Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

7 Abos und 1 Abonnent
Artikel

Toyotas Suche nach der Zukunft

Toyota Ventures investiert in Revel

Mit Toyota Ventures finanziert der japanische Autohersteller derzeit 70 Start-ups. Nach welchen Kriterien sucht Toyota nach Investitionsmöglichkeiten?

Auf den ersten Blick wirkt die Geschäftsstrategie überraschend. Revel verleiht Elektromopeds in Städten an der US-Ostküste. Nach dem Start wurde der Service um einen Fahrdienst mit Chauffeur in E-Autos von Tesla ergänzt. Inzwischen bietet das Unternehmen ein öffentliches Schnellladenetzwerk in New York an.

„Als die Gründer uns das Konzept präsentierten, waren wir zunächst skeptisch, sind den Weg dann mitgegangen. Durch das Geschäft mit E-Fahrzeugen kennen sie die Anforderungen an eine öffentliche Ladeinfrastruktur", sagt Jim Adler. Noch werden die Schnellladepunkte vorwiegend von den blauen Revel-Autos genutzt. Doch sobald die Adaption privater E-Autos in Großstädten anzieht, wird Ladeinfrastruktur zur Cash Cow. „Für mich ist es ein gutes Beispiel für die Erweiterung der eigenen Plattform", sagt Adler. In einem Vortrag nennt der Gründer und Geschäftsführer von Toyota Ventures drei Aspekte für den Erfolg in der digitalen Welt: Plattformgeschäft, Bündelung und Disruption.

Wer seine Plattform in Geschäftsbereiche erweitert, mit denen er sich auskennt, hat große Chancen auf Erfolg. Für ihn ist Amazons AWS, also das Geschäft mit den Rechenzentren ein gutes Vorbild. Ein funktionierendes Rechenzentrum ist Voraussetzung für erfolgreiche Online-Aktivitäten. Also öffnete Amazon diese technische Dienstleistung für Dritte und verdient damit heute viel Geld.

70 Investitionen in Start-ups

Toyota Ventures ist Risikokapitalgeber und Talentsucher. „Wir sind eine durchlässige Menbranschicht zwischen dem Konzern mit seinen über 370.000 Angestellten und der innovativen Welt der Start-ups", beschreibt es Adler. Seit dem Start im Jahr 2017 wurden rund 500 Millionen Dollar investiert. Davon stecken 355 Millionen Dollar in Frontier-Fonds, die autonomes Fahren, Robotics, Fintech, künstliche Intelligenz sowie Smart Cities abdecken.

Der Climate-Fonds deckt mit 150 Millionen Dollar die Bereiche erneuerbare Energie, Nachhaltigkeit, Batterien sowie die Einbindung des E-Autos ins Energienetz ab. Von 7.400 geprüften Neugründungen erhielten bislang 70 Beteiligungen von Toyota Venture. Bislang gab es vier erfolgreiche Exits in Form von Verkäufen oder Börsengängen.

Als zweites Erfolgsgeheimnis sieht Adler den periodischen Wechsel zwischen Bündelung und Entflechtung. Die Musikbranche hat Lieder auf Schallplatten und CDs gebündelt, auch wenn Kunden sich nur für drei Lieder des Künstlers interessierten. Mit iTunes und Musik-Streaming kam die Entflechtung der Musikpakete.

In der Autoindustrie bauten zu Beginn die Hersteller das komplette Auto. Danach folgte eine Entflechtung und Verlagerung auf Zulieferer. Die Hersteller sparten Geld. Doch gleichzeitig verlangsamte sich die Innovationsgeschwindigkeit, weil man weder Zugriff noch Know-how bei allen Bauteilen hatte.

Vertikal integriert

Die Vorteile eines vertikal integrierten Autoherstellers sieht man aktuell bei Tesla. Darum freut es Adler, dass ihre Beteiligung Joby genauso agiert. Der Hersteller eines elektrischen Senkrechtstarters (VTOL) baut vom Motor bis zu den Carbon-Teilen des Flugobjektes alles in Eigenregie. Das erhöht die Kosten, senkt aber die Entwicklungszeit. Im Wettbewerb der Start-up sei Zeit wichtiger als Kosten, argumentiert Adler.

Sein dritter Punkt ist die bereits häufig zitierte Disruption. Sie ist der Grund, warum der japanische Autohersteller sich für einen Risikokapitalgeber entschied. „Die Entscheidungswege und Budgetverteilungen in großen Unternehmen verhindern Disruption", sagt Adler und präsentiert Zahlen aus dem US-Aktienindex S&P. Im Jahr 1958 war ein Unternehmen durchschnittlich für 61 Jahre in dem Index notiert. Heute sind es nur noch 18 Jahre. Schon 2027 werden 75 Prozent der aktuellen Unternehmen aus dem Index verschwunden sein.

Toyota selbst ist ein Beispiel für Disruption. In den 1933er Jahren baute Kiichiro Toyoda das Unternehmen seiner Familie von einem Webstuhlproduzenten zum Autohersteller um. Mitte der 1980er Jahre sprach noch niemand von Disruption, doch genau das tat Toyota mit der US-Autoindustrie. Die Japaner eroberten die USA mit günstigen, sicheren und zuverlässigen Autos, die bei den Kunden gut ankamen. Adler, der 25 Jahre Erfahrung in der Venture Capital Branche mitbringt, sieht seine Aufgabe darin, Unternehmen zu identifizieren, die den Autohersteller nun zu einem Mobilitätsanbieter mit emissionfreien Lösungen transformiert.

(ID:49694545)

Zum Original