Monika Schröder hat zehn Jahre in Amerika gelebt. Dem SÜDKURIER schildert Schröder, wie sie den Alltag in den Südstaaten, die Amtszeit von Donald Trump und die letzten beiden US-Wahlen erlebte. Sich selbst nennt sie einen „Politik-Junkie.“
Von Daniela Biehl
Wenn Monika Schröder an ihre zweite Heimat denkt, denkt sie an ein zerrissenes, an ein raues Land. „Viele Amerikaner sind voller Hass und Angst", sagt sie. Gespalten entlang politischer Einstellungen und entlang der Linien von Klassen und Rassen.
Schröder sitzt in der Radolfzeller Redaktion des SÜDKURIERS und erzählt, wie sie vor 30 Jahren ihren Mann kennenlernte. Einen Amerikaner. Schröder, damals 25 Jahre alt und Mitarbeiterin beim Deutschen Bundestag, war für einen Urlaub in Ägypten. Und in der Hotellobby stand er plötzlich vor ihr. Todd Church.
Dass sie diesen Mann einmal heiraten sollte, dass sie mit ihm an Amerikanischen Schulen im Ausland unterrichten, dass sie während dieser Zeit in Ägypten, Chile, Oman, Indien und schlussendlich in Amerika leben sollte - ehe sie nach Radolfzell ziehen würde- ahnte Monika Schröder da noch nicht. Sie sei nur „sehr verliebt" gewesen.
Wie sie Amerika dann wahrgenommen habe? Schröder muss weit ausholen. Und will auch nur für die Südstaaten sprechen. Dort in North Carolina, in der Nähe von Asheville und mitten in den Blue Ridge Mountains hat sie zehn Jahre lang gewohnt. Die beiden Amtszeiten von Obama und Trump hat sie genau dort miterlebt. Und sagt: „Der amerikanische Süden hat seine eigene Kultur. Seine eigene Geschichte, die sehr mit der Sklaverei zusammenhängt."
Und auch mit der Ländlichkeit der Gegenden. Der Boden im Süden sei so karg, dass man dort nur Tabak, Baumwolle oder Mais anbauen könne. So karg, dass verglichen mit Staaten wie Kalifornien nur ein winziger Teil der Bevölkerung dort lebe.
Der amerikanische Traum - eine IllusionEin weißer, konservativer Teil. „Hier ist mir die Spaltung zwischen ländlicher und städtischer Bevölkerung so richtig bewusst geworden. Der amerikanische Traum ist für viele nur noch eine Illusion. Weil die heutige Generation nicht mehr davon ausgehen kann, dass es ihre Kinder wirklich besser haben als sie, haben viele Amerikaner Angst vor einem Statusverlust." Und der zeige sich ganz besonders an einer Anti-Einstellung.
Immer wieder sei Monika Schröder auf Menschen getroffen, die gegen alles gewesen sein, gegen Obama, gegen eine Krankenversicherung, gegen strengere Waffengesetzte, gegen Clinton, gegen Biden, gegen ethnische Minderheiten und erst kürzlich gegen Masken als Coronschutzmaßnahme.
Und trotzdem, sagt sie, hätte sie niemals damit gerechnet, dass Donald Trump einmal ins Weiße Haus einziehen würde. „2016 war so unwirklich. Wie in einem Film." Monika Schröder weiß noch, dass sie in der Nacht nach der Wahl nicht schlafen konnte. Dass sie durch ihre Wohnung getigert sei, stundenlang im Fernsehen die Auszählung verfolgt habe. Und es einfach nicht glauben konnte. „Trump, der sich damit brüstete, Frauen belästigt zu haben und solchen Hass schürt. Der soll unser Präsident sein."
Nur einen Tag später flog Schröder zu ihrem Geburtstag nach New York. Und erlebte eine Stadt im Ausnahmezustand. Auf der einen Seite die Demonstrationen gegen Trump, abgeschirmt von bewaffneten Sicherheitsleuten. Auf der anderen „diese unglaubliche Stille."
Monika Schröder war mit ihrem Mann in einem Museum. Und erinnert sich noch an diese eine Dame: Eine Museumsführerin, die die beiden eigentlich zu ein paar Gemälden führen sollte. „Aber ihr hatte es komplett die Sprache verschlagen. Sie stand so unter Schock, dass sie uns zu den Bildern gar nichts mehr gesagt hat." Immer wieder hätte sich die Dame vergewissern müssen, dass Clinton nicht Präsidentin geworden sei.
Komplexes RegierungssystemAuch diese Wahl hat Monika Schröder genau verfolgt. Sie sagt über sich selbst: „Ich bin ein Junkie für Politik." So lange wach geblieben wie 2016 ist sie aber nicht. Das lag zum einen an ihrem Umzug. Genau drei Wochen vor der Wahl ist Schröder mit ihrem Mann nach Radolfzell gezogen. Zum anderen an ihrem Gefühl: „Ich habe immer gedacht, dass Biden gewinnt." Auch als Trump am Anfang der Auszählungen vorne lag? „Ja!" Monika Schröder war sich sicher.
Was sie aber schockiert, sind die absoluten Zahlen. „Dass fast 74 Millionen Amerikaner für Trump stimmten. Nach all den Lügen. Und dem Hass, den er gesät hat." Genau das zeige, wie gespalten das Land wirklich sei. Und wie viel Arbeit vor Joe Biden liege. Immerhin wolle der Präsident Brücken bauen und nicht spalten. Er wolle sich der Corona-Pandemie stellen und die staatliche Krankenversicherung erweitern.
Keine leichten Vorhaben, findet Monika Schröder. „Das Regierungssystem in Amerika macht es sehr schwer, das Land effizient zu regieren." Zwar haben die Demokraten die letzten Senatorenposten in Georgia gewonnen und somit de facto eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern, doch schon „in zwei Jahren bei der nächsten Wahl kann Biden die Mehrheit in Repräsentantenhaus wieder verlieren." Das Hoffen und Bangen um ihre zweite Heimat gehe weiter.
2020 war ein ungewöhnlich hartes Jahr, in Amerika wie in Deutschland. Eine Belastungsprobe für die Demokratie. Wie Schröder das Jahr unter Corona erlebte? Und wie sie sich an den Tod von George Floyd erinnert? Es dauert eine Weile, bis die einstige Lehrerin auf die Fragen antwortet. Weil das Jahr für sie schon in weite Ferne gerückt ist. Weil sie lieber nach vorne blickt. Und weil sie gerade in Radolfzell Fuß fassen will. Was gar nicht so einfach sei, wenn man sich bewusst isoliere. „Aber nur so kann man dem Virus etwas entgegensetzen", sagt die 55-Jährige.
Gewaltbereite GesellschaftAls Schröder das Video von George Floyd im Fernsehen sah - sah, wie der Afroamerikaner von einem Polizisten zu Boden gedrückt wurde, wie er rief „I can't breath", „ich kann nicht atmen" und unter der Gewalt des Polizisten schließlich starb - wollte sie bald nur noch umschalten. „Das Video lief überall. Und es war furchtbar, weil es überhaupt keinen Grund gab, Floyd solange auf dem Boden liegen zu lassen."
Aber Monika Schröder weiß auch, wie gewaltbereit die amerikanische Gesellschaft sei, dass sich bei der Polizei Subkulturen bildeten, die eine „Wir gegen die"-Mentalität entwickelt hätten - und vor allem, wie alltäglich Rassismus in den USA ist. So alltäglich, dass sie es selbst immer wieder mitbekam.
Als Schröder etwa einmal zur Post ging, um ein Paket zu verschicken, hatte das Amt gerade neue Briefmarken erhalten. Darauf zu sehen: Barbara Jordan. Eine afroamerikanische Frau, die 1973 für den Bundesstaat Texas ins Repräsentantenhaus einzog. Doch: „Der Mann vor mir wollte die Briefmarke nicht kaufen weil dort eine Schwarze abgebildet war."
Es ist das einzige Mal, dass Monika Schröder während des Gesprächs für einen Moment ihre Gelassenheit verliert. Was sie dann sagt, bringt die Situation in Amerika auf den Punkt: „Das Land hat seine Vergangenheit nie richtig aufgearbeitet." Und: „Die Tatsache, dass die Wahl so knapp war, sagt viel über Amerika aus." Es sei noch immer verdammt gespalten.
Corona-Maßnahmen eine FarceUnd dann auch noch Corona. Wer erfährt, was Schröder in Asheville erlebt hat, versteht warum sie die deutschen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie so lobt. „In vielen Orten in Amerika war das eine Farce." Trotz Anordnung hätte dort kaum jemand eine Maske getragen, nicht auf der Straße, wenn man dicht beisammen stand. Nicht in den Geschäften. Plexiglasscheiben oder Abstandsmarkierung wie sie in Deutschland gang und gäbe sind, hätte es dort nicht gegeben. „Dass sich die Gouverneure für Masken aussprachen, hat die Sheriffs nicht interessiert." Kontrolliert habe das jedenfalls niemand.
Dabei seien die Infektionszahlen auch in Asheville stark angestiegen. So stark, dass Monika Schröder schon dachte, aus ihrem Umzug nach Deutschland würde nichts mehr. „Durch Corona haben wir das wieder - und wieder - verschoben." Und das obwohl sie sich mit ihrem Mann in die Hegau- und Bodenseegegend verliebt hatte. Bei einem Urlaub vor zwei Jahren.
„Mein Mann ist ein begeisterter Radfahrer und liebt die Radwege, die es hier gibt." Und Monika Schröder mochte die Nähe zum See. „Hier lässt es sich gut schreiben", sagt sie. Denn: Schröder hat ihren Beruf als Lehrerin vor ein paar Jahren aufgegeben. Sie ist Schriftstellerin geworden - und in Amerika keine Unbekannte. Fast alle ihrer Kinder- und Jugendbücher wurden schon mit Preisen ausgezeichnet. Und sie schreibt auf Englisch. Auch wenn sie dann an das zerrissene, raue Amerika denken muss. Heute gespaltener denn je. Aber auch das sei ihre Heimat.
Zum Original