Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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VW nimmt Zellproduktion in die eigene Hand

Zuschnitt der Pouchzelle in der VW-Pilotanlage

Volkswagen eröffnet in Salzgitter eine Pilotanlage für die Batteriezellfertigung. Bis zum Jahreswechsel 2023/24 soll in Zusammenarbeit mit Northvolt eine Fabrik entstehen, die jährlich 16 Gigawattstunden an Speicherkapazität herstellt.

Volkswagen eröffnet heute in Salzgitter eine Pilotanlage für die Batteriezellfertigung. Da, wo heute noch Benzin- und Dieselmotoren für den Konzern gefertigt werden, sollen ab dem Jahreswechsel 2023/24 Batterien in Serienfertigung vom Band laufen. Im Endausbau soll die Fabrik pro Jahr 16 Gigawattstunden (GWh) an Speicherkapazität liefern.

Diese Fertigung betreibt Volkswagen in einem 50-50-Joint-Venture mit Northvolt. Das schwedische Unternehmen, gegründet von zwei ehemaligen Tesla-Mitarbeitern, errichtet derzeit in Västeras ein Entwicklungslabor und baut bei Skelleftea eine Gigafabrik mit 32 GWh Jahreskapazität. Diese Fabrik dient als Vorbild für das entstehende Werk in Salzgitter.

„Die Batterie ist das entscheidende Bauteil im Auto von Morgen. Diese Technologie müssen wir beherrschen", sagt Beschaffungsvorstand Stefan Sommer.

Produktion und Recycling unter einem Dach

Die Pilotanlage für eine Kleinserienfertigung, die heute eröffnet wurde, nennt Volkswagen Center of Excellence. Hier geht es vor allem darum, neue Produktionsverfahren zu testen und die chemischen Eigenschaften der NCM-Zelle zu verbessern. Bis zum Serienstart wolle man die Energiedichte der Zellen von aktuell rund 260 auf 300 Wattstunden (Wh) pro Kilogramm erhöhen. „Viel größere Sprünge sind danach nicht mehr drin", sagt Frank Blome, Leiter Batterie- und Energiesysteme bei Volkswagen mit Blick auf die kommende Festkörpertechnik.

Volkswagen investiert mehr als 100 Millionen Euro in die ersten Schritte seiner Entwicklungs- und Fertigungskompetenzen. Zusammen mit Northvolt werden 900 Millionen Euro für die Zellfabrik veranschlagt. Neben der Pilotanlage und der Serienfertigung, entsteht in Niedersachsen auch eine Recycling-Anlage. Im Gegensatz zum derzeit üblichen Schmelzverfahren, werden die Batterien geschreddert. Die Rohstoffe gewinnt man über einen hydrometallurgischen Prozess zurück. Angestrebt wird eine Recyclingquote von 90 Prozent bei den Inhaltsstoffen.

Mitarbeiter in Schutzanzügen

Das Center of Excellence ist eine kleine, abgeschottete Zellproduktion. Die einstöckigen Räume wirken in der großen Werkshalle fast ein wenig verloren. Mitarbeiter präsentieren Journalisten, was in den einzelnen Schritten geschieht. Fensterscheiben geben den Blick in die klinisch sauberen Räume frei, in denen sich die Mitarbeiter in weißen Schutzanzügen bewegen. Die Trägerfolie wird auf einem Luftpolster zum Trocknen transportiert, da zeitgleich die flüssigen Materialien für Anode und Kathode aufgetragen werden.

„Das ist wie ein Brot von beiden Seiten mit Marmelade zu bestreichen", beschreibt es eine Mitarbeiterin. Nach dem Beschnitt landen Anode und Kathode getrennt von einer Seperatorschicht in einer Pouchzelle. Es wird flüssiger Elektrolyt hinzugefügt, bevor die Zelle verschlossen wird. Die Zelle hat längliches Format, erinnert an eine große 300 Gramm-XXL-Schokoladentafel.

Nachhaltige Produktion

Volkswagen bezieht für die Zellfertigung ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen, vor allem Windstrom. Sämtliche Zulieferer müssen die Nachhaltigkeit beim Abbau der Rohstoffe für die Zelle nachweisen. Im Entwicklungszentrum und der Pilotanlage entstehen bis zu 300 neue Arbeitsplätze. In der Batteriefertigung werden 700 Arbeitsplätze geschaffen.

Die Kapazität von 16 GWh pro Jahr deckt nur einen Teil des VW-Bedarfs. Bis 2030 sollen im Konzern 70 neue Modelle mit Elektroantrieb auf den Markt kommen. Das entspricht rund 22 Millionen Fahrzeugen. Man schätzt das benötigte Speichervolumen bereits bis 2025 auf rund 150 GWh. Somit wird Volkswagen noch weitere Zellfabriken bauen müssen. Wo und mit welchen Partnern das geschieht, wurde in Salzgitter noch nicht verraten.

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