Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

7 Abos und 1 Abonnent
Artikel

Nio ET5: Schnellwechsler für die gehobene Mittelklasse

Ein Nio ET 5 in der Batteriewechselstation am Ladepark Seed & Greet in Hilden (NRW)

Eine erste Probefahrt im Nio ET5 war aufschlussreich: Die Elektrolimousine erinnert optisch an das Model 3 von Tesla. Doch der Wagen ist größer und seine Ausstattung konkurriert mit teuren Premium-Modellen.

Jetzt ist das Trio komplett. Im Oktober 2022 startete der chinesische Hersteller mit seiner Oberklasse-Limousine (ET7) in Deutschland. Hinzu kam ein SUV (EL7) und nun folgt die Mittelklasse-Limousine (ET5).

Sie ist preislich der günstigste Einstieg in die Nio-Welt, in der die Chinesen einiges anders machen: Neben dem Laden mit Kabel kann man die Batterie wechseln. Ein Nutzer-Beirat liefert Ideen für die Weiterentwicklung der Fahrzeuge. Die Nio Houses sind Ausstellungsflächen, aber vor allem Treffpunkt für Vorträge, Seminare und Diskussionen. Bislang gibt es Nio Houses in Berlin und Frankfurt. Demnächst folgt Düsseldorf und aus der temporären Niederlassung in Hamburg wird bald ein fester Standort in der Innenstadt. Fehlt noch ein Nio House in Süddeutschland.

Wer kauft, kann nicht tauschen

Auch beim Verkauf geht Nio neue Wege. Eigentlich wollte Deutschland-Geschäftsführer Ralph Kranz die Wagen nur im Abo anbieten. Doch die Interessenten verlangten alle Optionen, somit kann man nun kaufen, leasen, finanzieren und abonnieren.

Der ET5 startet bei 47.500 Euro. Das ist der Kaufpreis ohne Batterie. Im Mietmodell kostet die 75 kWh Batterie 169 Euro und die 100 kWh-Version 289 Euro pro Monat. Beim Abo gibt es eine Flex- und eine Fix-Option. Bei Fix abonniert man den Wagen über eine Laufzeit von drei Jahren für 999 Euro pro Monat. Bei Flex beträgt die Mindestlaufzeit einen Monat und startet bei 1.238 Euro. Hält man den Wagen länger, sinkt die Rate mit jedem Monat.

Das Abo-Modell umfasst Zulassung, Versicherung, Wartung, Winterräder, Abholung im Servicefall sowie Batterietausch. „Wir geben unseren Kunden mit dem Abo-Modell ein Komplettpaket und nehmen die Sorge um die Batteriegesundheit", sagt Christian Wiegand, Nios Marketingchef in Deutschland.

Der Batterietausch ist bis Jahresende für alle Nio-Modelle kostenlos. Lediglich beim Kauf ist der Batteriewechsel ausgeschlossen. Hier kostet die kleine Batterie 12.000 Euro und die große 21.000 Euro. Das ist ein enormer Preissprung für 25 kWh mehr Speicherkapazität. Die Erklärung liegt in der Zellchemie. Die 75 kWh-Batterie besteht aus einer Kombination unterschiedlicher Zellen. Hier kommt Lithium-Eisenphosphat (LFP) als auch Nickel-Mangan-Kobalt (NMC) bei den Aktivmaterialien zum Einsatz. LFP-Zellen sind günstiger und etwas robuster im (Lade-)Einsatz. So kommt die kleine Batterie auf maximal 140 kW Ladeleistung am Schnelllader. Die große Batterie macht bei 125 kW Schluss. Sie besteht ausschließlich aus den teureren NMC-Zellen.

Schleppende Expansion der Wechselstationen

Auf unserer Rundtour um Düsseldorf mit dem ET5 wollen wir natürlich den Batteriewechsel ausprobieren. Die Station am Ladepark Seed & Greet in Hilden ist nur 15 Kilometer entfernt. Bislang betreibt Nio noch eine weitere Wechselstation am Sortimo Ladepark in Zusmarshausen. Eine dritte in Berlin-Spandau wartet auf ihre Genehmigung.

Laut Wiegand gibt es in Europa bislang 14 Wechselstationen (Power Swap Station). In Deutschland geht der Ausbau langsam voran, weil jedes Bundesland, jede Gemeinde eigene Vorschriften für die Zulassung der neuartigen Bauten hat. Darum koopiert Nio mit der EnBW. An 20 Ladeparks des Energieversorgers wird Nio Wechselstationen errichten.

Schon beim Start in Düsseldorf zeigt uns der 12,8 Zoll große Bildschirm in der Mitte, wie viele Batterien in Hilden zur Verfügung stehen und wie viele Nutzer auf einen Wechsel warten. Derart präzise Informationen zur Auslastung klassischer Ladesäulen würde man sich in E-Autos anderer Hersteller wünschen.

Sehr gutes Platzangebot

Wir fahren zunächst von Düsseldorf aus einen großen Bogen durch das Neandertal. Von außen erinnert die Form an das Model 3 von Tesla, doch der Nio ET5 ist breiter, höher und mit 4,79 Metern zehn Zentimeter länger. Diese Ausmaße genießt man im Inneren in Form von Bein- und Kopffreiheit. Über unseren Köpfen lässt ein 1,28 Quadratmeter großes Glaspanoramadach viel Sonnenlicht hinein.

Einstellbare 12-Wege-Frontsitze sind Standard, optional gibt es 14-Wege-Sitze. Darauf sitzen wir und sie verfügen über eine Massagefunktion. Per Sprachbefehl an Assistentin Nomi blasen sich die Luftkissen im Rücken auf. Auch die Frage nach dem Wetter beantwortet Nomi gut, doch sämtliche weitere Fragen und Wünsche an diesem Tag versteht sie nicht und bittet uns, sie später zu wiederholen.

Nomi wird im ET5 in zwei Versionen angeboten. Es gibt die Kugel (Mate) mit Display auf dem man zwinkernde Augen oder eine winkende Hand sieht. Wer die Visualisierung des Sprachassistenten nicht mag, entscheidet sich für die Halo-Variante. Der flache, ins Armaturenbrett integrierte Lautsprecher ist lediglich von einem LED-Leuchtband umgeben.

Verbesserte Verkehrsschilderkennung

Während Nomi noch Training benötigt, hat sich die Verkehrsschilderkennung mit einem Update des Betriebssystems Banyon enorm verbessert. Im SUV EL7 klappte die Erkennung fast nie, da das System in erster Linie auf veraltete Kartendaten zugriff. Inzwischen nutzt Banyan die Kameraerkennung und die funktioniert auf unserer Proberunde perfekt. Das geht auch zurück auf Rückmeldungen des Nutzer-Beirats. Diesmal ist auch Nomi bei ihren gesprochenen Warnungen bezüglich Fahrweise und Verkehrssituation zurückhaltender.

Eventuell hat auch hier das Nutzer-Feedback geholfen. Allerdings warnt das System im Fahrerdisplay optisch und akustisch bereits bei geringsten Geschwindigkeitsüberschreitungen. Zum Glück lässt sich das im Menü deaktivieren.


Zum Original