Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Ein Blick in den Spiegel genügt und das Auto zieht rüber

Alles grün: Das Auto fährt allein und überholt auch selbstständig bis Tempo 130

BMW integriert in seinen i5 einen Autobahnassistenten für Fahrten bis 130 km/h sowie automatisierte Überholvorgänge. Ein Selbstversuch in Portugal.

Ein Blick in den linken Außenspiegel genügt und der BMW i5 zieht auf die linke Spur der Autobahn. Meine Hände liegen im Schoß. Der Pilot Assist Plus übernimmt die Fahrt bis Tempo 120. Er könnte es sogar bis 130 km/h machen, doch auf der portugiesischen Autobahn ist nicht mehr erlaubt. Ich lehne mich entspannt zurück und genieße den spektakulären Blick von der Vasco-Da-Gama-Brücke über den Tejo in Lissabon.


Auf dem Beifahrersitz sitzt ein BMW-Mitarbeiter, denn die Funktion wurde vom Kraftfahrtbundesamt nur für Deutschland freigegeben. Das Assistenzsystem zählt zum SAE-Level 2. Somit sind die Fahrer für alles verantwortlich. Erst mit Level 3 und dem Einsatz von Lidar-Sensoren geht die Haftung für derartige Fahrfunktionen auf den Hersteller über.

Mercedes-Benz bietet mit seinem Drive Pilot bereits ein System im Level 3, doch der Stauassistent arbeitet nur bis 60 km/h. Der Wettbewerb, wer seine Autos als erstes hochautomatisiert beziehungsweise autonom fahren lässt, ist längst entbrannt. Ford bietet mit Bluecruise ein vergleichbares System zum BMW i5.


Freihändiges Überholen

BMW hat die Technik bereits in der großen 7er-Limousine im Einsatz. Doch bei der Testfahrt im Herbst 2022 musste der Fahrer noch den Blinker für einen Spurwechsel aktivieren. Für die Funktion nutzt der Autohersteller Kameras, Radarsensoren sowie eine HD-Straßenkarte von Here.


Zunächst aktiviert der Fahrer den Abstandstempomaten. Sobald dieser die Spur und den Vorausfahrenden erkennt, schaltet das System auf Grün. Das sieht man im Fahrer- und Head-up-Display sowie an den zwei LEDs im Lenkrad. Nimmt der Fahrer seine Hände vom Lenkrad, ist die Plus-Funktion aktiviert.

Erkennt das System ausreichend Abstand zu nachfolgenden Fahrzeugen auf der linken oder rechten Spur, schlägt es im Head-up-Display einen Spurwechsel vor. Mit einem Blick in den jeweiligen Außenspiegel nimmt man den Vorschlag an und der Wagen wechselt die Spur.

Gibt es keinen Vorschlag, kann der Fahrer mit seinem Blick auch keinen Spurwechsel vollziehen. Man kann aber immer noch auf eigenen Wunsch über den Blinkerhebel einen Überholvorgang initiieren. "Ich bin damit über 70 Kilometer ohne jeglichen Eingriff gefahren. Das war sehr entspannt", sagte BMW-Technikvorstand Frank Weber bei der Präsentation in Lissabon.


Die Testfahrt in Portugal verläuft ebenfalls entspannt, dank wenig Verkehr auf der Autobahn und dem erwähnten Tempolimit. In Deutschland könnte Tempo 130 für Überholvorgänge auf manchen Strecken schon zu knapp ausfallen. Für BMW ist der Autobahnassistent ein Testballon, wie Kunden derartige Assistenzfunktionen annehmen. Für 850 Euro erhält man Pilot Assist Plus für zunächst zwei Jahre. Wie der Preis für eine Verlängerung aussieht, steht noch nicht fest.

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