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Fluggesellschaften: Klimafreundlich aus der Krise

Leere Flughäfen und fast komplett stillgelegte Flotten: Die Corona-Krise bringt viele Fluglinien an den Rand der Insolvenz. Allein bei der sind rund 22.000 Stellen in Gefahr - und das trotz der Milliardenhilfen durch den Staat. Welche Bedingungen Regierungen für Rettungspakete stellen sollten, wird gerade in vielen europäischen Ländern diskutiert. Neben den Arbeitsplätzen geht es dabei auch um Klimaschutz - denn Fliegen ist die klimaschädlichste Form der Fortbewegung. Wenn Steuergeld ausgegeben wird, dann muss das unter sozialökologischen Auflagen geschehen, fordern nun Aktivistinnen, aber auch Klimaforscher und Ökonominnen. Frankreich und Österreich haben bereits in Ansätzen gezeigt, was möglich ist. Sieben Ideen, wie die Luftfahrt klimafreundlicher aus der Krise kommen kann.

1. Staatshilfen an Klimaziele koppeln

Rettungspakete für Fluggesellschaften, die nicht an Bedingungen geknüpft sind, schätzen Experten des Finanzsektors als wenig rentabel ein. Zu diesem Ergebnis kommt ein Beitrag des Oxford Review of Economic Policy, für den zahlreiche Wirtschaftsexperten aus mehr als 50 Ländern befragt wurden. Ihr Lösungsvorschlag: Jede Rettungsaktion für Fluggesellschaften sollte die Bedingung enthalten, dass die jeweilige Gesellschaft bis 2050 Netto-Null-Kohlenstoffemissionen erreicht, mit Zwischenzielen in Fünf- oder Zehn-Jahres-Intervallen und einem konkreten Plan zur Umsetzung. Wenn die Fluggesellschaften diese Bedingungen nicht erfüllen, müssen die Finanzhilfen zurückgezahlt werden. Auf diese Weise hätten Führungskräfte und Aktionäre der Fluggesellschaften starke finanzielle Anreize, um die CO2-Ziele zu erreichen.

Wie das gehen kann, zeigt Frankreich. Die Regierung dort hat beschlossen, das Rettungspaket für die in Höhe von sieben Milliarden Euro an die Verpflichtung zu binden, CO2-Emissionen auf Lang- und Mittelstrecken bis 2030 um 50 Prozent pro Person und Kilometer zu reduzieren. Absolute Emissionsgrenzen enthält die Abmachung allerdings nicht. Auf innerfranzösischen Flügen gilt das schon bis 2024. Bis 2025 müssen zudem mindestens zwei Prozent des verwendeten Treibstoffs aus einer klimaneutralen Quelle kommen.

2. Verbot von Kurzstreckenflügen

Air France muss ihre Inlandsverbindungen im Gegenzug zu den Staatshilfen einschränken. Flugverbindungen, die in Konkurrenz zu den TGV-Verbindungen der Bahn stehen - beispielsweise zwischen Paris und Lyon oder Bordeaux - werden voraussichtlich eingestellt.

Die Umweltschutzorganisation BUND fordert Ähnliches für Deutschland: Im Gegenzug für die Staatshilfen soll die Lufthansa Ultrakurzstreckenflüge - zum Beispiel von München nach Nürnberg - sofort einstellen und alle Inlandsflüge sollen bis spätestens 2030 auf die Schiene verlagert werden. Ähnlich wie bei dem Deal mit der Air France soll zum Beispiel die Lufthansa-Tochter Eurowings nicht mehr mit Dumpingpreisen Bahnverbindungen Konkurrenz machen, wie dies derzeit etwa bei der Verbindung Berlin-München der Fall sei.

Die Umweltorganisation Transport and Environment fordert dazu ein europaweites großes Investitionsprogramm für den öffentlichen Verkehr in attraktive Fernverkehrslinien auf der Schiene, die länderübergreifend ebenso problemlos zu buchen sein müssen wie bisher Flüge.

In Österreich wurde im politischen Deal zur Rettung der Austrian Airlines die Finanzierung des 1-2-3-Tickets ausgehandelt. 240 Millionen Euro stehen nun bereit, um Pauschaltickets einzuführen, mit denen man Züge und öffentliche Verkehrsmittel im gesamten Bundesgebiet für drei Euro täglich nutzen kann, so oft man möchte. Auch das Nachtzugangebot der ÖBB werde weiter ausgebaut, hieß es. Die Regierung will Nachtzüge auf den innerösterreichischen Streckenteilen ab 2024 mit zehn Millionen Euro pro Jahr subventionieren.

3. Steuervorteile abbauen

Der Luftverkehr in Deutschland und Europa ist gegenüber der Bahn oder Bussen im Vorteil, weil er weniger Steuern zahlen muss. Die europaweite Steuerbefreiung von Kerosin geht auf das Jahr 1944 zurück, als man sich im Chicagoer Abkommen darauf einigte, die internationale Zivilluftfahrt zu fördern. Seit einer Überarbeitung der EU-Energiesteuerrichtlinie von 2003 steht es den EU-Mitgliedsstaaten eigentlich frei, eine Kerosinsteuer einzuführen. Doch bis auf die Niederlande, die so gut wie keine innerstaatlichen Flüge durchführen, hat kein Land das getan.

Allein im Jahr 2017 verzichtete der deutsche Staat so auf 8,1 Milliarden Euro, hat das Umweltbundesamt ausgerechnet. Dazu kommt: Für internationale Bus- und Bahnfahrten wird für den deutschen Streckenteil der volle Umsatzsteuersatz von 19 Prozent fällig, für den internationalen Flugverkehr ab Deutschland fällt dagegen keine Umsatzsteuer an. Auch hier entgehen dem Staat jährlich mehrere Milliarden Steuereinnahmen, die sich gut in den Ausbau des Zugverkehrs, der Radwege und günstiger Mobilitätstickets investieren ließe.

4. Regionalflughäfen stilllegen

Viele deutsche Regionalflughäfen müssen subventioniert werden, weil sie nicht rentabel sind. Die Naturschutzorganisation BUND und der ökologische Verkehrsclub VCD schlagen vor, das zugunsten eines übergeordneten europäischen oder zumindest nationalen Flughafensystems zu beenden. Die Europäische Union, so der Vorschlag, soll auf einige mit Gewinn arbeitende Flughäfen setzen. Auf diese Weise kann die EU länderübergreifend einen geordneten Rückbau unrentabler Flughäfen koordinieren und dazu beitragen, dass nur die besonders wesentlichen Flugstrecken bedient werden. Und die freigewordenen Flächen könnten für Wohnungsbau oder Naherholungsflächen genutzt werden.

5. Dumping-Angebote verhindern

Nur etwa vier Prozent der Weltbevölkerung fliegen innerhalb eines Jahres international. In dieser Gruppe der Privilegierten wiederum gibt es einen kleinen Teil, der sehr viel fliegt. Das macht Fliegen aus dem Gesichtspunkt der Klimagerechtigkeit problematisch: Eine kleine gesellschaftliche Gruppe fliegt, aber alle müssen unter den verursachten Klima- und Umweltschäden leiden. Die Aktivistinnen und Aktivisten von Stay Grounded fordern deswegen, exzessives Fliegen zu regulieren, zum Beispiel über eine Vielfliegerabgabe. Eine Flugbuchung im Jahr könnte zum normalen Marktpreis möglich sein, für weitere Flugreisen müssten die Verbraucherinnen und Verbraucher dann deutlich draufzahlen.

Die oft sehr preisgünstigen Flugtickets halten Menschen davon ab, das klimafreundlichere Angebot der Bahn zu nutzen. Dumping-Angebote zu untersagen, ist eine Möglichkeit, politisch lenkend einzugreifen. Österreich hat die Austrian Airline zwar gerettet, Tickets unter 40 Euro aber verboten. Mit dieser Antidumpingregel schiebe man "gewissen Exzessen" und deren sozialen und ökologischen Folgen einen Riegel vor, so die Regierung.

6. Corsia verschärfen

Flugverbote innerhalb einzelner Länder sind nur sehr begrenzt wirksam für den Klimaschutz. Deswegen sind internationale Reduktionabkommen wichtig, um das Fliegen ökologischer zu machen. Die UN-Luftfahrtorganisation ICAO hat Ende 2016 erstmals ein Klimaziel für die Luftfahrtbranche festgelegt. Das dazu entwickelte System heißt Corsia. Ab kommendem Jahr soll die Luftfahrt demnach nur noch "klimaneutral wachsen" dürfen.

Eine Abkehr von der Wachstumsstrategie ist das aber nicht: Die Fluggesellschaften müssen lediglich ihre Emissionen auf dem Niveau von 2019 bis 2020 halten und Klimaschutz wird vor allem durch CO2-Kompensation angestrebt. Nun möchte die Branche die Ziele angesichts der Corona-Krise sogar noch lockern. Anders als beschlossen soll Corsia mit veränderten Grundlagen und später eingeführt werden, hat die UN-Luftfahrtorganisation ICAO vorgeschlagen. Bislang hat sich aber nur Schweden gegen dieses Vorhaben ausgesprochen.

7. Zukunftsperspektiven für Beschäftigte schaffen

Natürlich würden viele dieser Maßnahmen, ähnlich wie beim Kohleausstieg, Arbeitsplätze kosten. Eine erste einfache Maßnahme, die während der Corona-Krise ohnehin vielfach zur Anwendung kam, wäre die Arbeitszeit zu verkürzen. So können Airlines sich Arbeitsvolumen abbauen und trotzdem Menschen erst einmal weiter beschäftigen. Ähnliches schlägt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung für die Autoindustrie vor: Die Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds könnte verlängert werden und die Zeit zur Umschulung der Fachkräfte genutzt werden. Der notwendige Wandel dieser Industrien würde so gestaltet und nicht - wie derzeit - nur mit viel Geld herausgezögert.

Aber wahr ist auch: Viele Beschäftigte werden in andere Branchen wechseln müssen. Eine Option für einen sozialverträglichen Rückbau könnte eine Arbeitsplatzgarantie für Beschäftigte sein, aber eben nicht im Flugbereich, sondern in klimafreundlichen Branchen, etwa im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Denn wenn dem Staat am Klimaschutz gelegen ist, wird er in diesen Bereich investieren müssen.

Eine längere Version dieses Textes erschien bei Riffreporter.

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