Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Das E beim E-Auto steht für Energiespeicher

Der Hyundai Ioniq 5 leitet in Utrecht Strom zurück ins Netz

In Utrecht setzt ein Carsharing-Anbieter Hyundais Ioniq 5 für bidirektionales Laden ein. So sollen mehr erneuerbare Energie und gleichzeitig weniger Pkw genutzt werden.


Der Bildschirm neben dem Hyundai Ioniq 5 zeigt 0,8 Kilowattstunden (kWh) an. So viel Energie hat das E-Auto innerhalb von zehn Minuten an das Stromnetz in der ehemaligen Werkstatthalle im niederländischen Utrecht geliefert. Über ein Typ-2-Kabel gibt der Wagen auf einer Phase maximal 5 kW Wechselstrom ab. Das ist kein Rekordwert, aber ein erster, praktischer Schritt in Richtung V2G.


Das Akronym steht für Vehicle to Grid, also die Energieabgabe aus E-Autos ans öffentliche Stromnetz. Die Sektorkopplung, die Verzahnung von Mobilität und Energiemarkt, spielt bei der Energiewende eine wichtige Rolle. Bei steigenden Erträgen aus Wind- und Sonnenenergie müssten Stromnetze stark ausgebaut werden. Schließlich muss im Energienetz Angebot und Nachfrage stets ausgeglichen sein. Die Akkus in E-Autos können Lastspitzen abfangen. Sonnenenergie zur Mittagszeit wird in E-Autos gespeichert und am Abend ins Netz gespeist.


Solarstrom für 200 Elektroautos

Das realisiert man jetzt mit 25 Hyundai Ioniq 5 (Test), die beim Carsharing-Anbieter We Drive Solar in Utrecht eingesetzt werden. "Im Lauf des Jahres soll die Zahl auf 150 Ioniq 5 steigen", sagt Robin Berg, Geschäftsführer von We Drive Solar. Der Name ist Programm: Auf 25 Dächern öffentlicher Gebäude erzeugen PV-Anlagen den Strom für eine Flotte von 200 E-Autos, die man stundenweise mietet. Das sind größtenteils Renault Zoes und Hyundai Konas für Touren im Stadtgebiet, Ioniq 5 und Tesla Model 3 für längere Strecken, beispielsweise in den Urlaub.

Im Stadtgebiet von Utrecht sind bereits mehr als 1.000 öffentliche Ladepunkte installiert, die Energie in beide Richtungen leiten können. Man setzt hier auf Wechselstrom. Somit werden keine Wechselrichter benötigt, was die Ladepunkte günstiger macht. "Wir sind die erste Stadt mit einem groß angelegten bidirektionalen Ladesystem", sagte Bürgermeisterin Sharon Dijksma bei der Einweihung.


Bislang gibt es nur wenige E-Autos, die bidirektional Energie leiten können. Beim Ioniq 5 nutzt man die integrierte Vehicle-to-Load-Funktion. Das E-Auto gibt über zwei Anschlüsse jeweils bis zu 3,6 kW wie klassische Schuko-Steckdosen ab. Für die V2G-Funktion musste die Software nur leicht angepasst werden. Die eingesetzte ISO Norm 15118-20 enthält bereits ein Protokoll für bidirektionales Laden.


Die Höhe der Restkapazität wird nicht vom Fahrer im Auto, sondern vom Carsharing-Anbieter gesteuert. Dieser weiß durch die gebuchten Fahrten, wie viel Reichweite das Auto noch benötigt. Der Akku soll nur so viel Strom ans Netz abgeben, dass die nächste Fahrt noch möglich ist. Dadurch soll die Kapazität bis auf verbleibende 20 Prozent des Ladezustands ausgenutzt werden können.


Die viertgrößte Stadt der Niederlande (362.000 Einwohner) liegt ziemlich in der Mitte des Landes und ist ein zentraler Verkehrsknotenpunkt. Doch bis 2030 soll die Innenstadt zur Zero Emission Zone werden. "Nimm das Fahrrad für Wege innerhalb der Stadt. Wenn das nicht geht, benutze wenigstens ein abgasfreies Auto", gab Bürgermeisterin Dijksma die Losung für Mobilität bei der Einweihung der We-Drive-Solar-Fahrzeuge aus.

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