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Antilopen Gang: Viel Image, wenig Inhalt // Kommentar

Foto: Katja Runge

Die Antilopen Gang hat ihr neues Album »Abbruch Abbruch« veröffentlicht und verabschiedet sich endgültig vom Anspruch, ernstzunehmende, politische Musik zu machen. Stattdessen flüchtet sich das Trio in überzogene Kampfansagen, die bestenfalls ironisch zu verstehen sind, im schlechtesten Fall aber zur Ideologie werden.

Seit sich die Antilopen beim Tote Hosen Label JKP immer mehr Hörer*innen erspielt haben und mit ihrem letzten Album »Anarchie und Alltag« sogar Platz Eins der Charts erreichen konnte, gelten sie als Aushängeschild von politischem Deutschrap. Dafür haben zum Beispiel Songs wie »Beate Zschäpe hört U2« gesorgt, in denen mäßig elaborierte Positionierungen gegen Rechts zu echten Hits wurden. Kritik daran gab es immer wieder von verschiedenen Seiten und »Abbruch Abbruch« zeigt einmal mehr, warum sie berechtigt ist.

Einfache Feindbilder

Zum Beispiel im »Lied gegen Kiffer«, einem bewusst provokanten Song gegen Cannabiskonsum. Dort erzählen die drei Rapper erst von eigenen Erfahrungen während ihrer Kifferphase, die sie bereits hinter sich gelassen haben, und gelangen danach zum Urteil, dass Kiffer*innen irgendwann zwangsläufig zu Neurechten werden. Klar, das scheint übertrieben und schlichtweg Schwachsinn zu sein, aber ironische Überhöhungen können als Stilmittel natürlich funktionieren. Diese ironische Ebene verfliegt allerdings schnell, wenn Koljah diese Aussage im Interview mit der taz ohne jeglichen Humor wiederholt und Kiffer*innen mit Verschwörungstheoretiker*innen gleichsetzt. Marlene Mortler hätte nicht besser abliefern können.

Schlimmer wird es nur, wenn die Gruppe in ihrem Song auch noch ein einzigartiges und mutiges Statement sieht, das sich gegen die im Rap propagierte Glorifizierung von Gras richtet. Dabei gibt es genug Beispiele aus dem Bereich Deutschrap, die sich kritisch mit Cannabiskonsum und seinen Folgen auseinandersetzen, ohne so plump zu argumentieren wie die Antilopen, zum Beispiel hierhier und hier.

Nicht nur beim Kiffen zeichnen die Rapper ein komplett undifferenziertes Bild, das zwar provokant ist, dafür aber ohne ernstzunehmende Auseinandersetzung mit einem Thema auskommt. Der Song »Zentrum des Bösen« gewinnt durch die #Dorfkind-Debatte ungeplant an Aktualität und zeigt das simple »Gut gegen Böse«-Denken der Antilopen. Auf der einen Seite die fortschrittliche Großstadt, in der Innovation, individuelle Freiheit und Anonymität herrschen, auf der anderen Seite das veraltete Dorf, in dem es nur Nazis, leerstehende Häuser und tratschende Nachbar*innen gibt. Auch hier gilt: ironische Übertreibungen gut und schön, nur sollte man dann im Interview nicht vom Dorf als einer generell »faschistoiden Gemeinschaft« sprechen (Danger Dan) oder Dorfbewohner*innen unterstellen, ein antisemitisches Stereotyp auszuleben (Koljah). Solche Ansichten sind ähnlich simpel gedacht wie die Kampagne einer Julia Klöckner, die das Dorfleben als perfekte, heile Welt inszeniert.

Image statt Inhalt

Die politischen Ansichten, die die Antilopen vertreten, haben mit Links-Sein und fundierten Auseinandersetzungen wenig zu tun. Stattdessen erschaffen sie eine klischeehafte Imitation von linken Positionen, die so einfach zu verstehen sind, dass damit keine Hörer*innen abgeschreckt werden können. Im Interview des Diffus Magazins sitzen die drei Bandmitglieder dann mit dem kultigen Ärzte-Drummer Bela B. zusammen, dessen politisches Engagement unter anderem in der Unterstützung des auf vielen Ebenen zu kritisierenden Olympiastadion-Events des Kondom-Start-Ups »Einhorn« besteht, und kumpeln darüber ab, wie es ist, wenn der Mainstream auf einmal die eigenen Songs hört.

Die Antilopen haben auf dem letzten Album bereits Erfahrungen mit ihrem Radiohit »Pizza« gemacht und erklären unter anderem im JUICE Interview, dass ihnen durchaus bewusst gewesen sei, welche Konsequenzen so ein kalkulierbarer Hit haben kann. Natürlich ist es nicht per se verwerflich, einen massentauglichen Hit zu schreiben und diesen dann als solchen zu veröffentlichen. Die Antilopen Gang versucht allerdings mit Ironie aus dieser Rolle zu flüchten, in der ihre Musik eben nichts anderes ist, als leicht konsumierbarer, pseudolinker Rap. Der neueste Versuch besteht im Track »Der Ruf ist ruiniert«, wo es heißt: »Uns’re Fans sind nicht mehr die Zecken von früher/ Uns’re Fans sind SPD- und Grünen-Wähler«. Zeilen, die Kritik vorwegnehmen sollen, aber nicht darüber hinwegtäuschen können, dass simples Bashing gegen Kiffer*innen und ein Loblieb auf die Individualität in der modernen Großstadt wahrscheinlich auch neoliberale FDP-Wähler anspricht.

Schon 2019 schrieb das Lower Class Magazine in einer Kritik der politischen Einstellung der Antilopen Gang: »Anstatt sich mit Ursachen des Faschismus zu befassen, statt sich mit gesellschaftlichen Verhältnissen auseinanderzusetzen, die den Aufstieg der Rechten begünstigen, anstatt sich also auch nur im Ansatz irgendeinen politischen Gedanken zu machen, belässt es die Antilopen Gang lieber dabei, pauschal in den Deutschen die Ursache allen Übels zu sehen.« »Abbruch Abbruch« liefert die Fortsetzung dieser politisch angehauchten Inhaltslosigkeit, die sich so gut verkaufen lässt. Wir sollten aufhören, die Antilopen Gang als Vertreter von linkem Rap zu betrachten.

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