David Torcasso

Journalist/Editor, Berlin/Zürich

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Chefin und schwanger - so what?

Jacinda Ardern mit ihrem Lebensgefährten letzte Woche im neuseeländischen Auckland bei der Bekanntgabe der Schwangerschaft.

Neuseelands Premierministern Jacinda Ardern ist in einer Spitzenposition schwanger – na und? Headhunter Guido Schilling sagt, wie Unternehmen darauf reagieren sollten.


Jacinda Ardern, die Premierministerin von Neuseeland, ist schwanger. Ihr Kind soll im Juni geboren werden. Die 37-jährige Politikerin schrieb: «Wir werden uns unter die vielen Eltern einreihen, die zwei Hüte tragen: Ich werde Premierministerin und Mama sein.» Ihr Mann, ein Fernsehmoderator, werde zu Hause bleiben und sich um das Kind kümmern.

Aber nicht sofort: Nach der Geburt wird Arden einen Mutterschaftsurlaub machen und ihrem Vize-Premier für sechs Wochen die Amtsgeschäfte überlassen. Danach werde Ardern «alle Pflichten des Amtes wieder aufnehmen», wie sie verkündete. 

Die Frau entscheidet, wann sie ein Kind zur Welt bringen möchte

Ardern wurde im Wahlkampf 2016 auch ausserhalb von Neuseeland bekannt, als sie ein Radiomoderator gefragt hatte, ob sie Kinder haben möchte. Zur Antwort gab sie, es sei inakzeptabel, Frauen solche Dinge zu fragen. Es sei alleine die Entscheidung der Frau, wann sie Kinder haben möchte. Für die Entscheidung, ob eine Frau eine Stelle erhalte oder nicht, sei das irrelevant.

Ardern ist die erste Staatschefin seit 30 Jahren, die während ihrer Amtszeit ein Kind auf die Welt bringen wird. Die letzte Frau in einem führenden politischen Amt war die damalige pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto, die im Januar 1990 ihre Tochter Bakhtawar zur Welt brachte.

Die ehemalige pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto mit ihrer Tochter Bakhtawar 1991 in Karachi.

Yahoo-Chefin Marissa Mayer brachte Zwillinge zur Welt

Beispiele von Frauen, die eine Führungsposition bekleiden und dabei ein Kind zur Welt bringen, gibt es wenige – zumindest sind sie öffentlich nicht bekannt. Ein prominentes Beispiel ist die ehemalige Yahoo-Managerin Marissa Mayer. Mit 40 wurde die damalige Chefin von Yahoo im Jahre 2015 mit eineiigen Zwillingen schwanger.

Weil der Umbau des Internetkonzerns damals in einer entscheidenden Phase war, wollte Mayer durcharbeiten. Im Juli vergangenen Jahres verliess sie ihren Posten als CEO.

Marissa Mayer: Die ehemalige Chefin von Yahoo brachte während ihrer Zeit als CEO Zwillinge zur Welt.

Der Ball liegt bei den Männern

Als Headhunter für Schweizer Führungskräfte verkehrt Guido Schilling oft in Chefetagen. Die Schwangerschaft einer Topmanagerin ist für ihn ein Thema, das eben eigentlich kein Thema ist. «Für Unternehmen ist es matchentscheidend, die besten Talente zu engagieren, zu fördern und an sich zu binden – und zwar unabhängig vom Geschlecht.»

Für den Headhunter geht es nicht um die Frage, dass eine Frau sich zwischen Kind und Karriere entscheiden muss – sondern ganz im Gegenteil. «Frauen werden Kinder bekommen. Es liegt an den Männern zu lernen, qualifiziert mit dieser Situation umzugehen», sagt Schilling. Gerade, weil Unternehmensführungen heutzutage nach wie vor von Männern dominiert werden.  

Wenn eine Frau immer noch zwischen Kind und Karriere entscheiden müsse, dann würden künftig gute Führungskräfte fehlen oder eine Generation später der Nachwuchs. «Unternehmen, die bei diesem Thema nicht flexibel sind, leisten sich ein Eigentor», sagt Schilling. Gut ausgebildete Frauen würden jedenfalls nicht längerfristig in einem Unternehmen mit einer «Men-only»-Kultur arbeiten wollen, sagt Schilling.

Headhunter Guido Schilling beratet mit seiner Firma Führungskräfte und Unternehmen.

Wenige Beispiele aus der Schweiz

Auch für Diskussion hat die Schwangerschaft von Jasmin Staiblin, CEO von Alpiq, im Jahre 2013 gesorgt. Die Weltwoche warf damals die Frage auf, ob ein Schwangerschaftsurlaub als frisch gekürte Chefin des Stromkonzerns zulässig sei. Als Radio SRF die Nachricht vermeldete, hat ein Schweizer Medium bei Alpiq nachgefragt, wie der Konzern nun mit dieser Situation umgehe. 

Von der Presseabteilung des Stromkonzerns hiess es: «Alpiq gehe davon aus, dass die Schwangerschaft der Chefin kein Problem sei und man deshalb nicht von sich aus informiert habe».

Eine gute organisierte Firma kann alles handeln

Staiblin bezog damals den gesetztlich geregelten Mutterschaftsurlaub von vier Monaten, um sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Zuvor, als Staiblin als CEO die Geschicke von ABBleitete, hatte sie ihr erstes Kind geboren. Auch dort beanspruchte sie wie Tausende anderer Frauen in der Schweiz Mutterschaftsurlaub und übergab die Geschäfte vorübergehend einem Stellvertreter. 

Headhunter Guido Schilling kann die Aufregung von damals nicht nachvollziehen: «Die Abwesenheit ist ja in der Regel Monate im Voraus bekannt und kann bestens organisiert werden.» Firmen, die zukunftsorientiert aufgestellt sind, würden sehr gut wissen, wie sie mit dieser Situation umzugehen haben, sagt Schilling. «Moderne Firmen fördern erfolgreiche Frauen und damit die Zukunft des eigenen Betriebs».

Jasmin Staiblin, Chefin von Alpiq Schweiz, war in ihrer Karriere als CEO zweimal schwanger.

Eine weitere prominente Führungskraft in der Schweiz ist Simona Scarpaleggia. Die 57-jährige Chefin von Ikea Schweiz ist seit über 30 Jahren mit ihrem Mann verheiratet und Mutter von drei Kindern. «Die Familie ist mein Lebensmotor», betont die charmante Italienerin immer wieder in Interviews. Ihre Kinder sind heute zwischen 20 und 25 Jahre alt.

Sie selbst begann ihre Karriere als Personalchefin beim schwedischen Möbelhaus im Jahre 2000. Sieben Jahre später wurde sie zur Vizechefin von Ikea Italia ernannt. In dieser Zeit, während Scarpaleggia ihre beachtliche Karriere hingelegt hat, hat sie ihre Kinder grossgezogen – zusammen mit ihrem Mann natürlich.

Es ging nicht um die Frage, ob Kind und Karriere vereinbar sind. 2010 wurde Scarpaleggia zur Landeschefin von Ikea Schweiz befördert und zog mit ihrer Familie an den Zürichsee. 

Wie viele Frauen in Top-Positionen schwanger werden, kann Guido Schilling nicht beantworten: Eine Rückfrage bei den acht Prozent Frauen an der Spitze der Top 100-Unternehmen in der Schweiz bei der Erstellung seines «schillingreport» hat ergeben, dass knapp sechzig Prozent der weiblichen Geschäftsleitungsmitglieder Kinder haben. 

Schilling betont, dass die Zahl der Frauen in Geschäftsleitungen hierzulande «leider konstant tief» sei. «Die gesellschaftliche Akzeptanz dafür, dass Frauen Kinder haben und gleichzeitig ein Unternehmen führen können, ist ein Generationenprojekt, an dem wir weiterhin alle arbeiten müssen», sagt Schilling.

Ein weitsichtiger Chef stellt heute eine Frau ein

Auf die Frage hin, ob die Einstellung einer Frau für eine Führungsposition noch immer ein Tabu sei, sagt Schilling: «Für eine zeitgemäse Firma steht die Qualifikation im Vordergrund. Bei ähnlicher Qualifikation stellt ein weitsichtiger Vorgesetzter heute immer eine Frau ein.»

Frauen in einer Geschäftsleitung hätten nicht nur einen Karriereplan, sondern auch einen Familienplan, sagt Schilling. «Man kann von einem Lebensplan sprechen». Diese engagierten und ambitionierten Frauen seien sich bewusst, dass sie einer Doppelbelastung ausgesetzt sind und verstehen es, sehr effizient mit ihrer Zeitplanung umzugehen.

«Derartige Frauen suchen sich Arbeitgeber aus, die es ihnen auch ermöglichen, ihren Lebensplan umzusetzen», sagt Schilling. So ist es nicht verwunderlich, dass Frauen mit einem derartigen Lebensplan, auch mit Männern zusammen sind, die ihren Teil zum Familienleben beitragen.

Simona Scarpaleggia, Chefin von Ikea Schweiz.
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