Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

7 Abos und 1 Abonnent
Artikel

Hyundai Nexo: Verschmähte Brennstoffzelle

Hyundai Nexo während der Testfahrt an der Hamburger Binnenalster

Mit leichtem Druck auf das Fahrpedal beschleunigt der Hyundai Nexo lautlos. Das Fußgänger-Warnsystem ist zusammen mit den Rollgeräuschen der Reifen das einzige, was man hört. Der Wagen fährt sich wie ein typisches Elektroauto. Nur hat der Nexo keinen batterieelektrischen, sondern einen Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle.

Der 120 Kilowatt starke Elektromotor arbeitet an der Frontachse des Fahrzeugs. Darüber ist die Brennstoffzelle montiert. Die benötigte Energie wird während der Fahrt unter der Motorhaube produziert. Das geschieht, sobald gasförmiger Wasserstoff und Sauerstoff in den 440 Einheiten der Brennstoffzelle aufeinandertreffen. Platinbeschichtete Membrane sorgen für eine Reaktion, bei der elektrische Energie freigesetzt wird. Als Nebenprodukte entstehen Wärme und Wasserdampf. Ersteres wird für den Innenraum genutzt, Letzteres tropft als Wasser aus einem Auslass.

Damit fährt der Hyundai Nexo CO2-frei. Wird der Wasserstoff über Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen produziert, ist die gesamte Mobilität emissionslos. Dennoch haben Pkw mit Brennstoffzelle in Deutschland keine Zukunft. Warum eigentlich?

Gewichts- und Reichweitenvorteile

Wesentlicher Vorteil von Brennstoffzellenautos ist ihr Gewicht. Der Nexo ist mit 1.900 Kilogramm leichter als ein vergleichbar großes batterieelektrisches Auto. Lithium-Ionen-Batterien wiegen je nach Speicherkapazität zwischen 450 und 700 Kilogramm. Ein Audi e-tron 55 quattro mit 95 Kilowattstunden wiegt beispielsweise 2.565 und der EQC 400 von Mercedes-Benz mit 80 Kilowattstunden 2.495 Kilogramm. Auch bei der Reichweite schlägt sich der Hyundai Nexo besser. Mit 6,33 Kilogramm Wasserstoff in seinen drei Tanks kommt der Wagen 666 Kilometer weit. Auch hier schlägt er vergleichbare Batterieelektroautos. Mit dem Brennstoffzellenauto gibt es zudem keine langen Ladestopps, die sechs Kilo Wasserstoff sind in rund fünf Minuten nachgetankt.

Eine passende Tankstelle zu finden, ist jedoch eine Herausforderung. Der Betreiberfirma H2 Mobility zufolge gibt es derzeit 83 aktive Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland. Im Laufe des Jahres sollen es 100 werden. Doch die Corona-Pandemie könnte das verzögern: Während des zweiwöchigen Tests mit dem Nexo war eine Tankstelle in Hamburg in der App von H2 Mobility rot markiert. Ein benötigtes Ersatzteil konnte aufgrund der Pandemie nicht aus dem Ausland herbeigeschafft werden.

Lange Fahrten durch Deutschland mit dem Nexo müssen also sorgfältiger als mit einem batterieelektrischen Auto geplant werden. Gäbe es mehr Brennstoffzellenfahrzeuge auf dem Markt, würde die Zahl der Tankstellen wohl steigen. Doch aktuell werden als Serienfahrzeuge nur der Hyundai Nexo und sein Vorgänger ix35 Fuel Cell angeboten. Toyota hat noch den Mirai im Programm. Entsprechend wenige Anträge wurden für einen staatlichen Umweltbonus gestellt, wie Zahlen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zeigen. Bis Ende April wurde das Fördergeld für E-Autos und Elektrohybride 200.000 Mal beantragt. Gerade mal 118 Anträge entfallen davon auf Brennstoffzellenfahrzeuge.

Deutsche Hersteller gegen Wasserstoff

Die deutschen Hersteller haben sich geschlossen von der Antriebstechnologie verabschiedet - zumindest für Pkw. Mercedes-Benz hat kürzlich die Weiterentwicklung seines Modells GLC Fuel Cell eingestellt. Technik, Patente und Mitarbeiter werden Teil eines Joint Ventures mit Volvo, um die Brennstoffzelle für Nutzfahrzeuge weiterzuentwickeln. Bei BMW ist es ähnlich. Auf Messen zeigt der Hersteller sein i Hydrogen-Projekt in einem umgebauten BMW X5. Doch im Juli übernimmt ein neuer Entwicklungsvorstand und es ist davon auszugehen, dass die Hersteller für die Zeit nach der Corona-Pandemie diverse Zukunftsprojekte prüfen. Kosten müssen gesenkt werden. Das Projekt i Hydrogen ist höchstwahrscheinlich ein Streichkandidat.

Volkswagen-Vorstandschef Herbert Diess hat den Wasserstoffantrieb schon lange vor der Corona-Krise abgelehnt. Der Chef des größten deutschen Autoherstellers drohte im Frühjahr 2019 sogar mit einem Austritt aus dem Autoverband VDA, wenn der nicht von seiner Strategie der Technologieoffenheit abrücke. Alle Entwicklungsbemühungen über das Batterieauto hinaus überfordern die Branche, so Diess. Selbst Auto-Visionär Elon Musk belächelt die Brennstoffzelle. Der Unternehmer spricht despektierlich von der "Fool Cell" statt Fuel Cell.

Original weiterlesen ...

Zum Original