Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Ladesäulen für Elektroautos: Langsam hat auch Vorteile

Schnelles Laden am Supercharger von Tesla

Fünfeinhalb Stunden warten, bis ein ID.3 vollgeladen ist - oder lieber vierzig Minuten? So groß kann der Unterschied sein, je nachdem, ob man die 77-Kilowattstunden-Batterie mit elf oder hundert Kilowatt lädt. Die langsame Variante ist derzeit noch der Standard. Denn die meisten Ladestellen liefern Wechselstrom ( alternating current, AC), der Akku in Elektroautos nutzt jedoch Gleichstrom ( direct current, DC). Ein Gleichrichter im Fahrzeug muss aus Wechsel- zunächst Gleichstrom machen, um ihn speichern zu können. Dieses Bauteil limitiert die Ladeleistung. Sogenannte Schnelllader pumpen direkt Gleichstrom in den Akku. Da erscheint zunächst naheliegend, dass es bald nur noch DC-Ladesäulen geben wird. Aber so eindeutig ist die Lage nicht.

"Wir sehen für die klassische öffentliche Wechselstromsäule eher ein Nischendasein", sagt Timo Sillober. Als Chief Sales and Operations Officer der EnBW verantwortet er die Aktivitäten im Bereich Elektromobilität. Die EnBW betreibt Deutschlands größtes Schnellladenetz. Bis Ende 2021 wird es auf 1.000 Standorte wachsen. Aber auch langsame Säulen werden weiterhin ihre Berechtigung haben, sagt Sillober: in Parkhäusern oder am Arbeitsplatz, wo die Autos ohnehin stundenlang stehen. Überall, wo sich Menschen weniger als eine Stunde aufhalten, müsse dagegen schnell geladen werden. Darum kooperiert EnBW mit Einkaufszentren und Supermärkten. Auch Tankstellenketten setzen auf Schnelllader. Bis zu 500 Schnellladepunkte will beispielsweise Aral bis Jahresende installieren.

Und es geht sogar noch schneller als hundert Kilowatt. EnBW hat gerade eine Kooperation mit dem Immobilienunternehmen x+bricks, das auf Lebensmittelhändler spezialisiert ist, für 100 HPC-Ladesäulen vereinbart. HPC steht für High Power Charging und bezeichnet die zweite Stufe des Schnellladens. Beim Laden mit Gleichstrom gab es in der Vergangenheit große Leistungssprünge. Die ersten Schnelllader lieferten bis zu 50 Kilowatt Ladeleistung. Eine HPC-Säule liefert bis zu 350 Kilowatt. Das kann bisher noch kein Elektroauto nutzen. Audis und Porsches Sportwagen sind bisher die schnellsten mit bis zu 270 Kilowatt. Dann sind innerhalb von fünf Minuten hundert Kilometer Reichweite nachgeladen. Rechnerisch ist ein leerer Akku nach 23 Minuten zu 80 Prozent gefüllt. Dieser Wert gilt als ausreichend für die Weiterfahrt.

Schnellader sind stärker ausgelastet

Nicht nur für Autofahrerinnen, sondern auch für Betreiber scheinen DC-Säulen lohnender. Je höher die Ladeleistung, desto mehr Fahrzeuge können pro Tag laden. Nimmt man die eingangs erwähnte Ladezeit eines VW ID.3 als Referenz, können tagsüber zwei bis drei Fahrzeuge an einer AC-Säule laden. Auf der anderen Seite stehen höhere Kosten für die Säule sowie den Anschluss.

Ob sich eine Ladesäule wirtschaftlich betreiben lässt, hängt von der Auslastung ab. Zwar werden bereits Szenarien heraufbeschworen, dass es demnächst zu Warteschlangen an Ladesäulen kommt. Doch die Realität an den bundesweit knapp 40.000 öffentlichen Ladepunkten sieht bislang anders aus. Laut einem Bericht der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität ist ein Ladepunkt pro 24 Stunden durchschnittlich für 30 Minuten ausgelastet. Die bundeseigene NOW GmbH verzeichnet an AC-Ladesäulen in Städten mit mehr als einer halben Million Einwohnerinnen durchschnittlich 1,6 Ladevorgänge pro Tag. An einer DC-Säule sind es 2,3. Das führt dazu, dass aktuell kein Betreiber öffentlicher Ladesäulen Gewinn macht.

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