David Korsten

Freier Autor und Journalist, Köln

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Bienen am Bundestag – Reiche Ernte fürs Volk?

Seit April 2016 lebt ein Bienenvolk im Zentrum der Macht. Wir haben mal nachgefragt, ob dort für die emsigen Insekten was zu holen war.

Im Herzen der Republik, im Bundestag, arbeiten seit einem halben Jahr nicht nur die 630 Volksvertreter samt Kanzlerin Merkel. Auch eine Monarchie mit einer Königin (Name unbekannt) und ihren 50.000 Untertanen siedelt dort inzwischen. Genauer: Es geht um ein Bienenvolk, das im Innenhof des Paul-Löbe-Hauses residiert, keine fünf Gehminuten vom Reichstagsgebäude entfernt. Das rot-grüne Koalitionsprojekt haben initiiert: Martin Burkert (SPD) und Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen).


Mit der Aktion wollen die beiden Parlamentarier auf die Probleme hinweisen, unter denen Insekten, insbesondere die Bienen, leiden. Mit den Bundestagsbienen leisten sie nun gleich selbst einen kleinen Beitrag zur erwünschten Vergrößerung der Bestände - Stichwort „Bienensterben". Dessen Ursachen sind vor allem Pestizide und Monokulturen in der Landwirtschaft sowie Milbenbefall.


Bis das Bienenvolk im Tiergarten und Unter der Linden mit dem Sammeln loslegen konnte, dauerte es allerdings eine Weile. Nach erfolgreicher Testphase mit 2.000 Bienen im vergangenen Jahr (keine Stiche, keine Allergiker, keine Einwände) gab Bundestagspräsident Norbert Lammert grünes Licht. Inzwischen Erfolgsmeldungen aus Berlin: Zweimal kamen Bärbel Höhn, deren Vater auch hobbymäßig imkerte, und ihre Mitarbeiter bereits ans Schleudern, im Mai und im Juli. Die Ausbeute: 50 Kilogramm feinsten Bienenhonigs.


„Stadthonig ist oft sogar besser als der vom Land", sagt der Imker Dr. Benedikt Polaczek, der an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Veterinärmedizin, AG Bienenhaltung, arbeitet und das Projekt als Fachmann begleitet. Dass sich viele Städter den Traum vom eigenen Honig ohne intensive Vorbereitung erfüllen wollen, sieht er hingegen kritisch: „Manche Menschen beginnen mit 5.000 Bienen auf dem heimischen Balkon. Wenn Sie im nächsten Jahr dann 50.000 Bienen haben, rufen sie verzweifelt an und wissen nicht weiter." Die Bienenzucht koste, wie die Tierhaltung insgesamt, viel Zeit, auch Geld, vor allem aber sei ein gewisses Maß an Fachwissen nötig. Das fehle all denen, die ihr Know-how fürs „Urban Beekeeping" allein aus dem Internet bezögen. „Da steht viel Unsinn über die Bienenhaltung drin", sagt Polaczek und empfiehlt, dass Neuimker sich beim Amtstierarzt anmelden, damit sich gefährliche Bienenseuchen nicht unkontrolliert ausbreiten.


Mit den Bundestagsbienen jedoch lief alles nach Plan: Wie erhofft suchte sich die Königin mit einem Teil ihres Volkes einen neuen Standort, den sie dank des extra dafür aufgestellten zweiten Stocks rasch fand. (Jetzt von einem „gespaltenen Bienenvolk" zu fabulieren, wäre natürlich Quatsch.)


Die „Bundestagsblüte", so der Name des Honigs (der ursprüngliche Vorschlag Burkerts „Umweltfreundlicher Verkehrsflughonig", hat sich, warum auch immer, nicht durchgesetzt), haben die Hobbyimker am Bundestag übrigens über die anderen Büros und den Bundestags-Shop verkauft. Wegen des begrenzten Ertrages habe man sich gegen einen öffentlichen Verkauf entscheiden, heißt es bei den Grünen. „Die Nachfrage war so groß, dass wir in etwa die fünffache Menge an Honig hätten verkaufen können", teilt Daniel Holstein, Mitarbeiter Höhns, mit. Die Erlöse - der exakte Betrag ist noch nicht ermittelt - gehen als Spende an das „Netzwerk Blühender Bodensee". Mit dieser Initiative setzt die Deutsche Umwelthilfe für, pardon, blühende Landschaften ein.


Was die Aktion „Bundestagsblüte" politisch gebracht hat? Abwarten. Die Bundestagsabgeordneten dürften sich jedoch gefreut haben. Süßer Saft für bittere Zeiten? Das hat was. 2017 ist Bundestagswahl.

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