Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Alpitronic gewinnt immer mehr Anteile am Lademarkt

Montage von Schnellladesäulen bei Alpitronic in Bozen

Schnelllader-Hersteller Alpitronic gewinnt immer mehr Anteile am Lademarkt

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Schnellader müssen zuverlässig funktionieren. Falls es Probleme gibt, sollte man sie aus der Ferne lösen können. Scheinbar macht das Alpitronic besonders gut, denn ihre Ladesäulen sieht man immer häufiger in Ladeparks.

Fastned, EnBW, EWE Go, Aral, E.ON und demnächst auch Ionity. An immer mehr Ladeparks sieht man die abgerundete Form der Alpitronic-Schnelllader. Das Unternehmen aus dem norditalienischen Bozen entwickelt sich zum Primus der Ladebranche. Lag die Zahl der verkauften Ladesäulen im vergangenen Jahr bei 10.000 Stück, rechnet Alpitronic in diesem Jahr mit dem Doppelten.

In der Zentrale hängt am Empfang ein Monitor mit einer Europa-Karte. Die bunten Pins stecken in Deutschland so eng, dass es schwerfällt, einzelne Orte zu erkennen. „Beim Absatz macht Deutschland derzeit noch den Löwenanteil aus, aber die anderen Märkte holen auf ", sagt Gründer und CEO Philipp Senoner im Gespräch. Es folgen Österreich, Italien, Dänemark und die Niederlande. Bei Fastned in den Niederlanden steht die Rekord-Ladesäule mit 20.000 erfolgreich abgeschlossenen Ladevorgängen in einem Jahr. Das macht 55 Ladevorgänge pro Kalendertag. „In Nordeuropa sehen wir inzwischen einige Ladesäulen mit 60 Ladevorgängen pro Tag", so Senoner.

Neben verfügbarer Ladeleistung geht es darum, dass eine Ladesäule immer funktioniert. „Zuverlässigkeit ist zu unserem Markenzeichen geworden", sagt der 44-jährige. Als Grund sieht er in erster Linie die Fertigungstiefe. Insbesondere die Leistungsmodule werden in seinem Unternehmen entwickelt und hergestellt. Jeder fünfte Mitarbeiter ist Entwickler für Hard- oder Software. Senoner und seine drei Mitgründer haben alle einen technischen Hintergrund. Gemeinsam gründen sie 2009 die Firma, um Leistungselektronik für Autohersteller anzubieten. Ab 2016 erkennen sie die Marktchancen für schnelle Ladelösungen und schwenken um.

Laden mit bis zu 400 kW

Inzwischen ist die Produktion der DC-Schnelllader auf fünf Standorte in der Stadt verteilt. Nach jedem Fertigungsschritt wird zunächst die Leistungselektronik, dann die Power-Stacks und zum Abschluss die komplette Ladesäule auf Funktionalität getestet.

Eine Ladesäule vom Typ HYC 300 enthält vier Power-Stacks, die jeweils 75 kW Ladeleistung liefern. Die Energie wird granular über die Stacks verteilt. „Mithilfe dieser Granularität können wir die benötigte Ladeleistung auf zwei Anschlüsse verteilen", sagt Senoner. Lädt an einem CCS-Anschluss ein E-Auto mit 800 Volt-Technik, bekommt es die volle Leistung der vier Stacks. Wird eine zweites Fahrzeug angeschlossen, wird die Ladeleistung gleichmäßig bzw. nach den jeweiligen Anforderungen der E-Fahrzeuge verteilt. Ist es ein E-Auto mit geringer Ladeleistung, wird nur ein Stack verwendet und das 800 Volt-Fahrzeug lädt weiterhin mit bis zu 225 kW.

Inzwischen hat Alpitronic auch Ladeleistungen bis zu 400 kW im Angebot. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz im so genannten Deutschlandnetz. Hier wird für jeden Ladepunkt eine Leistung von 200 kW vorausgesetzt. Der Schlüssel für diesen Leistungssprung heißt Siliziumkarbid. Bislang setzt man auf Silizium-Transistoren (IGBT) in der Leistungselektronik. Sie schalten bei der Umwandlung von Wechsel- zu Gleichstrom mit einer Frequenz von rund 18 kHz. Auf der Eingangsseite fließt Wechselstrom in die Ladesäule. Mit jeder Schaltung in den Transistoren wird daraus Gleichstrom. Die Umwandlung ist jedoch mit Verlusten verbunden, die sich in Wärme niederschlägt. Jeder E-Autofahrer kennt das Lüftergeräusch an Schnellladesäulen.

Mit dem neuen Verbundmaterial Siliziumkarbid, das aus Silizium und Kohlenstoff besteht, wird bis zu 50.000 mal pro Sekunde im Transistor geschaltet (50 kHz). Das erhöht die Ladeleistung und senkt gleichzeitig die Wärmeentwicklung. „Mit dem HYC 400 realisieren wir bislang unerreichte Maßstäbe hinsichtlich Effizienz mit einem Wirkungsgrad von 97 Prozent. Wir halbieren damit den Wärmeverlust," sagt Senoner. Ladeverluste werden reduziert und die Lüfter können langsamer und damit auch leiser rotieren.

Aus der Ferne helfen

Der zweite Punkt für den Unternehmenserfolg ist die Fernwartung. Der Betreiber kann über eine Mobilfunkverbindung Abrechnung, Diagnose als auch Software-Updates abwickeln. Eine zweite SIM-Karte ermöglicht Alpitronic einen Zugriff aus der Ferne. Über Musterkennung zeichnen sich Ausfälle häufig bereits ab, bevor sie eintreten. „Zudem schaffen wir es, bei etwa 70 Prozent der Fälle, wenn mal etwas nicht läuft, aus der Ferne einzugreifen und die Säule wieder zum Laufen zu bringen", sagt Senoner.

Sollte eines Tages der Markt für Ladesäule gesättigt sein, hat Alpitronic mit seinem Serviceangebot eine zweite Einnahmequelle. Für manche Kunden übernehmen sie schon heute über die Garantiezeit hinaus das Monitoring und die Wartung. Doch noch wächst der Markt in Europa. Insbesondere in Süd- als auch Osteuropa gibt es noch etliche „weiße Flecken" auf der Landkarte. Hier dürfte die europäische AFIR helfen, die Verordnung sieht vor, dass entlang der wichtigsten Verkehrskorridore innerhalb der EU alle 60 Kilometer Lademöglichkeiten (mind. 150 kW) errichtet werden.

Doch aktuell schaut Senoner über den großen Teich in die USA. Dank Inflation Reduction Act (IRA) der Biden-Regierung und dem kürzlich angekündigten Ladenetzwerk von sieben Automarken ist der nordamerikanische Markt im wahrsten Sinne unter Hochspannung. Alpitronic hat bereits eine Niederlassung in Charlotte, North Carolina, gegründet. Auch eine Fertigung der Schnellladesäulen wird in den USA aufgebaut, denn wie bei den E-Autos verlangt der IRA lokale Produktion.

Elektrische Lkw

Bei diesem Wachstumstempo drängt sich eine Frage auf: Wann kommt der Alpitronic Börsengang? „Gar nicht", sagt Senoner. Er ist mit der Rechtsform der GmbH glücklich. Es gibt keinen weiteren Kapitalbedarf und der Ingenieur scheut die umfassendere Berichtspflicht einer Aktiengesellschaft. Für ihn steht aktuell die Suche nach einer geeigneten Fläche im Umland von Bozen auf der Agenda, damit ein Großteil der über 700 Mitarbeiter nur noch an einem einzigen Ort zusammenkommen. Ein neuer Standort würde auch zukünftiges Wachstum erleichtern.

Mit dem MCS entwickelt sich derzeit ein Standard für das Laden von Nutzfahrzeugen. Senoner schätzt, dass man 2025 erste Fahrzeuge sehen wird, die Megawatt-Charging mit 1.000 Kilowatt Ladeleistung nutzen können. „Die Umstellung auf Elektroantrieb dürfte bei Lkw schneller verlaufen als bei Pkw. Eine Zugmaschine wird nach rund fünf Jahren Betrieb ausgetauscht", sagt Senoner. Sollte mittelfristig der Preis für Energie entsprechend niedrig ausfallen, dürfte sich der Umstieg von Diesel zu Strom für eine Spedition schnell rechnen, ist der Alpitronic-Chef überzeugt.

Eine Erweiterung der Produktpalette für das Laden zuhause schließt Senoner aus. „ Wallboxen enthalten keine Leistungselektronik und das ist unser Spezialgebiet", sagt der CEO. Das die Zukunft des Schnellladens kabellos, also induktiv erfolgt, bezweifelt er. „Im Heimbereich für AC-Laden kann ich mir es vorstellen, aber für höhere Ladeleistungen wollen die Fahrzeughersteller sicher keine großen und schweren Spulen in ihre Autos einbauen", lautet seine Einschätzung. Wie sich das Laden selbstfahrender Fahrzeuge entwickelt, bei denen keine Fahrer beim Laden dabei ist, bleibt noch offen.

Preisanzeige auf dem Monitor

Zukünftig kann sich Senoner jedoch Schnellladeparks mit deutlich kleineren Ladesäulen vorstellen. „Hierbei werden Leistungseinheit und Anschlusskabel voneinander getrennt", sagt er. Ein noch ungelöstes Thema ist die Preisanzeige an Schnellladesäulen. Aufgrund von Roaming-Ladekarten ist eine genaue Preisanzeige am Monitor unmöglich. „Die Protokolle geben das noch nicht her. Doch über kurz oder lang muss die Schnellladesäule vorab einen Kilowattpreis anzeigen, das funktioniert in den USA schon besser", sagt Senoner.

Er bevorzugt auf seinen Fahrten mit dem E-Auto eine Smartphone-App, doch für seine Kunden bietet er die Bezahlung per Ladekarte, App als auch Kreditkartenleser an. Spätestens beim Kreditkarteneinsatz, der für neue Ladesäulen ab Sommer 2024 in Deutschland vorgeschrieben ist, will der Nutzer ohne Ladevertrag vorab wissen, was ihn die Kilowattstunde kostet.

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