Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Laden in Mehrfamilienhäusern: Nicht jede Förderung hilft

Per Pöhl (li.) und Bernhard Rönsberg elektrisieren Tiefgaragen in Mehrfamilienhäusern

Ladeinfrastruktur Laden in Mehrfamilienhäusern: Nicht jede Förderung hilft

In der heimischen Tiefgarage zu laden, ist die bequemste und günstigste Lösung. Doch bei der Installation einer Wallbox treffen Einzelpersonen oft auf Hürden. Die NWG Charging macht ein Geschäft daraus, die Hindernisse in Mehrfamilienhäusern zu überwinden.

Brandgefahr, Wanddurchbrüche, Aufteilung der Kosten. Die Bedenken von Eigentümergemeinschaften bei der Wallbox-Installation sind vielfältig. Der Gesetzgeber hat bereits einiges getan, doch in der Praxis bestehen noch Hürden, berichtet Per Pöhl bei einer Vor-Ort-Besichtigung in der Hamburger Hafencity. Zusammen mit Bernhard Rönsberg teilt sich Pöhl die Geschäftsführung der NWG Charging GmbH in Hamburg. Gemeinsam treiben sie bundesweit die Installation von Lademöglichkeiten in Mehrfamilien- und Bürohäusern voran. Allein in der Hamburger Speicherstadt laufen derzeit vier ihrer Projekte. „Wir liefern von der Machbarkeitsstudie bis zum finalen Betrieb alles aus einer Hand", sagt Pöhl.

In der Neubautiefgarage in der Überseeallee sind rund 40 Alfen-Wallboxen installiert. Auf den zwei Parkebenen gibt es knapp 200 Stellplätze. „Wir verfolgen hier einen Make-Ready-Ansatz", sagt Pöhl, „Innerhalb kürzester Zeit könnten alle Stellplätze mit Wallboxen ausgestattet werden." In einem Bürohaus in der Osakaallee hat NWG Charging eine so genannte Stromschiene verbaut. Daran sind die ersten zehn Wallboxen installiert. Kommen weitere hinzu, wird die Schiene verlängert. „In einer Ladegruppe können bis zu 20 Wallboxen an einer Ladeschiene hängen", sagt Pöhl. Jeder Besucher des Hauses kann mit seiner Ladekarte oder über einen QR-Code den Ladevorgang starten und bezahlen.

Dicke Bretter bohren

Nicht überall lässt sich die Stromversorgung in Mehrfamilienhäuser so leicht erweitern wie in dem Neubaugebiet Hafencity. In dem Wohngebäude an der Überseeallee installierte Stromnetz Hamburg drei zusätzliche Hausanschlüsse. NWG Charging installierte die Schalt- und Verteilerkästen, durchbohrte Wände und Decken für die Kabel und montierte die Wallboxen. Sie lassen sich mit eine Ladekarte von NWG Charging oder frei erhältlichen Ladekarten nutzen. Die Abrechnung im Backend übernimmt Pöhls Unternehmen. Das System funktioniert mit einem dynamischen Lastmanagement. Die verfügbare Energiemenge wird in Echtzeit aus der Differenz zwischen der Eingangskapazität und dem aktuellen Hausverbrauch errechnet. Diese Leistung verteilt sich gleichmäßig auf die aktiven Ladevorgänge.

Was sich so einfach liest, hatte einen langen Anlauf. Schließlich mussten alle Mieter die Kosten für die Netzanschlusserweiterung sowie die Verkabelung der zwei Parkebenen tragen. Da gilt es, Überzeugungsarbeit in der Eigentümerversammlung zu leisten: Warum soll ich für etwas bezahlen, was ich nicht nutze? Wie verhält es sich mit der Gewährleistung in dem Neubau, wenn Kernbohrungen für die Kabel gemacht werden?

Immobilienwirtschaft zeigt Interesse

Wer eine Wallbox in der Tiefgarage nutzen möchte, zahlt 3.500 Euro für die Verkabelung bis zum Stellplatz sowie die eichrechtskonforme Wallbox. „Die Box gehört dann dem Nutzer", sagt Pöhl. Natürlich gab es hier Versuche, seine eigene Wallbox installieren zu wollen. Doch damit wäre die gemeinsame Orchestrierung bei Abrechnung und Lastmanagement dahin.

So schwer manchmal die Gespräche mit den Eigentümern verlaufen, so offen zeigen sich die eigentlichen Auftraggeber von NWG Charging. Das sind Immobilienfonds und -entwickler, die von den Hamburgern angesprochen werden, noch bevor Beton gegossen wird. „Die wissen genau, was die Stunde geschlagen hat. Dabei hilft uns auch der Gesetzgeber", sagt Pöhl. Es sind bürokratische Wortungetüme, doch NWG Charging verleihen sie kräftigen Rückenwind. Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz als Teil der WEG-Reform als auch das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) helfen dem Geschäft. Letzteres sieht die Installation einer Leitungsinfrastruktur für Elektromobilität in neu errichteten Wohngebäuden vor.

Während Immobilienwirtschaft und Gesetzgeber den Weg bereiten, legen die Regularien der unterschiedlichen Netzbetreiber NWG Charging noch Steine in den Weg. „Es gibt in Deutschland knapp 700 Netzbetreiber und die haben unterschiedliche Anforderungen, beispielsweise wie ein Schaltschrank auszusehen hat", sagt Bernhard Rönsberg.

Shell mit an Bord

Das sei ärgerlich und verhindere den Großeinkauf von Materialien, doch das Wachstum des Hamburger Unternehmens kann es nicht bremsen. Im vergangenen Jahr ist die Belegschaft von 7 auf 31 Mitarbeiter gewachsen. Die beiden Geschäftsführer gründeten ihr Unternehmen 2014 als NWG Power. „Wir sind als Energieversorger angetreten", berichtet Pöhl. 2021 wollte sich Shell am Heimladebereich beteiligen. Die beiden Geschäftsführer spalteten das Geschäft in der NWG Charging GmbH ab und nahmen den Energiekonzern als Wachstumsinvestor auf.

Für die Zukunft elektrisieren Rönsberg und Pöhl zwei Begriffe: Mieterstrom und bidirektionales Laden. „In München installieren wir auf 30 Hausdächern in einem Quartier Photovoltaikzellen. Die Energie nutzen wir für Wallboxen auf den 1.000 verfügbaren Stellplätzen", sagt Pöhl. Mieterstrom, also die Energieproduktion auf dem Dach spielt auch in Hamburg eine große Rolle, denn in der Hansestadt müssen alle Neubauten mit Solarzellen ausgestattet werden.

Das gilt ab 2025 auch bei Dacherneuerungen. „Das ist für uns spannend, weil es keine günstigere Stromproduktion gibt. Zudem entlasten wir die öffentlichen Netzte, sparen Netzentgelte und liefern garantiert Ökostrom", sagt Pöhl. Außerdem haben E-Autos lange Standzeiten in den Tiefgaragen. Hier kommt bidirektionales Laden ins Spiel. Die Batterien in den Fahrzeugen dienen zu Pufferspeicher. Sie nehmen Energie auf, bis die in den Wohnungen oder im Netz benötigt wird.

Förderprogramme als Bremse

Für eine derartige Kombination aus PV-Anlage und Speicher entwirft das Bundesverkehrsministerium aktuell die Details für ein 500 Millionen Euro-Förderprogramm. Doch Pöhl und Rönsberg sprechen sich klar gegen staatliche Förderung aus. „Das führt nur zu Mitnahmeeffekten und bremst die Entwicklung", sagt Rönsberg. Verantwortliche halten Investitionsentscheidungen zurück, bis alle Details der Förderung feststehen. Dann gäbe es einen Boom und es folgt das böse Erwachen. Das ist nach der Wallbox-Förderung aktuell an den finanziellen Schwierigkeiten einiger Wallbox-Hersteller abzulesen.

Was das Geschäft von NMW Charging kurzfristig dämpfen könnte, ist der Rückgang der Bautätigkeit. Gestiegene Baukosten und Zinsen lassen die Zahl der Neubauanträge spürbar sinken. Außerdem gibt Rönsberg offen zu: Ladeinfrastruktur in Wohngebäuden ist noch ein reines Großstadtthema.

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