Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Autofabrik von Morgen: Wenige Cloudrechner statt Tausende Industrie-PCs

Türinnenverkleidungen finden bei der modularen Produktion ihren Weg zu den Arbeitesstationen

Audi will die Fabrikautomation revolutionieren: Cloudrechner, 5G und modulare Montage machen das klassische Fließband flexibler.


Statt Software in diversen Steuergeräten für Gurtstraffer und Airbag zu installieren, erhalten kommende Fahrzeuggenerationen eine zentrale Recheneinheit. Darüber lassen sich einzelne Funktionen im Auto per Update verbessern. Audi will diesen Ansatz - eine zentrale Steuerung - nun auch in seine Fertigung bringen. Der Autohersteller nennt das Edge Cloud 4 Production. "Es ist ein entscheidender Schritt zur IT-basierten Produktion", sagt Audi-Produktionsvorstand Gerd Walker beim Besuch in Ingolstadt.


Heute stehen mehr als 10.000 Industrie-PCs entlang der Fertigungsstraßen und geben den Mitarbeitern ihre Arbeitsschritte vor, etwa welche Ausstattung in welches Modell kommt. An vielen Stationen bleibt allerdings Rechenleistung ungenutzt. Die Kombination aus PC und Monitor benötigt etliche Kabel und vor allem viel Energie. Bei Updates steht jeder Rechner für mindestens 45 Minuten nicht zur Verfügung.


Reißverschluss zwischen Disruption und Industriefertigung

"Halbierung der Fertigungskosten pro Fahrzeug, doppelte Geschwindigkeit bei Modellumrüstungen", gibt Walker als Ziel für das interne Programm Vorsprung 2030 aus. In acht Jahren soll die Audi-Fertigung auf drei Millionen Fahrzeuge pro Jahr steigen. Im vergangenen Jahr waren es knapp 1,6 Millionen. Auf dem Weg sollen etliche Digitalisierungsprojekte, darunter die Edge Cloud, helfen.


Doch einen so radikalen Umbau startet man nicht im Herzen der Produktion. Um die Schritte auf diesem Weg zu verstehen, muss man einige Kilometer von Ingolstadt in ein Gewerbegebiet nach Gaimersheim fahren. Hier befindet sich seit 2012 das Production-Lab (P-Lab). Henning Löser und sein Team testen technische Innovationen und Ideen der Start-up-Welt auf ihre Einsatzfähigkeit in einer industriellen Umgebung. "Wir fungieren als Reißverschluss zwischen beiden Welten", sagt Löser.


Erste Versionen der Edge Cloud 4 Production wurden in dieser Versuchshalle installiert. Inzwischen hat die Anwendung das Laborstadium verlassen und soll ihre Vorteile in der Praxis beweisen. Audi ist der weltweit erste Hersteller, der in einer taktgebundenen Fertigung auf eine zentrale Serverlösung setzt. "Bislang mussten wir Hardware kaufen, wenn wir neue Funktionen einsetzen wollten. Jetzt kaufen wir Applikationen nur noch als Software", beschreibt Vorstand Walker den Vorteil.

Doch so stolz sich sämtliche Audi-Vertreter beim Besuch zeigen, so vorsichtig wagen sie die ersten Schritte. Als Praxistest dient nicht die Produktion in Ingolstadt, sondern die Kleinserienfertigung in den Böllinger Höfen bei Neckarsulm. Hier laufen der elektrische E-Tron GT und der klassische Sportwagen R8 auf einer Fertigungslinie.

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