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Rendite mit gutem Gewissen

Wer zahlt, bestimmt, heißt es sprichwörtlich. Das gilt auch für Geldanlagen. Immer mehr Verbraucher investieren bewusst in ökologisch-ethische Finanzprodukte, um damit Gutes zu bewirken. Studien zeigen: Den Rendite-Vergleich mit konventionellen Geldanlagen müssen sie nicht scheuen.

Die Stadt Berlin will nicht mehr, dass ihr Geld in Projekte fließt, die das Klima schädigen. Das Abgeordnetenhaus hat deswegen vor einigen Monaten beschlossen, dass die deutsche Hauptstadt sämtliche Investitionen aus „Unternehmen, deren Geschäftsmodell den Zielen der Klimaneutralität zuwiderläuft“, abziehen muss. Es geht dabei um Beträge in Millionenhöhe – Rücklagen für Pensionen und Renten von Beamten und Angestellten des Landes. Während viele der deutschen Großbanken wie etwa die Deutsche Bank und die Commerzbank immer noch als Finanzierer der Kohleindustrie eine Schlüsselrolle einnehmen, bekennen sich immer mehr institutionelle Anleger wie Städte, Universitäten, Stiftungen, kirchliche Einrichtungen, Pensionsfonds oder auch die milliardenschwere Stiftung des Ölimperiums der Rockefeller zum sogenannten Divestment. Ihr Ziel: die globale Kohleverbrennung auszubremsen, einer der Hauptverursacher des Klimawandels.

Nach einer Erhebung des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG), einem Verband für Alternativinvestments, ist der nachhaltige Anlagemarkt im Jahr 2015 allein in Deutschland um sieben Prozent auf knapp 137 Milliarden Euro angewachsen. „Es ist erfreulich, dass die institutionellen Fonds beim Divestment endlich nachziehen und ihre Anlagen kritisch überdenken. Für Alternativbanken wie uns ist das allerdings ein alter Hut“, sagt Klaus Euler, Vorstand der Ethikbank. Das kleine sozial-ökologisch orientierte Geldinstitut mit Sitz im thüringischen Eisenberg verzeichnet seit Jahren zweistellige Wachstumsraten, ähnlich geht es Deutschlands ältester grünen Bank, der GLS Bank aus Bochum. Denn auch immer mehr Privatanleger nutzen aktiv ihren Einfluss, den sie mit ihrer Geldanlage ausüben können.

GUTES TUN UND RENDITE ERWIRTSCHAFTEN

„Die Menschen kommen vor allem aus zwei Gründen“, sagt GLS-Pressesprecher Christof Lützel. „Zum einen hat das Vertrauen der Deutschen in normale Banken wegen der vielen Skandale gelitten und sie wollen ihr Geld wieder jemandem wirklich anvertrauen können. Zum anderen steht der Wunsch im Vordergrund, mit seinem Geld etwas Sinnvolles zu bewirken.“

Doch was machen diese Banken anders? „Wir unterscheiden uns von konventionellen Anbietern durch strenge Anlagerichtlinien“, sagt Klaus Euler. Ethische Geldanlagen zeichnen sich dadurch aus, dass es in den Anlagerichtlinien Ausschlusskriterien und Positivkriterien gibt. Positivkriterien definieren besonders zu bevorzugende Anlagen, während Ausschlusskriterien absolut Untolerierbares definieren, in das überhaupt nicht investiert wird. Ausschlüsse können zum Beispiel Investitionen in Atomkraft oder Kohlekraftwerke sein sowie in Unternehmen, bei denen Kinderarbeit oder Tierversuche nachgewiesen wurden oder die mit Rüstungsgeschäften oder Gentechnik Geld verdienen. „Die Definition von Ausschlusskriterien ist ein absolutes Minimum“, sagt Euler. Die meisten grün und ethisch orientierten Anbieter kombinieren die Negativ- mit den Positivkriterien. Positive Kriterien können hohe Umweltstandards, Menschenrechte, Gleichberechtigung sowie der Umgang des Unternehmens mit Kunden und Lieferanten sein.

DIE KUNDEN WISSEN, WOHIN IHR GELD FLIESST

Ein weiteres Merkmal nachhaltiger Geldanlagen ist die Transparenz. „Wir veröffentlichen unsere Anlagekriterien und legen zudem offen, wohin das Geld fließt“, sagt Euler. Neben den zahlreichen Förderprojekten, die von der Bank unterstützt werden, bietet die Ethikbank zum Beispiel ein sogenanntes Mikrokonto an. Insolvenzschuldner aus dem Privat-, aber auch aus dem Geschäftsbereich oder Menschen mit schlechten Schufa-Einträgen, die bei anderen Instituten keinerlei Chance auf ein Konto haben, erhalten auf diese Weise eine zweite Chance, am Wirtschaftsleben teilzuhaben.

Die GLS Bank verfolgt das Prinzip der transparenten Bank bereits seit ihrer Gründung 1974. „Wir sind in den Kernbereichen des nachhaltigen Wirtschaftens aktiv: Naturkostherstellung und -verkauf, ökologische Landwirtschaft, Bildung, regenerative Energien und nachhaltiges Wohnen. Das sind die Bereiche, die aus unserer Sicht der Mensch zum Leben braucht, und in diese Bereiche investiert die GLS Bank“, sagt Lützel. Jeder Kredit, den die Bank vergibt, wird vierteljährlich im Kundenmagazin veröffentlicht. Man kann dort genau nachlesen, welche Solaranlage, welche ökologische Landwirtschaft oder welcher Kindergarten finanziert wurde. Wie bei der Ethikbank sind die Positiv- und Negativkriterien für die Geldanlage auf der Webseite einsehbar. Auch wo die Bank ihre Eigenanlage angelegt hat, kann man dort nachvollziehen.

JEDES KONVENTIONELLE ANLAGEPRODUKT GIBT ES AUCH IN GRÜN

Mit dem steigenden Interesse der Verbraucher ist auch der Markt für ethisch-ökologische Geldanlagen gewachsen. „Inzwischen gibt es zu fast jedem konventionellen Produkt auch eine grüne Alternative, die keinen Rendite-Verzicht bedeutet“, sagt Max Deml, der als Autor des Handbuchs „Grünes Geld“ und als Herausgeber des Informationsdienstes Öko-Invest die grüne Finanzbranche seit knapp 30 Jahren beobachtet. Dass nachhaltige Investments den Renditevergleich nicht scheuen müssen, zeigen auch wissenschaftliche Studien. Wissenschaftler der Universität Hamburg rund um den Wirtschaftsprofessor Dr. Alexander Bassen haben dazu in einer Metastudie 2.200 Einzelstudien zum Thema ausgewertet. Das Ergebnis: Der Fokus auf nachhaltige Unternehmen im Investmentportfolio vermindert das Risiko, ohne den Ertrag zu schmälern, da nachhaltige Unternehmen tendenziell stabilere positive Wirtschaftsergebnisse erbringen.

Grundsätzlich gelten bei nachhaltigen Geldanlagen die gleichen Regeln wie bei konventionellen Investments: Je weniger Risiko man eingehen will, desto geringer sind die Erträge. Auf ein einlagengesichertes Sparbuch gibt es bei einer grünen Bank aktuell zwischen null und einem Prozent Zins. Abgesehen von dieser sehr sicherheitsorientierten Anlage gibt es natürlich zahlreiche Anlagemöglichkeiten in verschiedenen Risikoklassen. „Wir beobachten allein 1.000 Aktien, die einigermaßen grün und interessant sind“, sagt Deml. Wer sich nicht vom Erfolg eines einzelnen Unternehmens abhängig machen will, kann Fondsanteile kaufen. In einem Investmentfonds bündelt eine Kapitalgesellschaft das Geld der einzelnen Anleger und legt es in verschiedenen Vermögenswerten an – zum Beispiel in Aktien, Rentenpapieren und Anleihen. Auch in geschlossene Fonds im grünen Bereich lässt sich investieren, zum Beispiel in Windkraft- und Photovoltaikfonds. Hier geht man eine richtige unternehmerische Beteiligung ein, wodurch das Risiko ungleich größer ist. Im schlimmsten Fall droht der Totalverlust der Einlage.
„Man muss bei jedem Angebot ganz genau hinsehen, was dahintersteckt“, sagt Deml. Der Bereich der erneuerbaren Energien, der etwa ein Drittel aller Anlagen ausmache, die auf dem deutschen Markt für nachhaltige Investments gehandelt würden, sei ein gutes Beispiel für die Spanne, in der sich Investments unter dem Label „grün“ bewegen: Wenn jemand vor drei Jahren in Grünstrom investiert habe, sei je nach Anlageobjekt zwischen Totalverlust und 1.000 Prozent Gewinn, wie zum Beispiel beim Windturbinenhersteller Vestas, alles drin gewesen, so Deml.

VERTRAUEN IST GUT, KONTROLLE IST BESSER

Ein schwieriges Thema ist die Kontrolle sogenannter ökologisch-ethischer Investments. Denn Nachhaltigkeitsfonds gibt es von Hell- bis Dunkelgrün, wie die Branchenbeobachter die verschiedenen Schattierungen nennen. Es gibt „hellgrüne“ Fonds, die lediglich ein oder zwei sanfte Ausschlusskriterien formulieren und sonst alles Mögliche kaufen – bis hin zu Kernkraft-, Kohle- oder Rüstungswerten. „Nur weil irgendwo ‚Sustainability‘ draufsteht, heißt das noch gar nichts. Es kann sein, dass der Fonds oder der Index zum Beispiel einen Autohersteller oder ein Unternehmen der Ölindustrie aufgenommen hat, nur aus dem Grund, weil diese Firma nachhaltigere Ziele als andere formuliert hat. Der Umwelt bringt das herzlich wenig“, sagt Finanzexperte Deml.

Bislang gibt es keine Kontrollinstanz, die die Qualität grüner Anlageprodukte unabhängig überwacht. Um privaten und institutionellen Anlegern eine Orientierungshilfe zu geben, hat das Forum Nachhaltige Geldanlage ein Siegel entwickelt, das immerhin Mindestanforderungen nach international anerkannten Normen gewährleisten soll.

Auch bei den grünen Banken handelt es sich bei dem Versprechen, die anvertrauten Gelder nur in den festgelegten Bereichen anzulegen, um eine selbst definierte Garantie. Allerdings lassen diese Institute sich von externen Gremien kontrollieren. Die GLS Bank wählt zur Qualitätssicherung den Weg über einen Beirat. Anlageprodukte wie Aktien, Fonds oder Unternehmensbeteiligungen werden durch Bankmitarbeiter vorausgewählt. Anschließend werden die Werte dem Anlageausschuss vorgelegt, der aus sechs externen und zwei bankinternen Mitgliedern besteht. „Da wird dann auch noch mal der eine oder andere Wert aussortiert“, sagt Unternehmenssprecher Christof Lützel. Die Ethikbank lässt einmal im Jahr von einem Wirtschaftsprüfer kontrollieren, ob ihre Richtlinien korrekt eingehalten wurden.

NACHHALTIGES INVESTMENT BEGINNT MIT KRITISCHEM NACHFRAGEN

Ethikbank-Vorstand Klaus Euler findet ein allgemeingültiges Siegel ohnehin nicht sonderlich hilfreich: „Das ist schwierig, denn wie will man Moral definieren? Und nichts anderes sind Anlagekriterien ja eigentlich.“ Am wirksamsten, so Euler, sei ohnehin die Kon-trolle durch die Öffentlichkeit. „Wir bekommen oft Nachfragen nach unseren Anlagekriterien und warum wir ein bestimmtes Produkt aufgenommen haben“, sagt Euler. Auch Max Deml rät dazu, regelmäßig Geschäfts- und Rechenschaftsberichte der Anlagewerte zu studieren. Wer sicher sein will, dass sein Geld verantwortungsvoll angelegt ist, muss sich informieren. „Als Kunde sollte man seine Bank fragen: Wo fließt eigentlich das Geld hin, das ich mit meinem Sparbuch anlege? Wie ist mein Geld in eurem Kreditportfolio tatsächlich verteilt? Womit erzielt meine Lebensversicherung ihre Erträge?“, rät Max Deml. Wenn eine Bank keine Auskunft geben kann oder will, sollte man sein Geld anderweitig anlegen, rät der Finanzexperte.


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