ein weiterer Schwachpunkt vieler E-Autos. "Die Achsaufhängungen leiden unter dem hohen Gewicht der Antriebsbatterien", sagt Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. "Die Folge sind negative Prüfergebnisse bei der Hauptuntersuchung und teure Reparaturen."


Garantiefall oder nicht?

Nutzer Ticki90 schreibt im Tesla-Fahrer- und Freunde-Forum, ihn habe der Querlenkertausch im Service-Center Frankfurt rund 700 Euro gekostet. Dabei sei sein Model 3 erst 50.000 km gelaufen. Eigentlich sollte der Schaden unter die 80.000-km-Garantie fallen.

Inzwischen hat Tesla das wohl eingesehen, denn jüngere Foreneinträge berichten von einer Kostenübernahme. Auf eine Mailanfrage von Golem.de zum Thema hat Tesla nicht reagiert.

Auch Björn Schäfer berichtet von einem kostenlosen Tausch seiner vorderen Querlenker. Der Zubehörhandel hat inzwischen ebenfalls reagiert. Der Hamburger Ersatzteilanbieter Meyle hat Querlenker für das Model 3 und Y im Sortiment. Dabei ist das Traggelenk auf der Oberseite verschlossen. Wasser dringt hier nicht ein. Zudem hat das Gelenk einen größeren Durchmesser, so dass auftretende Kräfte auf mehr Fläche verteilt werden.


Kaum Regen in Kalifornien

Tesla konstruiert seine E-Autos in Kalifornien. Eine Region, die wenig Regentage und Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts kennt. Vielleicht haben die Modelle deswegen so viele Probleme mit Wasser in seinen unterschiedlichen Aggregatzuständen. Etliche Model 3-Besitzer berichten von Wasser im Kofferraum sowie Kondenswasser in den Heckleuchten.

Im Winter führt Eisbildung zu verschlossenen Türen. Bei den rahmenlosen Türen frieren die Scheiben am Dichtungsgummi fest. Da die Scheiben zum Öffnen der Tür einige Zentimeter nach unten fahren müssen, bleibt bei Eisbelag die Tür eben verschlossen.

Abhilfe schafft eine Garage oder das rechtzeitige Aktivieren der Innenraumheizung. Das hat auch Björn Schäfer schon des Öfteren erlebt. Schlimmer ist für ihn das Wasser in den Türschwellern. "Es geraten Wasser, Sand und kleinere Steine von den vorderen Radkästen durch die Befestigung der Schmutzfänger in den Schweller unter den Fronttüren", berichtet der 51-Jährige. Mit der Zeit dürfte sich dort ebenfalls Rost bilden.


Keine Hohlraumversiegelung

Nach Schäfers Erfahrung haben die Fahrzeuge keinerlei Hohlraumversiegelung. Also holte er das auf eigene Kosten bei beiden Modellen nach. "Beim Model 3 berichtete mir der Mann in der Werkstatt in Kassel, er habe ca. 20 Kilogramm Korrosionsschutzfett mit einer Druckbecherpistole in den Rahmen eingebracht", sagt Schäfer.

Bei seinem Model Y hat er das auch direkt nach der Fahrzeugübernahme machen lassen. Hier konnte er in der Werkstatt von unten einen Blick auf das freigelegte Fahrzeug werfen. "Es stoßen Abdeckungen aus Alu auf Teile aus Eisen als auch Plastik. Der teilweise verklebte Materialmix ist nicht überall formschlüssig. Es gibt kleine Lücken und Stoßkanten, die Schmutz und Wasser durchlassen", erzählt er.

Immerhin sind inzwischen die Preise für die Hohlraumversiegelung gesunken. Während es beim Model 3 im August 2019 noch 1.200 Euro waren, lag die Rechnung beim Model Y bei der Hälfte.


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