Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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e.Go Mobile: Ausgebremst

e.Go Life auf den Straßen Berlins

Die letzte Gründung eines Autoherstellers in Deutschland liegt lange zurück. Entsprechend wohlwollend wurde 2015 der Start der e.Go Mobile AG von der Öffentlichkeit aufgenommen.

Günther Schuh, ein Professor der RWTH Aachen, wurde damit zum zweiten Mal unternehmerisch tätig. 2010 hatte er mit einem Kollegen die Streetscooter GmbH gegründet, dann folgte e.Go. Kein etablierter Autohersteller wollte nach Vorstellungen der Deutschen Post einen E-Transporter bauen. Also übernahm Schuh diese Aufgabe. In den Folgejahren entstand rund um die Exzellenzuni auf dem RWTH Aachen Campus ein kleines deutsches Silicon Valley, mittlerweile arbeiten dort rund 400 Technologieunternehmen.

Wichtigstes Unternehmen blieb immer die e.Go Mobile AG. Doch die Firma ist nun pleite - und nutzt das Schutzschirmverfahren des Insolvenzrechts. Dem Antrag auf Eigenverwaltung hat das Amtsgericht bereits zugestimmt. Vorstandschef Günther Schuh wurde ein Anwalt als Generalbevollmächtigter zur Seite gestellt. Die Produktion des e.Go Life ruht bereits seit dem 23. März. Doch dass es so weit kommen konnte, ist nicht der Corona-Krise geschuldet. Die Probleme des Unternehmens liegen weiter zurück.

Spartanische Hartplastikausstattung

Der e.Go Life ist ein zweitüriger Kleinstwagen mit Platz für vier Personen. Mit 21.900 Euro zählt das Fahrzeug zu den günstigsten Elektroautos auf dem Markt. Doch Volkswagen hat zwei Modelle dagegen positioniert. Der Seat Mii Electric startet schon bei 20.650 Euro. Allerdings ist das Elektroauto derzeit nicht bestellbar. Anders sieht es beim e-up! aus. Der viertürige Kleinstwagen startet 75 Euro über dem e.Go Life. Dafür kommt man mit seiner Batterieladung 250 statt 139 Kilometer weit. Der e-up! bietet sogar einen Schnellladeanschluss (CCS), was die Aachener erst später anbieten werden.

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Welches Auto besser aussieht, muss der Käufer entscheiden. Doch nach einer Probefahrt schreibt der Autotester von : "Das Interieur ist spartanisch und erinnert mit Hartplastikausstattung an den Opel Corsa der ersten Generation. Pedale, Lenkrad und Bedienungshebel sind funktional, aber ohne Design-Ausstrahlung, das Handschuhfach ist offen. Das Display an der Mittelkonsole ist klein - kein Vergleich zu den Teslas - und zusammen mit dem Radio ein Extra, also in der Basisversion nicht vorhanden."

Probleme bei der Fertigung

In Sachen Verarbeitungsqualität dürften die erfahrenen Autobauer aus Wolfsburg dem Startup um einiges voraus sein - auch wenn Schuh seine Produktion als Industrie 4.0-Referenzfabrik beschreibt. Mit Hilfe des Landes NRW errichtet e.Go Mobile ein Werk im Aachener Stadtteil Rothe Erde auf einem ehemaligen Philips-Gelände.

Zwar besetzt Schuh den Lehrstuhl für Produktionssystematik an der RWTH, doch durfte er wie Elon Musk mit dem Tesla Model 3 eine vergleichbare Produktionshölle durchschreiten: Die Serienversion des 3,35 Meter langen e.Go Life will er im Oktober 2018 vorstellen. Den Termin muss Schuh auf März 2019 verschieben. Das erste Schlagloch auf dem Weg ist die Opel-Übernahme durch die französische Groupe PSA. Die Rüsselsheimer dürfen keine Teile mehr nach Aachen liefern. Aufgrund des Dieselskandals verschärfen etliche Zulieferer ihre Freigabe-Verfahren für Bauteile oder kündigen bestehende Lieferverträge.

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