MOPO: Was macht für Sie eine gute Limonade aus? Jakob Berndt: Sie sollte nicht zu süß schmecken, aber ein bisschen Zucker gehört für meinen Geschmack dazu. Mir geht es vor allem um die Qualität und Herkunft der Zutaten. Die sollten aus ökologischer Landwirtschaft und fairem Handel stammen. Wenn die Profite dann auch noch für einen sozial nachhaltigen Gedanken verwendet werden, umso besser.
Für die meisten Menschen ist Coca-Cola die beste Limonade aller Zeiten. Haben Sie eine Ahnung warum? Coca-Cola war die erste Marke, die mit aller Konsequenz ihren Lifestyle erfolgreich global kommuniziert hat. Sie ist die uramerikanische Marke. Man assoziiert damit Hedonismus und Freiheit. Coca-Cola ist der amerikanische Traum zum Trinken. Das hat lange Zeit eine hohe Strahlkraft gehabt. Sie ist für uns alle ein Kulturgut geworden. Kaum jemand konnte sich dem entziehen. Coca-Cola wird überall getrunken - bisher. Aber die Zeiten ändern sich langsam...
„Lemonaid" wird mittlerweile zur „Kultbrause" hochgejubelt. Nervt die Bezeichnung oder freuen Sie sich darüber? Ach, darüber mache ich mir nicht so viele Gedanken. Wenn man es positiv interpretiert, im Sinne von „Lemonaid ist bei vielen Leuten beliebt", ist es ein Stück weit natürlich ein Ritterschlag, wenn man so etwas liest. Furchtbar finde ich den Begriff „Szene-Getränk", weil er ein kurzes zeitgeistiges Aufflackern beschreibt. Einen Trend, der nach zwei Jahren wieder weg ist. Wir wollen hier ganz langsam etwas Nachhaltiges aufbauen. Für uns ist das, auch wenn das jetzt pathetisch klingt, unser Lebenswerk.
Fünf Cent pro verkaufte Flasche gehen an soziale Projekte. Wohin fließt das Geld konkret? Wir haben einen gemeinnützigen Verein gegründet, der mit jeder Flasche finanziert wird. Und dieser Verein unterstützt Projekte dort, wo unsere Getränke ihren Ursprung haben. Neben fairen Preisen für etwa Rohrzucker, Limetten oder Rooibos-Tee, unterstützen wir diverse Bildungsprojekte. In einer Landwirtschaftsschule in Paraguay zum Beispiel finanzieren wir Lehrmittel und einen Teil der Lehrergehälter. In Mexiko, Sri Lanka und Südafrika engagieren wir uns ebenfalls.
Eine Flasche „Lemonaid" kostet im Laden 1,50 Euro. Das sind fünf Cent als Spende nicht gerade viel. Faktisch ist es das aber. Denn von dem Ladenpreis erhalten wir natürlich nur einen Teil, rund die Hälfte - der Rest verbleibt, vollkommen zu Recht, bei dem Ladenbesitzer, bzw. dem liefernden Fachhändler. Von unserer Einnahme zahlen wir dann zu allererst die fair und biologisch erzeugten Rohwaren, die Fairtrade-Prämien, dann die Flaschen und Kisten und deren Bedruckung, den Abfüllprozess, die Logistik - und natürlich unseren laufenden Betrieb. Wenn man all das nüchtern betrachtet, sind die zusätzlichen 5 Cent an den Verein eine signifikante Summe. Ich kenne kein ansatzweise vergleichbares Modell im Getränkebereich. So kamen dann auch allein im vergangenen Jahr mehr als 340000 Euro für die Projektarbeit zusammen - eine stolze Summe, wie wir finden.
„Lemonaid" und „Charitea" sind mittlerweile zu Lifestyle-Drinks geworden. Sie sind ehemaliger Werber: Wie wichtig ist es, dass die sogenannten Hipster der Stadt eine Ihrer Flaschen in der Hand haben? Wir sind, was das angeht, nie strategisch vorgegangen, sondern haben unsere Getränke am Anfang einfach dort verkauft, wo wir selber herkommen und sich unsere Freunde bewegen. Also St. Pauli, Karo- und Schanzenviertel. Die Leute dort sind sicher auch sehr interessiert an dem, was wir erzählen: Soziale Nachhaltigkeit in einem attraktiven Gewand, ohne dabei mit dem tadelnden Zeigefinger zu wedeln. Aber das gilt genauso für Leute in vielen anderen Stadtteilen.
Blicken wir zurück: Ende 2008, zu Beginn der Finanzkrise, kommen drei Jungs Ende 20 zu den Banken und wollen einen Kredit über 800000 Euro für neue Brause und Tee. Wie oft sind Sie auf taube Ohren gestoßen? Wir hatten einige Gespräche, die relativ ernüchternd waren. Existenzgründung war zu der Zeit halt nicht besonders populär bei den Banken. Rückblickend war es anstrengend, wir mussten viele Klinken putzen, aber irgendwie hat es doch alles relativ schnell geklappt. Mit der Bürgschaftsgemeinschaft Hamburg ging dann alles ganz schnell - und nach einem Dreivierteljahr konnten wir loslegen.
Was haben Sie am Anfang richtig gemacht? Dass wir uns von Anfang an immer wieder Feedback von vielen Leuten geholt und dann den nächsten Schritt gemacht haben. Wir waren etwa bei Tim Mälzer in der „Bullerei" und hatten unsere Kanister mit Limo dabei, die wir vorher in meiner Küche gemixt hatten. Lange bevor wir wussten, wie die Flaschen aussehen sollten. Er sagte: Okay Jungs, schmeckt mir. Kommt vorbei, wenn ihr die Dinger fertig habt! Später bin ich auf dem Fahrrad durch Berlin-Kreuzberg geradelt, mit halbwarmer Limo auf dem Weg zu potenziellen Kunden, immer mit der Angst, dass die Kohlensäure irgendwann weg ist. Wir haben einfach versucht, die Leute für unser Projekt zu begeistern und wurden zum Glück überall sehr positiv bestärkt.
Wie viele Flaschen haben Sie im ersten Jahr verkauft? Die erste Produktpalette umfasste 30000 Flaschen. Für uns damals eine unfassbar große Zahl. Da haben wir gemerkt: Das kann funktionieren.
Und im vergangenen Jahr? Sechs Millionen.
Haben Sie Pläne, ins Ausland zu expandieren? Es gab bereits Anfragen von Gastronomen aus Kuwait oder Neuseeland. Völlig verrückt. Das haben wir bislang aber stets abgelehnt, weil wir gar nicht die Kapazitäten hätten, um dort präsent zu sein. Wir verfolgen natürlich, was in anderen europäischen Metropolen getrunken wird - aber vor der eigenen Haustür wartet noch genügend Arbeit auf uns.
Kommt nicht irgendwann der Punkt, wo Sie sagen: Ich habe genug Geld gesammelt und Gutes getan - jetzt kaufe mir ein teures Segelboot? Nein, das wird uns nicht passieren. Aber wir inszenieren uns auch nicht auf Teufel komm raus als selbstlose Mutter Teresa. Alle im Team werden fair bezahlt, einige haben Kids zu Hause - und wollen von ihrem Lohn auch mal in den Urlaub fahren oder sich ein neues Fahrrad kaufen.