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Gespaltenes Guinea: Alpha Condé, die Dritte?

Vor zehn Jahren hätte wohl niemand in Guinea geglaubt, was sich derzeit in dem westafrikanischen Land abspielt: Damals feierten viele ihren neuen Präsidenten Alpha Condé - das erste Staatsoberhaupt seit der Unabhängigkeit 1958, das durch freie Wahlen an die Macht gekommen war. Allerdings war es damals rund um die Stichwahl zu schweren Unruhen zwischen Anhängern der beiden Kandidaten gekommen.


Heute steht eben dieser Alpha Condé im Zentrum eines erbitterten Streits um die Auslegung der Verfassung: Diese sieht nur zwei fünfjährige Amtszeiten für den Präsidenten vor; aus Sicht seiner Gegner dürfte Condé bei der bevorstehenden Wahl am 18. Oktober nicht mehr auf den Stimmzetteln stehen. Doch nun hat die Regierungspartei RPG Condé offiziell zum Kandidaten gekürt. Aus ihrer Sicht steht Condés Zähler wieder auf Null, seit im März eine neue Verfassung per Referendum mit großer Mehrheit angenommen wurde.


Gegner gehen auf die Barrikaden

Die Erklärung der RPG hat an verschiedenen Orten des ressourcenreichen Landes mit seiner größtenteils armen Bevölkerung Proteste ausgelöst - sogar in der Stadt Kankan, die als RPG-Hochburg bekannt ist. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Einsatzkräften wurde mindestens ein Mensch getötet; mehrere wurden verletzt.


Zum Protest aufgerufen hatte unter anderem die "Nationale Front zur Verteidigung der Verfassung" (FNDC) - die zentrale Oppositionsbewegung des Landes, unter der sich verschiedene Gruppierungen im Vorfeld des Verfassungsreferendums vom 22. März zusammengeschlossen hatten. Die FNDC hatte damals zum Boykott der Abstimmung aufgerufen. "Wir können nicht die Arme verschränken und dabei zusehen, wie Alpha Condé auf dem Rücken der Guineer tut, was er will", sagte Al Habib Bah, FNDC-Regionalkoordinator, nun der DW.


Das Dilemma der Opposition

Die FNDC macht aus Sicht von Joschka Philipps, Soziologe mit Forschungsschwerpunkt Guinea an der Universität Basel, eine schwierige Transformation durch - von einer zivilgesellschaftlichen Bewegung zu einer politischen Kraft. "Jetzt ist die große Frage: Wer repräsentiert die Opposition?"


Condés politische Gegner befinden sich in einem Dilemma, glaubt der guineische Politikwissenschaftler Kabinet Fofana: "Es gibt eine Reihe politischer Parteien, die ihre Kandidatur bei den Wahlen angekündigt haben. Die UFDG, die wichtigste Oppositionspartei, hat vor kurzem interne Konsultationen zur Frage ihrer Teilnahme an den Wahlen organisiert", sagt er im DW-Interview. Bislang ist noch nicht klar, ob die zentrale Figur der Partei UFDG und somit auch der Oppositionsbewegung FNDC, Cellou Dalein Diallo, sich wieder zur Wahl stellt. Damit könnte sich die Konstellation von vor zehn Jahren wiederholen: Bei der Wahl 2010 lag Diallo sogar vorne, nach Auseinandersetzungen siegte Condé in der Stichwahl.


Diallo, der von 2004 bis 2006 Premierminister war, hätte diesmal wohl die Chance, viele Gegner einer dritten Amtszeit Condés hinter sich zu vereinen. Sollte er antreten, bemängeln jedoch andere, würde er Condés verfassungsrechtlich umstrittene Kandidatur legitimieren.

Für die FNDC könnte eine Kandidatur Diallos allerdings eine Zerreißprobe bedeuten. Sie wäre ein Signal dafür, dass auch innerhalb des neuen Bündnisses etablierte Politiker bevorzugt werden.


Ungewisser Ausgang

Fofana rechnet damit, dass die Opposition darauf setzt, die Demonstrationen weiter zu intensivieren. "Die Frage ist, ob das in einem Kontext möglich ist, in dem immer noch ein gesundheitlicher Ausnahmezustand herrscht", sagt Fofana in Bezug auf die Coronavirus-Pandemie. Ein Problem sei außerdem: "Immer mehr Akteure innerhalb der FNDC denken darüber nach, sich zur Wahl zu stellen." Das schwäche den Zusammenhalt in der Oppositionsbewegung.


Dauerhafter Druck von der Straße würde durch eine Zersplitterung der FNDC ungewisser. Soziologe Joschka Philipps sieht in der schlechten wirtschaftlichen Lage vieler Menschen ein weiteres Indiz gegen anhaltende große Demonstrationen: "Jeder Streik und jeder Protest, der sich über mehrere Tage hinzieht, ist wirklich existenzbedrohend für viele Leute, die eigentlich gegen das Regime sind."


Philipps glaubt, dass viele von Condés Gegnern innerhalb der Bevölkerung "so desillusioniert sind von der Politik als solcher, dass sie sich zweimal überlegen müssen, ob es sich lohnt, weiter auf die Straße zu gehen". Falls doch, seien aber auch Sicherheitskräfte und Armee darauf vorbereitet. "Man kann das nicht komplett vorhersehen", sagt Philipps im DW-Interview. "Aber im Moment sieht es zumindest meiner Meinung nach so aus, dass Alpha Condé doch in einer relativ stabilen Lage ist."


Ob das auch für die Sicherheitslage gilt, ist ungewiss: "Dass es zu Ausschreitungen kommen wird, gilt vielen Beobachtern als sicher", sagt Philipps. Es sei ein Wunder, dass es in Guinea trotz der vielen schwelenden Konflikte nie zu einem Bürgerkrieg eines Ausmaßes wie in den meisten Nachbarländern gekommen sei. Rund um die Wahl sieht auch Politikwissenschaftler Kabinet Fofana die Gefahr, dass es zumindest in den Hochburgen der Opposition zu massiverer Gewalt kommen könnte.


Schaut die Welt nach Guinea?

Die FNDC forderte bereits anderthalb Monate vor der Wahl die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft ein, insbesondere die der regionalen Staatengemeinschaft ECOWAS: "Damit würde verhindert, dass sich in Guinea ein Szenario wie in Mali wiederholt", sagte FNDC-Sprecher Ibrahim Diallo. Im nordöstlichen Nachbarland Guineas moderieren Abgesandte der ECOWAS nach dem Putsch Mitte August zwischen den Konfliktparteien.

Zwar hat der Boykott des Verfassungsreferendums durch die Opposition zur Folge, dass wohl niemand aus der internationalen Gemeinschaft legitimen Druck gegen eine dritte Amtszeit Alpha Condés aufbauen könnte. "Wenn jedoch etwas geschehen würde, wäre Guinea nicht allein", gibt sich Politologe Fofana im DW-Interview überzeugt. "Es wird Institutionen geben wie die ECOWAS, die Afrikanische Union, die Europäische Union und so viele andere, die sich zwangsläufig engagieren werden."

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