München, den 23. Juli 2019
Herr Dosch, Forscher der ETH Zürich warnen davor, dass viele Städte den Auswirkungen der Klimakrise völlig unvorbereitet entgegensehen. Wie sehr gilt das auch für Deutschland?Zunächst ist es natürlich ganz wichtig, dass wir uns weltweit intensiver bemühen das Klima zu schützen. Gleichzeitig müssen wir uns den nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels anpassen. In Deutschland sind die Anpassungen an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels im Vergleich zu etlichen anderen Ländern keine ganz so dramatische Aufgabe. Aber auch hierzulande sehen wir häufigeren und intensiveren Hitzewellen und Starkregen entgegen. Invasive Arten könnten die Gesundheit gefährden. Wir müssen auch unsere Bausubstanz rasch dem Klimawandel anpassen. Im weltweiten Vergleich sind diese Auswirkungen noch relativ gut handhabbar.
Heißt das, Deutschland ist bei der Klimawandelanpassung gut aufgestellt?Theoretisch ja, praktisch noch lange nicht. Wir beschäftigen uns in Deutschland schon lange, aber erst seit gut zehn Jahren intensiv wissenschaftlich mit der Herausforderung Klimaanpassung, viele Bundes- und Landeseinrichtungen aber auch etliche Kommunen wirken daran mit. Die Anpassung an den Klimawandel ist eine gesetzlich verankerte Aufgabe. Darüber hinaus wurden zahlreiche Forschungs- und Förderprogramme initiiert, um Klimaanpassung zu erforschen und Maßnahmen umzusetzen. In der Diskussion, wie diese Maßnahmen umgesetzt werden, sind wir relativ weit. Allerdings ist Klimaanpassung in Städten eine Querschnittsaufgabe und es muss noch viel getan werden, um Städte wirklich widerstandsfähig gegenüber den Klimarisiken zu machen. Wir bauen jetzt für eine Stadt von morgen, Gebäude, die in der Regel 50 bis 80 Jahre halten müssen. Das heißt leider auch, dass die Früchte nicht immer von denjenigen geerntet werden, die diese Maßnahme initiiert haben.
Wie lässt sich das lösen?Klimaanpassung in Städten sollte positiv erlebbar werden. Orte, die bei Hitze Schatten spenden oder bei Starkregen die Versickerung von Wasser zulassen. Wir benötigen Schlüsselpersonen, die Klimaanpassung mitdenken und danach handeln. Solange unsere Bautätigkeiten überwiegend nach Intensität und Renditeerwartungen geschehen, bleiben Dinge, die nicht unmittelbar renditeträchtig sind, zu oft auf der Strecke. Es muss uns gelingen, Investitionen in Klimaanpassung nicht nur als einen betriebswirtschaftlichen Kostenfaktor für Immobilien zu sehen - sondern auch als Investition in Lebensqualität. Städte klimaresilient und wassersensibel umzugestalten, ist eine große Aufgabe und wir stehen erst am Anfang.
Was meinen Sie mit „Investition in Lebensqualität"?Zwei wesentliche Probleme, die durch den Klimawandel zunehmen, sind Starkniederschläge und die Hitzebelastung. Gleichzeitig nehmen die Bebauung, Versiegelung und Bodenverdichtung immer stärker zu. Als Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschungtreten wir zwar für eine Nachverdichtung der Innenstädte ein, aber damit die Hitzebelastung nachts wieder abnimmt, brauchen wir auch unversiegelte, kühlende Grünflächen. Stadtgrün, also Rasenflächen, Bäume, begrünte Dächer und Fassadenbegrünung, sind zentral für die Klimaanpassung. Stadtgrün muss begriffen werden als grüne Infrastruktur, die einen großen Wert für die Gesellschaft darstellt. Vom Bund wurde dazu das „Weißbuch Stadtgrün" aufgelegt, das einen umfassenden Maßnahmenkatalog enthält, um Städte grüner zu machen. Für Bauherren, auch private, kann es sich rechnen, beispielsweise in eine Mehrgeschosswohnung mit einem attraktiven Wohnumfeld zu investieren, die neben Abschattungen und schön gestalteten Plätzen auch eine Starkregenvorsorge betreibt. Das muss kaum teurer sein, wenn der gesteigerte Wohn- und Gebäudewert für Eigentümer oder Mieter einkalkuliert wird.
Bei der Fördermittelvergabe geht es oft nur um Energiesparmaßnahmen. Müsste da nicht vielmehr die Öko- und Klimabilanz besser berücksichtigt werden?Ja, da müsste man kräftig nachjustieren und da ist beispielsweise die KfW-Bank mit ihren Förderprogrammen eine ziemlich wichtige Stellschraube. Klimaanpassung ist schon heute zum Beispiel über die Städtebauförderungsprogramme förderfähig. Die positiven Anpassungswirkungen könnten bei der Fördermittelvergabe künftig eine größere Rolle spielen.
Fehlt es den Kommunen auch am Geld für Anpassungsmaßnahmen?Natürlich kosten investive Maßnahmen Geld. Ganz überwiegend denke ich aber, dass Klimaanpassung nicht am Geld scheitert. Man kann schon mit relativ wenig Aufwand einiges zur Anpassung an den Klimawandel machen.
Nämlich?Ganz grundsätzlich können sich deutsche Städte in vielen Fällen am mediterranen Städtebau orientieren. Helle Oberflächenmaterialien vermindern Aufheizung, Bäume spenden Schatten, Arkadengänge sorgen für relative Kühle. Oft sind es ganz einfache und kostengünstige Maßnahmen, die leicht umzusetzen sind: die Beschattung von Plätzen, insbesondere Spielplätzen, gut durchlüftete Plätze, Trinkwasserbrunnen, oder die Organisation von Nachbarschaftshilfen, die sich bei Extremwettern um Ältere und Pflegebedürftige kümmern.