Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Strom aus dem Container für Ozeanriesen

Power Pac: Flüssiggas und Stromgenerator versorgen Containerschiffe im Hamburger Hafen mit sauberem Strom

Die zwei Container wiegen zusammen 60 Tonnen, doch die Drahtseile der Containerbrücke heben das sogenannte Power Pac mühelos in die Luft. Innerhalb weniger Minuten steht das Kraftwerk auf einem Stellplatz am Heck des Containerschiffs. Mitarbeiter befestigen zwei faustdicke Kabel am unteren Container, dann wird der Generator angeworfen und versorgt das Schiff mit sauberem Strom, solange es im Hamburger Hafen liegt.

"Unser Power Pac ist eine unkomplizierte und effektive Lösung zur Reduzierung der Schadstoffbelastung in Häfen", sagt Dirk Lehmann, Geschäftsführer von Becker Marine Systems. Das mittelständische Unternehmen hat gemeinsam mit der Reederei Hapag-Lloyd und dem Terminalbetreiber HHLA seit Mai 2018 ein Power Pac im Probebetrieb. Im oberen Container befindet sich ein Tank mit 8,2 Tonnen flüssigem Erdgas (Liquid Natural Gas, LNG).

Im unteren Container wird das flüssige Gas erwärmt und so gasförmig. Bei der Verbrennung treibt es einen Stromgenerator an, der eine Leistung von 1,5 Megawatt bereitstellt. Das Gas im Tank reicht für bis zu 30 Stunden Betrieb. Die meisten Containerschiffe machen kürzer am Kai fest.

"Die größte Herausforderung war, den 16 Zylinder-Motor so einzubauen, dass er sich beim Anheben des sechs Meter langen Containers nicht durchbiegt", sagt Lehmann. Im Gegensatz zu Schiffsdiesel ist LNG schwefelfrei und enthält keine Feinstaubpartikel. Der Anteil von Stickoxiden (NOx) liegt beim Power Pac 88 bis 98 Prozent niedriger und der Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) wird um 22 Prozent reduziert.

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Becker Marine Systems investiert zwölf Millionen Euro in die Entwicklung und den Bau von vier Power Pacs. Das Bundesverkehrsministerium fördert das Projekt mit 40 Prozent der Investitionskosten. "Die Luftreinhaltung ist in Häfen in dicht besiedelten Gebieten von großer Bedeutung. Wir fördern deshalb nachhaltige und alternative Antriebe sowie Innovationen wie die LNG Power Pacs", sagt Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur.

Der Hamburger Hafen ist unter Zugzwang. Einerseits ist er ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, andererseits eine Dreckschleuder. Ein Messtest der Zeit Hamburg ergab auf dem Balkon einer Wohnung mit Elbblick 50.000 ultrafeine Partikel pro Kubikzentimeter Atemluft. An der Außenalster lag zur gleichen Zeit die Feinstaubbelastung bei einem Zehntel, 5.000 Partikel pro Kubikzentimeter.

Schiffe unterliegen nur wenig Umweltvorschriften

Mit einem Umschlag von 8,82 Millionen Standardcontainern (TEU) ist Hamburg Deutschlands größter Seehafen. Ein Großteil der Konsumgüter aus asiatischer Produktion, die für deutsche als auch osteuropäische Händler bestimmt sind, landen hier. Kommt die lang geplante Elbvertiefung, werden noch häufiger Schiffe jenseits der Ladekapazität von 20.000 Containern den Hafen anlaufen. Doch im Gegensatz zum Autoverkehr gibt es im Schiffsverkehr deutlich weniger Umweltvorschriften. Da wird die Vorgabe der International Maritime Organization, nach der Schiffsdiesel ab 2020 statt 3,5 nur noch 0,5 Prozent Schwefel enthalten darf, bereits als Erfolg gefeiert.

In der wettbewerbsintensiven und durch Übernahmen gekennzeichneten Branche wollen die Reeder ihre Kraftstoffkosten möglichst gering halten. Darum muss der Druck zu mehr Umweltschutz von den Häfen ausgehen. Wirtschaftssenator Frank Horch hat einen Masterplan für den Hamburger Hafen aufgestellt. Die 10.000 Hafenschiffe der Lotsen, Schlepper, Polizei, Feuerwehr und Hadag-Fähren sollen sukzessive auf Flüssiggas bzw. Brennstoffzellen umgerüstet werden.

Power pac ist ein mobiles Kraftwerk des Hamburger Unternehmens Becker Marine Systems. (Bild: Dirk Kunde)

Terminalbetreiber HHLA rüstet im Containerterminal Altenwerder die automatischen Containertransporter (AGV) auf elektrischen Antrieb um. Alle Kaianlagen für Container, Stück- und Massengut mit Kabeln für Landstrom auszustatten, ist bei der ungleichmäßigen und zeitweisen Nutzung sowie der Größe der Hafenanlage von 7.200 Hektar ein unrealistischer Plan. Die mobilen, flexiblen Power Pacs sind da klar im Vorteil.

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