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Contracting: Jetzt einsteigen lohnt sich

Energie-Contracting ist ein Instrument, das Gebäudeeigentümern das Energiesparen so einfach wie möglich machen soll. Auch für Handwerksunternehmen können Energieeffizienzdienstleistungen zukunftssichere Marktmodelle sein. Doch das geht nur bei präziser Kalkulation und bestem Know-how.

von Daniela Becker Themenseite: Energieeffizienz

Öffentliche und private Gebäude in Deutschland verbuchen für Heizung, Warmwasser und Beleuchtung einen Anteil von 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs. Sie stehen für fast 20 Prozent des gesamten CO 2-Ausstoßes. Und bieten damit eigentlich ein riesiges Potenzial für Verbesserungsmaßnahmen. Durch fachgerechtes Sanieren und moderne Gebäudetechnik können bis zu 80 Prozent des Energiebedarfs einer Liegenschaft eingespart werden. Gerade bei öffentlichen Gebäuden herrscht ein enormer Sanierungsstau. Auch Hausverwaltungen scheuen oft energetische Maßnahmen in Gebäuden, weil es ihnen zu teuer und kompliziert erscheint. Hier können Energiedienstleister und informierte Handwerker weiterhelfen. Mit Energie-Contracting, einem Instrument, das Gebäudeeigentümern das Energiesparen so einfach wie möglich machen soll.

Jürgen Gauß hat mit seinem Heizungsbetrieb schon mehrere Contracting-Projekte durchgeführt. - © Christian Mader Herausfordernde Kalkulation

Jürgen Gauß kann sich noch gut an sein erstes Contracting-Projekt erinnern: Das Otto-Hahn-Gymnasium in Nagold. Über 20 Jahre ist das bereits her. „Ich habe bestimmt zwei Wochen nur an Exceltabellen gesessen. Die technische und kaufmännische Kalkulation ist ohne Frage eine große Herausforderung. Das Risiko ist beachtlich. Wenn ich mich bei sowas verkalkuliere, erwirtschafte ich jahrelang ein Minus", sagt Gauß. Damals lief alles glatt, inzwischen verfügt der Geschäftsführer der rund 200 Mitarbeiter starken Gauß Heizung Bad Klima GmbH mit Hauptsitz in Altensteig über viel Expertise und hat sich als Contractor-Experte einen Namen erarbeitet.

Beim Contracting gibt es grundsätzlich zwei Arten: Beim Energieliefer-Contracting versorgt der Contractor eine Liegenschaft mit Energie. Der Auftrag kann die Lieferung von Kälte, Wärme, Strom, Druckluft oder andere Formen umfassen. Der Bezug von Energie über einen Dritten hat für den Kunden den Vorteil, dass er nicht in eine Energieanlage investieren muss und das gesparte Geld anderweitig einsetzen kann.

Aus Energieverbrauchssicht hat das sogenannte „Energiespar- oder Performance-Contracting" ein noch größeres Potenzial als das Liefer-Contracting. So werden Vorhaben bezeichnet, bei denen der Contractor nicht nur Energieerzeugungs-, sondern vor allem auch Effizienzmaßnahmen im Gebäude selbst plant, finanziert, umsetzt, betreibt und Instand hält. Die Einbindung der Nutzer in ein vom Contractor erstelltes Effizienzkonzept und die Schulung der Nutzer können ebenfalls Bestandteil der Leistung sein. „Contracting ist bislang noch nicht weit verbreitet im Handwerk", sagt Ursel Weißleder, Seniorexpertin Energieeffiziente Gebäude bei der Deutschen Energie-Agentur (dena). Denn für solche Energieeffizienzmaßnahmen müssten nicht unerhebliche Vorleistungen zur Identifizierung geeigneter Investitionen erbracht werden, und die zu erwartenden Amortisationszeiten seien verhältnismäßig lang - meist zwischen sechs und zehn Jahren beim Energiespar-Contracting und 15 bis 20 Jahre beim Energieliefer-Contracting. „Viele trauen sich das Energiespar-Contracting nicht zu."

Vorfinanzierung schreckt ab

„Insbesondere die Leistungen vorzufinanzieren schreckt viele, insbesondere kleine Handwerksunternehmen, erst mal ab", sagt Konstanze Stein vom Kompetenzzentrum Contracting der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH, die seit einigen Jahren zu diesem Thema berät. „Handwerker sollten sich aber bewusst machen, dass ihre Geschäftsmodelle künftig neben der Installation, Wartung und Instandhaltung auch den Betrieb und die Anlagenüberwachung umfassen werden und die energiepolitischen Rahmenbedingungen viel verändern werden", meint Stein.

Contracting bietet aus ihrer Sicht viele Vorteile: Handwerksbetriebe sichern sich langfristige Einnahmequellen, arbeiten über Jahre für einen festen Kundenstamm und bieten jungen Fachkräften einen abwechslungsreichen Berufsalltag. Wie aber gelingt der Einstieg in dieses Geschäftsfeld? KEA-Expertin Konstanze Stein rät interessierten Handwerksbetrieben, mit kleinen Projekten wie der Anlagenüberwachung zu starten.

Dass für einen Handwerksbetrieb auch mehr möglich ist, zeigt Unternehmer Gauß. In der baden-württembergischen Gemeinde Pfinztal stand 2015 die Sanierung des Dachs des Bauhofs an; und eine neue, klimafreundliche Wärmeversorgung von Bauhof, Recyclinghof, Geflüchtetenunterkunft und Jugendzentrum sollte umgesetzt werden. Weil die Kommune bereits zuvor gute Erfahrung gemacht hatte, entschieden sich die Gemeindevertreter erneut, die Sanierungsmaßnahmen als Energieliefer-Contracting auszuschrieben. Den Zuschlag erhielt Unternehmer Gauß. „Wir haben für den Einbau eine Pelletheizung mit Gas-Spitzen als Reservekessel vorgeschlagen. Diese Kombination stellt unserer Analyse nach in diesem Aufbau die effizienteste und umweltfreundlichste Versorgung dar", erzählt Gauß.

Auch die Umwelt gewinnt

Über die Einsparungen bei den Verbrauchs- und Betriebskosten finanziert die Gemeinde zum großen Teil die regelmäßigen Zahlungen an die Firma Gauß. Während der Laufzeit sorgt das Unternehmen für einen störungsfreien und effizienten Betrieb. Die Gemeinde konnte ohne Einsatz von eigenem Kapital unumgängliche Sanierungen vornehmen. Das Unternehmen Gauß hat sich einen langfristigen Auftrag gesichert. Und nicht zuletzt gewinnt auch die Umwelt: Der 140-Kilowatt-Pelletkessel deckt nun 90 Prozent des Wärmebedarfs des Gebäudekomplexes. Die CO 2-Einsparung zur Situation zuvor beträgt 44 Tonnen pro Jahr.

Thermondo steigt auch ein

„Jeder dritte Kunde ist inzwischen ein Contracting-Kunde bei uns", sagt Thermondo-Sprecherin Marina Holthaus. Unter dem Namen „Thermondo 365" bietet der Berliner Heizungsbauer ein, wie er es nennt, „Vollkasko-Paket". Das Unternehmen kümmert sich dabei um Planung sowie Einbau des neuen Heizgerätes. Der Kunde bezahlt eine monatliche Rate von mindestens 69 Euro über einen frei wählbaren Zeitraum zwischen zwei und zehn Jahren. Dafür garantiert Thermondo im Servicefall einen Rund-um-die-Uhr-Notdienst, übernimmt anfallende Wartungs-, sämtliche Reparatur- und Schornsteinfegerkosten.

Aus Sicht von Ursel Weißleder ist das Thermondo-Angebot allerdings nicht dem Contracting im klassischen Sinn zuzuordnen, sondern es stellt eher ein Heizungs-Leasing mit Service-Vertrag dar.

Für die Finanzierung der Heizung nutzt Thermondo Fördermittel. Hier sieht das Unternehmen erheblichen politischen Handlungsbedarf. „Bis dato gibt es in Deutschland einen Förderdschungel. Allein auf Bundesebene gibt es zwei große Förderstellen: Die BAFA für Erneuerbare Energien wie zum Beispiel Solarthermie und die KfW-Bank für Förderdarlehen von Gebäudedämmung und Energieeffizienz. Auf Bundeslandebene gibt es dann weitere zahlreiche Ansprechpartner und Förderprogramme. Diese Förderstellen sollten vereinheitlicht werden, es würde helfen, Bürokratie abzubauen", sagt Holthaus. Insgesamt seien die Fördermöglichkeiten für Contractoren zurzeit noch sehr eingeschränkt und kompliziert zu realisieren.

Auch Ursel Weißleder von der Deutsche Energie-Agentur (dena) sieht noch viele Möglichkeiten, den Contracting- Markt stärker zu beleben, etwa indem rechtliche Regelungen vereinfacht werden, damit nicht bei jedem Projekt ein Rechtsanwalt eingebunden werden muss. „Wir begleiten jetzt seit vier Jahren einen Bund-Länder-Dialog zu dem Thema, weil es viele Restriktionen in der Gesetzgebung gibt, die eine unkomplizierte Umsetzung von Projekten verhindern."

„Dezentrale Öl- und Gasheizungen haben keine Zukunft, es wird in größeren Siedlungsbereichen eher in Richtung große Wärmenetze auf Basis erneuerbarer Energien gehen - das Berufsbild des Heizungsinstallateurs wird sich verändern", ist sich Konstanze Stein von der KEA sicher. Jetzt gebe es ein „Gelegenheitsfenster", in diesen Bereich der Energiedienstleistungen einzusteigen, Fachwissen aufzubauen und sich als zuverlässiger Partner unabdingbar zu machen.

Strategie: So gelingt der Einstieg für Fachbetriebe

Konstanze Stein, Expertin beim Kompetenzzentrum Contracting der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH, berät Handwerksbetriebe seit einigen Jahren zu diesem Thema. Ihr Tipp: Mit kleinen Projekten starten.

Anlagenüberwachung Starten Sie mit kleinen Projekten wie der Anlagenüberwachung. Handwerksbetriebe können beispielsweise alle Anmeldungen bei einem Blockheizkraftwerk (BHKW) übernehmen, die Einregulierung der Anlage sowie einen 24-Stunden-Service in Kombination mit einem Störfallmanagement anbieten. Energiecontrolling Betriebe können in das Energiecontrolling einsteigen, um so die tatsächlichen Einsparerfolge beim Kunden zu messen und zu dokumentieren. Pumpen und Beleuchtung Auch ein Energiespar-Contracting zum Austausch von Pumpen oder Beleuchtung ist ein guter Anfang, weil hier die Vertragslaufzeiten in der Regel recht kurz sind. Wärme- und Stromlieferung BHKW-Spezialisten können mit der Wärme- und Stromlieferung starten - bis hin zu Mieterstrommodellen. Wenn der Kunde die Einsparraten wie beim Beleuchtungs- oder Pumpencontracting pauschal vergütet, trägt der Handwerksunternehmer kaum Risiken. Kooperationen Wer Energieeffizienzdienstleistungen als Paket anbieten will, sollte über mögliche Kooperationen nachdenken. Energiegenossenschaften beispielsweise haben das Geld, Handwerker das technische Know-how. So profitieren beide.
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