Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Private Autovermietung: Genug herumgestanden

Private Pkw vermieten

Ein passender Kleinwagen für den Ausflug steht in der Parallelstraße. Der Kombi für die Fahrt zum Familienfest ist nur wenige Fußminuten entfernt. Der Besitzer des Campingbusses ist ein netter Typ, der einem alles erklärt. Autos gibt es - zumindest in der Stadt - zahlreich und in allen Größen. Die meisten stehen 23 Stunden am Tag herum. Sie zu vermieten, könnte etliche Vorteile bringen - für Vermieterinnen und Mieter, aber auch allgemein für die Lebensqualität in der Stadt, weil weniger Platz durch Autos beansprucht würde. Das haben Unternehmen schon vor Jahren erkannt und diverse Angebote geschaffen. Aber wollen die Menschen das überhaupt? Ihr Auto teilen? In fremden Autos herumfahren?

Die Angebotsseite scheint nicht das Problem zu sein, zumindest im globalen Maßstab. Derzeit stehen in Deutschland, China und den USA mehr als 600.000 Privat-Pkw für das sogenannte Peer-to-peer-Carsharing (P2P) zur Verfügung, bis 2025 sollen es 990.000 sein, schätzt die Unternehmensberatung Accenture. Im Jahr 2015 waren es laut Accenture noch nur rund 200.000 Fahrzeuge. Der US-Bank Merill Lynch zufolge stehen weltweit über private Vermietung sogar mehr Fahrzeuge zur Verfügung als über klassisches Carsharing.

Größter Anbieter im P2P-Markt ist das US-Unternehmen Turo mit 450.000 angemeldeten Fahrzeugen und 14 Millionen Nutzerinnen und Nutzern in den USA, Kanada und Großbritannien. Das französische Unternehmen Getaround zählt in Europa 45.000 registrierte Autos und 2,5 Millionen Nutzer, 4.000 der Fahrzeuge stehen in Deutschland zur Verfügung. Beim niederländischen Anbieter Snappcar finden Mieterinnen in den Niederlanden, Schweden und Deutschland insgesamt rund 80.000 Autos auf der Plattform, Nutzerzahlen veröffentlicht Snappcar nicht. Außerdem kann man in Deutschland Privatautos über Erento mieten, auch wenn das Vermietportal auf Freizeitfahrzeuge, Wohnmobile und Campingbusse spezialisiert ist.

App macht Schlüsselübergabe unnötig

Der Vorteil für Nutzerinnen gegenüber dem klassischen Carsharing oder Mietwagen: Es ist in der Regel billiger. In Stadtteilen mit vielen Vermietern bekomme man bereits für 20 Euro pro Tag ein Auto, sagt Snappcar-Sprecher Pijke Dorrestein. Viele Kunden könnten oder wollten sich keinen eigenen Pkw leisten. Wer ein Auto möchte, holt bei Snappcar in der Regel den Schlüssel selbst beim Inhaber ab. "Das schafft Vertrauen, ein wesentlicher Aspekt beim Verleihen des eigenen Autos", sagt Dorrestein. Viele Nutzer schätzten den kleinen Plausch bei der Fahrzeugübergabe, schließlich seien es Menschen, die im gleichen Stadtteil oder zumindest in der Nähe wohnen.

Doch was, wenn eine solche Schlüsselübergabe nicht möglich ist? Wenn die Vermieterin gerade im Büro ist? Snappcar bietet in Schweden und den Niederlanden eine App, mit der man den Wagen öffnet. Die Einführung ist auch für Deutschland geplant. Insbesondere in pandemischen Zeiten bietet die kontaktlose Übergabe Vorteile. Wettbewerber Getaround integriert bereits alle Funktionen von Buchung bis Aufschließen des Fahrzeugs in einer App. Versichern kann man seine Fahrt ebenfalls über die Anbieter.

Einnahmen generieren die Firmen über Provisionen, die sie bei der Fahrzeugvermittlung einbehalten. Turo zahlt nach eigenen Angaben zwischen 60 und 90 Prozent des Mietpreises an Autobesitzer aus. Die Fixkosten für die Anbieter sind gering, da sie die Fahrzeuge im Unterschied zum klassischen Carsharing nicht anschaffen müssen.

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