Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Realtest: Öffentlich Laden in Hamburg

Der Schnelllader in Hamburg-Eimsbüttel ist seit über einem halben Jahr defekt

Die meisten E-Auto-Besitzer sind in Großstädten auf öffentliche Ladesäulen angewiesen. Mit steigenden Zulassungszahlen stellen sich die Fragen: Wie viele Ladepunkte werden benötigt? Ist Normal- oder Schnellladen besser für die Stadt geeignet? Ein Selbstversuch in Hamburg.

Ladesäule Nr. 741 ist tot und das schon seit mehr als einem halben Jahr. Die beiden Parkplätze vor der Schnellladesäule in Hamburg-Eimsbüttel haben sich Autofahrer - egal mit welchem Antrieb - als gewöhnliche Parkplätze zurückerobert. Im Sommer 2022 war die Säule mal kurzzeitig mit einer Hülle verdeckt, die auf den Defekt hinwies. Lustigerweise hat sie in dieser Zeit bei mir funktioniert. Jetzt steht sie wieder unverhüllt da und ihr Bedienfeld bleibt dunkel.

Es ist ein trauriges Bild, zumal Deutschlands zweitgrößte Stadt im Laderanking des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft stets unter den Top 3 in Sachen öffentliche Ladeinfrastruktur auftaucht. Laut Auskunft des Betreibers Stromnetz Hamburg sind aktuell 1.440 städtische Ladepunkte in Betrieb. Bis Ende 2025 soll die Zahl auf 2.000 ansteigen. Private Betreiber bieten derzeit rund 500 Ladepunkte in der Hansestadt. Aber nicht nur Masse zählt, die Infrastruktur muss auch gepflegt werden.

Mehr Glückspielautomat als Ladesäule

2017 gewann der australische Hersteller Tritium eine Ausschreibung und durfte 52 Veefil-UT Schnellader in Hamburg aufstellen. Hier kann man per CCS- oder Chademo-Stecker mit bis zu 50 kW laden. Nur war Nr.741 schon immer mehr Glückspielautomat als Ladesäule. Hatte ich Glück und es floss Energie in die Batterie, blinkte das Bedienfeld wild und bunt. Mich erinnerte das an die Glückspielautomaten mit den drei Scheiben in den Eckkneipen. Hatte man Pech, musste man die telefonische Hotline des Betreibers kontaktieren. Entweder kam ich nicht durch, landete auf einem Anrufbeantworter oder die Mitarbeiter zeigten maximales Desinteresse an meinem Problem.

„Der Ausfall ist uns bekannt", lautet die Antwort der Pressesprecherin von Stromnetz Hamburg auf meine Frage nach dem Grund für die lange Ausfallzeit. Der Hersteller arbeite noch an einer Lösung. Gleichzeitig hat Stromnetz Hamburg begonnen, die ersten defekten Schnelllader durch neue HPC-Lader mit bis zu 150 kW Ladeleistung zu ersetzen. Der Prozess soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein.

„Natürlich Schnelllader"

In der Hansestadt haben E-Auto-Fahrer also die Wahl: 50 oder 150 kW mit Gleichstrom in wenigen Minuten laden oder stundenlang an einen Normallader stehen. Der liefert zwar bis zu 22 kW Wechselstrom, doch die meisten E-Autos nehmen nur 11 kW an. Für den anstehenden Hochlauf der Elektromobilität stellen sich zwei Fragen: Wie viele Ladesäulen benötigt man und was ist das richtige Ladetempo in der Stadt? „Natürlich Schnelllader. In wenigen Minuten laden Sie ausreichend Reichweite für Ihre Alltagsfahrten der nächsten ein bis zwei Wochen nach. So können auch Menschen ohne Lademöglichkeit zuhause oder am Arbeitsplatz ohne Weiteres ein E-Auto fahren", sagt Volker Rimpler, Vice President Construction & Rollout E-Mobility bei EnBW.

„Die Stromnetze in den Innenstädten geben die notwendige Anschlussleistung für High Power Charging gar nicht her", hält Henrik Thiele dagegen. Er ist Geschäftsführer des Münchner Ladeanbieters Qwello. Die längere Ladezeit ist für ihn kein Argument: "Ein Auto steht etliche Stunden pro Tag." In Städten sind Parkplätze knapp und genau das bietet Qwello in Kombination mit einem Wechselstromanschluss. In Berlin, Hamburg und München können Kunden ihren Ladeplatz für 15 Minuten reservieren. Mit 0,37 Euro pro Kilowattstunde gibt Qwello den grünen Ladestrom fast zum Einkaufspreis weiter. Das Unternehmen verdient sein Geld mit der Reservierungsgebühr (1 Euro) sowie der Parkgebühr von 0,02 Euro pro Minute - also 1,20 Euro pro Stunde. In der Zeit von 21 bis 7 Uhr morgens werden maximal drei Stunden berechnet. Es ist schwer vorstellbar, dass dieses Preismodell profitabel funktioniert. Für das Parken am Straßenrand, direkt neben den vier Qwello-Ladesäulen im Stadtteil Hoheluft-Ost, verlangt die Stadt drei Euro pro Stunde. Es ist also deutlich günstiger an der Ladesäule zu parken ohne zu laden.

Ladeleistung: Man bekommt das E-Auto nicht voll

Der Idee macht die Stadt Hamburg einen Strich durch die Rechnung. Egal ob bei Qwello oder Stromnetz Hamburg, man darf tagsüber nur eine Stunde am Schnellader und zwei Stunden am Normallader parken. Vereinfacht gerechnet lädt ein E-Auto am Normallader in zwei Stunden 22 kWh. Aktuelle Modelle bieten Fassungsvermögen zwischen 50 und 100 kWh in der Batterie. Somit bekommt man vor einer Langstreckenfahrt sein E-Auto nie voll. Immerhin wird das Zeitlimit demnächst von zwei auf drei Stunden erweitert.

Dabei ist Thieles Angebot eigentlich der Traum eines jeden E-Auto-Fahrers. Das beginnt bei der Reservierungsfunktion. Die runden, schlanken Ladesäulen zeigen durch farbige LED in der Spitze weithin sichtbar an, ob die Säule belegt, reserviert oder frei ist. Am Fuß der Säule sind sieben Meter Ladekabel mit einem Typ 2-Stecker aufgerollt. Das eigene Ladekabel bleibt im Auto, außer man möchte mit 22 kW laden. Im Laufe des Jahres wird Qwello in Frankfurt und Essen sowie weiteren europäischen Städten Ladepunkte aufstellen. Das größte Angebot des Münchner Unternehmens existiert mit 300 Ladepunkten in Stockholm. Das Geld für den Ausbau stammt von einem New Yorker Infrastrukturfonds. Das als auch eine rechtliche Auseinandersetzung in München zeigen, wie schwer es Ladeanbieter in deutschen Städten haben. „Wir würden gern 1.677 neue Ladesäulen in München aufstellen, aber die Stadt lässt uns nicht. Darum haben wir eine Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht", sagt Thiele. Die aktuell 1.500 Ladepunkte der Stadtwerke reichen nicht aus. Ab Februar 2023 gilt in der bayrischen Landeshauptstadt innerhalb des Mittleren Rings ein Diesel-Fahrverbot für die Abgasnorm 4 und schlechter. Verbessert sich die Luft dadurch nicht, gilt das Verbot ab Anfang Oktober auch für die Abgasnorm 5. Das dürfte einige Autofahrer zum Umsteigen in emissionsfreie Fahrzeuge motivieren.

Doch das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) der Stadt München lehnt den Antrag von Qwello mit Verweis auf eine laufende Ausschreibung ab. Die läuft bereits seit 2020 und sieht Exklusivität für einen Ladesäulenbetreiber vor. Noch läuft die Ausschreibung und das RKU will sein Exklusivitätsversprechen nicht brechen.

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